Richter gehen von Freiheitsberaubung aus

Fünf beziehungsweise drei Jahre und drei Monate Gefängnis für die Täter: Verfahren um „Entführung“ einer Pflegekraft ist beendet

Richter gehen von Freiheitsberaubung aus

Den Fall der zwei Männer, die eine in Aspach arbeitende Pflegekraft einige Tage in ihrer Gewalt hatten, kann das Gericht nun ad acta legen. Symbolfoto: BilderBox/E. Wodicka

Von Hans-Christoph Werner

ASPACH/STUTTGART. Die im Aspacher Entführungsfall angeklagten Maciej I. und Krzystof T. wurden gestern vom Landgericht zu fünf beziehungsweise drei Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Das Strafverfahren hat in seiner Schlussphase mächtig an Fahrt aufgenommen. Am Freitag hatte die entführte 48-jährige Pflegekraft nochmals ausgesagt. Der vorsitzende Richter deutete anschließend etwas von einer Verständigung an. Daraufhin war man außerhalb der Verhandlung zusammengekommen. In dieser Besprechung hatte die Strafkammer dargelegt, die Taten der Angeklagten mit fünf Jahren und sechs Monaten beziehungsweise mit drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis ahnden zu wollen. Dem hatte der Staatsanwalt widersprochen. Er forderte für Maciej I. sieben Jahre Gefängnis, für Krzystof T. vier Jahre und sechs Monate.

In der weiteren Diskussion setzte sich offenbar die Strafkammer durch. Unabdingbare Voraussetzung für die mildere Bestrafung, so machte der Richter gestern deutlich, sei ein Geständnis der Angeklagten. Weitere Vorwürfe wie ein Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz oder das Fahren ohne Fahrerlaubnis wurden fallen gelassen. Die Erklärungen der Angeklagten sind dann kurz und bündig. Maciej I. sagt, dass er alles, so wie in der Anklageschrift dargelegt, eingestehe. Es tue ihm sehr leid. Krzystof T. formuliert es ebenso. Und fügt hinzu, dass er die Strafe annehme. Da muss ihn dann der Richter bremsen. „Ich weiß, was Sie meinen“, sagt er, aber ein Urteil ist noch nicht gesprochen. Der vorsitzende Richter betont weiter, dass die Verständigung weitere Verhandlungssitzungen erspart. Ohne Verständigung hätte man die Vernehmung der Angeklagten in Frankreich im Einzelnen durchgehen müssen. Letzter Punkt der Beweisaufnahme: Der psychiatrische Gutachter berichtet über seine Gespräche mit den Angeklagten. Für ihn ergaben sich bei beiden Angeklagten keine Hinweise auf eine eingeschränkte Schuldfähigkeit. Der jüngere Angeklagte hatte wohl auf der Fahrt von Polen nach Deutschland Amphetamine eingenommen. Es läge aber, so der Gutachter, keine Abhängigkeit vor.

Der Staatsanwalt rekapituliert in seinem Plädoyer nochmals das Geschehen. Und diagnostiziert bei Maciej I. als Tatmotiv Eifersucht, bei Krzystof T. Loyalität gegenüber seinem Kompagnon. Für ein klärendes Gespräch bezüglich der Beziehung – so hatte es an den Verhandlungstagen zuvor Maciej I. immer wieder angegeben – sei, so der Staatsanwalt, kein Wohnmobil notwendig. Vor allem aber kein Elektroschocker, keine Kabelbinder und kein Klebeband. Der Sinn der Tat erschließe sich ihm nicht. Es lag kein Grund vor, die entführte 48-Jährige so lange festzuhalten. Er fordert eine Bestrafung mit fünf Jahren und sechs Monaten beziehungsweise drei Jahren und sechs Monaten Gefängnis. Die Nebenklägerin, Rechtsbeistand des Opfers, bedauert, dass an den sieben Verhandlungstagen bei den Angeklagten weder Reue zu beobachten noch ein Wort der Entschuldigung zu hören war. Die Verteidigerin von Maciej I. betont, dass für ihren Mandanten die Beziehung zu der 48-jährigen Pflegekraft keineswegs beendet war. Da diese in den Jahren zuvor schon mal eine Affäre mit einem anderen Mann hatte, die der Kfz-Mechaniker ihr dann verzieh, rechnete er damit, dass er sie wiederum für sich rückgewinnen könne. Und auch die Einlassung, dass die beiden Entführer ihr Opfer nach Aspach zurückbringen wollten, ist für die Rechtsanwältin durchaus glaubhaft. Wohl sei die Beziehung ihres Mandanten zu der 48-Jährigen pathologisch gewesen. Aber ihr Mandant habe seine Partnerin ehrlich geliebt.

