RKI dringt auf Senken der Fallzahlen - Sorgen um Pflegeheime

dpa Berlin. Die Corona-Fallzahlen in Deutschland sind immer noch höher als angestrebt. Vor allem die Ausbrüche in Pflegeheimen bereiten dem Robert Koch-Institut (RKI) derzeit Sorgen. Was tun?

RKI dringt auf Senken der Fallzahlen - Sorgen um Pflegeheime

Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), spricht bei einem Pressebriefing zur aktuellen Covid-19-Lage in Deutschland. Foto: Michael Kappeler/dpa-pool/dpa

Die Corona-Fallzahlen in Deutschland bewegen sich aus Sicht des Robert Koch-Instituts (RKI) weiter auf zu hohem Niveau. „Die Lage bleibt weiter sehr angespannt“, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag in Berlin.

Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen bereiteten große Sorgen. Auch nach den Beschränkungen der vergangenen Wochen, die zu einer Stabilisierung geführt hätten, seien die Fallzahlen immer noch zu hoch. Ziel bleibe, „die Infektionen auf ein Level zu senken, mit dem wir alle umgehen können“.

Aktuell sei leider eine Entwicklung zu sehen, wie sie bei anhaltend hohen Fallzahlen befürchtet worden sei: Die Gesundheitsämter seien zusehends erschöpft und schafften es nicht mehr zu ermitteln, wo sich Betroffene angesteckt haben. Es gebe mehr Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen, in einigen Regionen kämen Krankenhäuser an Belastungsgrenzen. Die Zahl der schweren Verläufe und Todesfälle steige von Woche zu Woche, zu rechnen sei mit vielen weiteren Fällen.

Wieler rief alle Bürger eindringlich dazu auf, Regeln zu Abstand, Hygiene und Alltagsmasken „immer und überall“ zu beherzigen. Dies sei entscheidend, da man sich prinzipiell überall anstecken könne, wo Menschen zusammenkommen - nicht nur bei großen Partys. Auch an den Weihnachtstagen gelte es, Kontakte so stark wie möglich einzuschränken. „Diese Pandemie lebt nur von unserem Verhalten.“

Nach einer sehr erfolgreichen Eindämmung im Frühjahr bekomme Deutschland die Zahlen derzeit „nicht mit aller Verve runter“. Der RKI-Präsident äußerte aber die Hoffnung, dass die Mitmach-Bereitschaft (Compliance) der Menschen zunehme, da inzwischen auch mehr aus eigener Anschauung die Ernsthaftigkeit der Krankheit bemerkten. „Diese Krankheit wünschen wir keinem“, sagte Wieler.

Mit Blick auf die von Bund und Ländern angestrebte Senkung der Neuinfektionen auf unter 50 Fälle pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen, sagte der RKI-Chef, dies sei „prinzipiell machbar“. Derzeit sind es 134. Es hänge aber maßgeblich vom Verhalten der Menschen ab, wie schnell es machbar sei. Die Leiterin des RKI-Lagezentrums, Ute Rexroth, sagte, für eine Senkung brauche es Geduld und Beharrlichkeit.

Regional bestehen Unterschiede: Stadtstaaten wie Berlin, Bremen und Hamburg wiesen einen leicht rückläufigen Trend auf, während sich in Flächenstaaten wie etwa Bayern und Nordrhein-Westfalen wenig Änderungen zeigten, sagte Rexroth. Leichte Zunahmen gebe es in Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Deutlich zunehmend sei der Trend in Thüringen, sehr deutlich in Sachsen.

Einen besonderen Fokus legte Wieler auf die Lage in Alten- und Pflegeheimen, wo Menschen mit hohem Risiko für schwere und tödliche Verläufe leben: Nach RKI-Daten gelinge es dort in Vergleich zu Krankenhäusern weniger gut, Ausbrüche zu reduzieren oder klein zu halten. „Das bereitet uns große Sorgen“, sagte Wieler. „Wir sehen sicher nicht überall, dass die Maßnahmen konsequent umgesetzt werden.“ Dies sei aber der beste Schutz.

Neben Trägern und Behörden sieht Wieler auch die Bevölkerung in der Verantwortung. Mit Blick auf das Einhalten der Maßnahmen sagte er: „Sie schützen sich selber, und Sie schützen aber auch andere, und Sie tun es auch für Oma und Opa.“

„Im Moment sind wirklich viele Menschen über 80 Jahre betroffen“, erklärte Rexroth. Die Tendenz sei in dieser Gruppe steigend, während sie in anderen Altersgruppen stagniere oder zurückgehe. In der Gruppe der Über-80-Jährigen seien bisher die meisten Todesfälle erfasst worden: 11.572 von insgesamt 17.602 bundesweit. Die zunehmende Betroffenheit der Älteren als Folge einer zunächst hohen Virusverbreitung bei jüngeren Altersgruppen war seit langem befürchtet worden.

In Deutschland wurden laut RKI aktuell 22 046 neue Infektionen binnen 24 Stunden gemeldet - etwas weniger als am Donnerstag der Vorwoche mit 22.268. „Die Fallzahlen sind weiter auf einem hohen Niveau. Sie sinken deutschlandweit noch nicht wirklich spürbar“, sagte Rexroth. Mit 479 innerhalb eines Tages gemeldeten Todesfällen gab es jetzt den zweithöchsten Stand seit Pandemiebeginn (Höchststand: 487). Um die Virus-Ausbreitung einzudämmen, hatten Bund und Länder beschlossen, den seit Anfang November geltenden Teil-Lockdown mit Schließungen zahlreicher Einrichtungen bis 10. Januar 2021 zu verlängern.

Der sogenannte Sieben-Tage-R-Wert lag laut RKI-Lagebericht vom Donnerstag bei 0,94 (Vortag: 0,89). Das heißt, dass 100 Infizierte rechnerisch 94 weitere Menschen anstecken. Der Wert bildet jeweils das Infektionsgeschehen vor 8 bis 16 Tagen ab. Liegt der Wert für längere Zeit unter 1, flaut das Infektionsgeschehen ab.

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