Rückkehr der Sirenen gefordert

Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden die Warngeräte auf den Gebäudedächern vielerorts abgebaut oder sind nicht mehr funktionstüchtig. Nach der Hochwasserkatastrophe von vergangener Woche könnten sie aber bei der Alarmierung der Bürger zu neuen Ehren kommen.

Rückkehr der Sirenen gefordert

Sirenen – wie hier auf dem Steinbacher Rathaus – sind im Laufe der vergangenen Jahrzehnte rar geworden auf den deutschen Dächern. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Die erschreckenden Bilder von der Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands haben erneut gezeigt, welche urplötzliche Gewalt die Naturkräfte entfesseln können. Schnell wurde der Ruf nach besseren Möglichkeiten zur Alarmierung der Bürger laut. Im Bereich Bevölkerungsschutz scheint sich die allgegenwärtige Digitalisierung offenkundig nicht als vollständig überlegen gegenüber der analogen Technik zu erweisen. So zumindest ist die Forderung des Deutschen Feuerwehrverbands zu verstehen, der sich die gute alte Sirene als Warnsystem zurückwünscht. Allein auf Warn-Apps auf dem Handy sei kein Verlass, so ließ sich nun der Verband vernehmen. Auch im Rems-Murr-Kreis und in Backnang sehen Akteure aus diesem Bereich diese Technik als durchaus sinnvoll an, wie unsere Nachfrage ergab.

„Grundsätzlich machen Sirenen Sinn. Sie sind aber kein Allheilmittel“, erklärt René Wauro, der als Kreisbrandmeister die Stabsstelle Brand- und Katastrophenschutz im Landratsamt in Waiblingen leitet. Denn nur weil eine Sirene heult, wissen die Leute noch längst nicht, was sie tun sollen, so Wauro weiter. Das müsse man erst in die Köpfe der Menschen bekommen. Sirenen alleine können demnach nicht die Lösung sein. Wauro: „Es braucht einen Warnmix, ein vernünftiges Konzept, das auch redundant ist, also auch funktioniert, wenn Teile davon ausfallen.“

Eine Sirene bietet zu wenig Informationsgehalt

Sicher hätten die Sirenen im Fall der Hochwasserfluten in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz die Menschen warnen können, bestätigt der Kreisbrandmeister, der früher bei der Berufsfeuerwehr in Köln tätig war. „Doch was genau hätten die Leute dann tun sollen?“, fragt er rhetorisch. „Soll ich mich Richtung Winnender Straße bewegen? Laufe ich zur Schorndorfer Straße?“ Hierzu bietet eine Sirene als reines Wecksignal keinen Informationsgehalt. Leider haben auch Warnsysteme in Form von Apps auf dem Handy ihre Schwächen, stellt Wauro fest. Er hat hier zum Beispiel nicht so technikaffine, möglicherweise ältere Menschen im Blick, die mit App und Smartphone vielleicht nicht gut zurechtkommen. Schwächen zeige auch die Methode, über eine zentrale Stelle eine Warn-SMS an die Handynutzer zu schicken. „Und was ist, wenn ich schlafe? Dann höre ich die SMS nicht“, so Wauro. Es brauche also eine Vernetzung unterschiedlicher Mittel. Die Forderung des Feuerwehrverbands sei letztlich auch dem Umstand geschuldet, dass in den vergangenen Jahren niemand auf den Bevölkerungsschutz hören wollte, so die Einschätzung des Stabsstellenleiters.

Der Kalte Krieg war vorbei, die Sirenen als Zivilschutz vor militärischen Interventionen, speziell Luftangriffen, erschienen vielen nun obsolet und wurden bundesweit in vielen Orten abgebaut. „Man wollte sich dann nur noch auf solche Mittel wie die Warn-App Nina verlassen. Doch deren Push-Mitteilungen auf dem Handy werden oft gar nicht gelesen“, weiß Wauro. Einige Kommunen verfügen noch über Sirenen. Im Raum Heilbronn etwa besteht ein Sirenennetz, um die Bevölkerung im Falle einer Gefahr durch das Kernkraftwerk in Neckarwestheim warnen zu können. Auch in Backnang findet man noch funktionsfähige Sirenen in Schöntal, Steinbach, Strümpfelbach, Maubach, Heiningen und Waldrems. Diese werden zur Alarmierung der Feuerwehr genutzt und auch noch regelmäßig getestet: immer am ersten Samstag eines Quartals.

Noch existierende Sirenen sind ein Flickenteppich

Der Haken daran: Die Sirenen im Land können derzeit nicht zentral gesteuert werden. Da hantiert im Grunde jede Kommune für sich allein. Mit Blick auf die noch funktionstüchtigen Sirenen im Land spricht Wauro von einem Flickenteppich, der so derzeit nicht vernünftig zur flächendeckenden Alarmierung genutzt werden kann. Im Fall der jüngsten Hochwasserkatastrophe sei vorab sehr wohl gewarnt worden, betont Wauro. Der Bund, dessen Aufgabe der Bevölkerungsschutz ist, habe gewarnt, der Deutsche Wetterdienst ebenso. Folgt man Wauros Ausführungen, fehlt eben ein kohärentes Konzept, wie man die Warnungen an die Bevölkerung heranbringt, sodass entsprechende Reaktionen erfolgen. Man könne nun nicht hastig nachholen, was in 35 Jahren versäumt wurde, so Wauro.

Auch Alexander Krumbach hält den Einsatz von Sirenen für sinnvoll. „Alle anderen Mittel erfordern ein aktives Zutun der Bevölkerung: Sie müssen ein Handy anschaffen, eine App installieren und dergleichen“, führt der Ortsbeauftragte des THW Backnang aus. Die Sirenen funktionieren indessen ohne diese Voraussetzungen, haben aber laut Krumbach den Nachteil, dass der Informationsgehalt ihres Signals eben sehr gering ist.

Wenn sie heulen, wisse man nicht, warum – gab es einen Brand oder einen Unfall, soll man den Fernseher einschalten, um weitere wichtige Informationen zu erhalten? Darum ist sich auch Krumbach sicher: „Eine Kombi aus allen verfügbaren Warnsystemen ist wahrscheinlich das Beste. Sich nur auf die mobilen Geräte zu verlassen, halte ich für schwierig.“

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