Für den jüngeren Angeklagten sprechen zwei Verteidiger. Für den ersteren ist das Geständnis seines Mandanten ein schnelles Geständnis. Er rechnet dabei nicht in den Wochen, die sich die Verhandlung hinzog. Er rechnet von Freitag, an dem die Verständigung ausgehandelt wurde, bis zum letzten Verhandlungstag. Dass Krzystof T. dem Geschehen kein Ende machte, liege an seiner Abhängigkeit gegenüber Maciej I. Der zweite Verteidiger bittet um eine milde Bestrafung. Sein Mandant könne zu seinen Eltern, von denen er im Streit geschieden war, zurückkehren. Ferner sei er willig, seine Ausbildung als Kfz-Mechaniker abzuschließen. Das solle ihm ermöglicht werden. Auch der vorsitzende Richter arbeitet in seiner Urteilsbegründung das Geschehen nochmals auf. Das Freikommen aus der unglücklichen Beziehung habe die 48-Jährige mehrmals versucht. Ihr Partner aber das immer wieder geschickt unterlaufen. Der 52-Jährige sei wohl in der Überzeugung nach Aspach gereist, die Beziehung nochmals zu retten. Und wenn es sein müsse unter der Anwendung von Zwang. Aber dieses Vorhaben sei schon beim panikartigen Losfahren vom Fautenhau-Parkplatz gescheitert. Wie geschildert erlitt die 48-Jährige Verbrühungen am Bein. Fortan ging es ihr nicht mehr um ein Beziehungsgespräch, sondern um ärztliche Versorgung ihrer Wunde, die ihr die Täter vorenthielten. Der Aufenthalt in den Wäldern um Hagenau sei planlos gewesen. Das Handeln der Angeklagten erfülle nicht die Tatbestände einer Geiselnahme, aber die einer Freiheitsberaubung. Ferner schlage beim Strafmaß gefährliche Körperverletzung (Verletzung mit einem Messer, Würgen und Tritte) sowie Nötigung (Herausgabe der Handy-PIN) zu Buche. Krzystof T. werde wegen Mittäterschaft und fahrlässiger Körperverletzung bestraft. Mit seinem Tateingeständnis, so der Richter an die Adresse der Nebenklägerin mit der Bitte, das der Geschädigten auszurichten, sei die Beziehung zwischen Maciej I. und der 48-Jährigen endgültig beendet. Die Pflegerin müsse keine Angst vor Rache durch ihren Ex-Partner haben. In einer Beziehung gebe es nie nur „einen Engel und einen Teufel“. Maciej I. habe aus Verzweiflung gehandelt. Als das Geschehen aus dem Ruder lief, handelte der 52-Jährige zunehmend hilflos, aber auch mit krimineller Energie. Dem jüngeren Angeklagten macht der Richter Hoffnung. Die Untersuchungshaft werde angerechnet. Krzystof T. habe ferner um eine Halbstrafen-Abschiebung gebeten. So sei es durchaus wahrscheinlich, dass er zum November zurück in Polen sein könne.