11. Mai 1860: Der italienische Guerillakämpfer Giuseppe Garibaldi landet unter dem Schutz zweier britischer Kriegsschiffe mit dem Zug der Tausend bei Marsala in Sizilien, um das bourbonisch beherrschte Königreich beider Sizilien im Zuge des Risorgimento zu erobern.
Freiheitskämpfer in Rente: Guiseppe Garibaldi im Jahr 1862.
Von Markus Brauer/dpa
Der General Giuseppe Garibaldi (1807-1882) hätte von einem Hollywoodregisseur erfunden werden können. Er war ein Held, Guerillakämpfer, Revolutionär – und er sah dabei auch noch verdammt gut aus. George Marsh, damals US-Generalbevollmächtigter in Turin, nannte ihn einst – auf der Höhe seines Ruhms und seiner weltweiten Popularität – eine europäische Einmanngroßmacht.
Held der Nation
Seit 164 Jahren schwebt die Legende des in Nizza geborenen Italieners wie ein heiliger Geist der Nation über die Apenninhalbinsel. Garibaldis Rolle als Held der Einigung Italiens, die am 17. März 1861 erfolgte, ist unangefochten.
So gibt es trotz aller bestehenden Uneinigkeit zwischen Nord- und Süditalien wohl keinen Ort, der nicht den Namen Garibaldi in der Liste seiner Ehrenbürger führte, keine Stadt, die nicht wenigstens eine Straße oder einen Platz nach dem Helden der Vereinigung benannt, ein Denkmal aufgestellt und eigene Garibaldi-Legenden erfunden hätte.
„Zug der Tausend“
In die Geschichte ist vor allem sein „Zug der Tausend“ eingegangen: Am 11. Mai 1860 landet Garibaldi mit 1000 Freiwilligen an der Küste Siziliens. Als Straffällige und Träumer beschreiben Historiker die Mitglieder seiner Truppe. Doch in kürzester Zeit erobern Garibaldis „Rothemden“ die Mittelmeerinsel.
Das Land wird damals von mehreren Mächten regiert: In Sardinien-Piemont steht König Viktor Emanuel II. zusammen mit seinem Ministerpräsidenten Graf Camillo Benso von Cavour an der Spitze. Südlich des päpstlichen Kirchenstaates beherrschen hingegen die Bourbonen das Königreich Neapel samt Sizilien. Garibaldi gelingt es mit seinen Mannen, die Monarchie in Neapel zu stürzen.
Knapp ein Jahr nach seinem Sieg wird dann in Turin das Königreich Italien ausgerufen: Am 17. März 1861 nimmt Viktor Emanuel II. offiziell den Titel „König von Italien“ an. Bis heute gilt der „Zug der Tausend“ als entscheidender Anstoß für die letzte Phase des Risorgimento, wie die Bestrebung nach einer politischen Einigung Italiens getauft wurde.
Mehr Haudegen als General
Laut seinen Biografen soll Garibaldi in seinem Leben ganze 54 Schlachten geschlagen haben: Seeschlachten, Landschlachten, aber auch Piraterien – die Hälfte davon in Südamerika. 35 bestand er mehr oder weniger erfolgreich, in 14 blieb der Sieg aus, fünf endeten mit einem Rückzug.
Mit einem derartigen militärischen Lebenslauf dürfte der Nationalheld einer der erfolgreichsten Feldherren Italiens seit der Antike sein. Einen offiziellen Status innerhalb der italienischen Armee hat er jedoch nie besessen. Mehr Haudegen als General, wird er schon eher mit dem lateinamerikanischen Guerillaführer Ernesto „Che“ Guevara (1928-1967) verglichen.
„Held der zwei Welten“
Die „politische Karriere“ des Freiheitskämpfers beginnt mit einem Todesurteil: Nachdem der junge Idealist im Jahr 1834 an einem Aufstand im Piemont teilgenommen hat, soll er nach dessen Scheitern dem Henker übergeben werden. Jedoch gelingt ihm die Flucht nach Südamerika. Dort schlägt er prompt eine Laufbahn als Freiheitskämpfer ein, der er heute den Titel „Held der zwei Welten“ zu verdanken hat.
So nimmt er an Unruhen in Brasilien und Uruguay teil, wo er ebenfalls bis heute als Freiheitsheld verehrt wird. Gegen Argentinien führt Garibaldi gar einen Flottenaufmarsch an. Auf der „Piazza centrale“ von Montevideo in Uruguay prangt noch heute ein Standbild zu seinen Ehren als Flottenkapitän der Nation.
Unvergessener Heros
Garibaldis Denken ist vor allem von dem Demokraten und Freiheitskämpfer Giuseppe Mazzini geprägt, der sich für die Selbstbestimmung der europäischen Völker eingesetzt hat. Vor allem aber lag Mazzini – einem Romantiker, dem nachgesagt wird, dass er sich für die Werke des französischen Schriftstellers Alexandre Dumas und den Buddhismus interessierte – die Unabhängigkeit und Einigung der italienischen Staaten am Herzen.
So verwundert es wenig, dass Garibaldi überall seine Finger im Spiel hat, wo es um Befreiung geht: Ob im Kampf von Piemont-Sardinien gegen Österreich (1854), bei der Eroberung von Neapel und Sizilien (1860) oder später beim Deutsch-Französischen Krieg (1870-1871), von Südamerika mal ganz abgesehen. „Er wusste, dass er bereits einer jener Helden war, dessen Namen nicht vergessen werden“, beschreibt es ein Historiker.
Risorgimento und Garibaldi-Mythos
Sicher könnte man gegen den Garibaldi-Mythos halten, dass der Freiheitskämpfer in den drei italienischen Befreiungskriegen niemals dort war, wo die eigentlichen Entscheidungen fielen oder, dass das Risorgimento durch seine Guerillafeldzüge allein nie vollbracht worden wäre.
Doch sind sich seine Biografen einig: Der Zusammenschluss von Nord- und Süditalien wäre ohne den charismatischen Piraten, Freischärler und Guerillakämpfer nicht gebilligt worden – weder vom Volk noch von den europäischen Großmächten oder den derzeitigen Politikern. In seinem Jahrhundert der Romantik verkörperte Garibaldi die perfekte Hauptfigur des Risorgimento, der „Wiederauferstehung“ der italienischen Nation.