Rohe Gewalt beim Geldeintreiben

Zeugen aus Backnang berichten von einem Baseballschläger mit Stachelnägeln und Todesdrohungen, Polizeibeamte von einem Kantholz.

Rohe Gewalt beim Geldeintreiben

Das Verfahren vor dem Stuttgarter Landgericht dauert schon mehrere Prozesstage. Foto: Alexander Becher

Von Heike Rommel

Backnang/Winnenden. Alles andere als nur „Rambazamba“ hat nach Zeugenaussagen der 28-jährige Vielfachstraftäter gemacht, der sich vor dem Stuttgarter Landgericht für Raubtaten und Körperverletzung verantworten muss (wir berichteten). Maskiert mit einem Nagel-Baseballschläger und mit einem Kantholz Geld einzutreiben bedeutete für die Opfer rohe Gewalt.

Vier Maskierte standen nachts plötzlich bewaffnet vor der Tür

Die Bewohner eines Backnanger Aufnahmehauses ahnten nichts Gutes, als es am 30. Oktober 2019 gegen 23.30 Uhr klopfte und vier Maskierte vor der Türe standen. Denjenigen, der einen „Baseballschläger mit Stachelnägeln“ dabei hatte, identifizierten sie später als den Angeklagten aus einem Teilort von Winnenden. „Hier kommt keine Polizei und wenn ich will, kann ich dein Leben jetzt sofort und hier beenden“, soll der Winnender zu einem der Bewohner gesagt haben, der es vorzog, das Haus zu verlassen, als er sah, dass einer der etwa 16 bis 18 Jahre alten Mittäter auch noch ein Messer dabeihatte. „Ein Dicker stand Schmiere“, beobachtete ein weiterer Bewohner, der nachts mit seinem Freund noch draußen saß. Sie beide hätten sich dann lieber zum Juze verdünnisiert, weil sie „keinen Bock auf Stresser“ gehabt hätten.

Wieder aus dem Haus kamen die „Stresser“ Augenzeugenberichten zufolge mit einem Zimmertresor, in welchem sich etwa 200 Euro und ein Handy befunden haben sollen. „Wir haben im Januar einen solchen mobilen Tresor gefunden“, sagte eine Kriminaloberkommissarin dazu. „Das war er aber nicht.“ Zwischen dem Bestohlenen, der in der Tatnacht nicht zu Hause war, und dem Angeklagten habe es im Vorfeld Streitereien nicht nur um Geldschulden gegeben, sondern auch um eine gemeinsame Freundin. Auf die Frage des Vorsitzenden Richters der siebten Strafkammer Rainer Skujat, ob der Beschuldigte unter Alkohol und/oder Drogen gestanden habe, meinte die Polizistin, es handele sich um eine Clique, in der so gut wie alle schon wegen Drogendelikten vorbestraft seien.

„Ich will meinen Rucksack zurück“, sagte ein weiteres Opfer, das wegen eines Angriffs des Angeklagten mit einem Kantholz am 17. November 2020 gegen 11.20 Uhr in der Winnender Brunnenstraße mit einer Risswunde an der Wange ins Krankenhaus musste. Auch der Rucksack ist bis heute nicht mehr aufgetaucht. Als Tatmotiv nannte der Verletzte 150 Euro Schulden beim Angreifer.

Kumpels sind nach einer wilden Nacht im Suff aufeinander losgegangen

„Wo das Holz herkam, weiß man nicht“, teilte ein Winnender Polizeibeamter dem Gericht mit. In unmittelbarer Nähe des Tatorts habe es jedoch damals eine Baustelle gegeben. Der Verletzte habe auch gar nicht so viel darüber sagen wollen, dass er und der Angeklagte „nach einer wilden Nacht im Suff“ aufeinander losgegangen seien. Eigentlich seien sie ja Kumpels und er wolle nicht, dass der Angeschuldigte bestraft wird. Die Sache mit dem Kantholz sei allerdings nicht okay gewesen.

Bei einer Fahndung festgenommen und dann in anderer Sache inhaftiert, erscheint der gegenwärtig in Lohn und Brot stehende Beschuldigte stets pünktlich zu seinen Prozesstagen, zu denen er sich nicht bei der Polizei abmelden muss. Als sehr viel weniger zuverlässig hat er sich erwiesen, bevor es vom Amtsgericht Waiblingen ein Urteil wegen Verstößen gegen die Führungsaufsicht setzte. Im Alter von erst 15 Jahren zum ersten Mal verhaftet, hat der 28-Jährige schon viel Zeit seines Lebens in der Haft verbracht und beim letzten Mal im Gefängnis Most angesetzt, weil es dort keinen Alkohol gibt. Die Hoffnung, nach einem Scheitern ein zweites Mal in eine Entziehungsanstalt eingewiesen zu werden, lässt ihm das Gericht. Es steht noch ein Gutachten eines Psychiaters im Hinblick auf die Erfolgsaussichten des Winnenders an, welcher nach der letzten psychiatrischen Expertise von Heidi Gromann bereits kurz vor der Polytoxikomanie gesehen wurde.

Jeden Tag fünf bis zehn Tabletten Tilidin eingeworfen

Der Angeklagte, der sich vor dem Landgericht für mehrere Straftaten in Backnang und Winnenden verantworten muss, wollte reinen Tisch machen. Am dritten Verhandlungstag hatte er sich bereits offen zu seiner Drogensucht bekannt in der Hoffnung, dass er nach einer gescheiterten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt noch einmal dort hinkommen würde. Joints habe er geraucht wie Zigaretten und jeden Tag fünf bis zehn Tabletten Tilidin eingeworfen.