Mit Glasfaser sollen Daten schneller fließen. Foto: imago/Christian Ohde
Von Matthias Nothstein
Rems-Murr. Die Aufregung war groß, als das Unternehmen Liberty Networks – besser bekannt unter der Marke Hello Fiber – Anfang Januar quasi über Nacht ankündigte, sein Glasfaserengagement in Deutschland einzustellen. Und zwar ungeachtet der Versprechungen und Vorarbeiten, die auch hier in der Region bereits gemacht worden waren. Nun, mehr als fünf Monate später, ist es in den einzelnen Gemeinden zum Teil immer noch nicht klar, wie es beim Glasfaserausbau weitergehen könnte. Im Raum Backnang besonders betroffen waren die Gemeinden Althütte, Weissach im Tal, Auenwald, Berglen und Rudersberg. Sie hatten sich schon für Hello Fiber entschieden oder waren knapp davor.
Die Verhandlungen laufen gebündelt über die beiden Zweckverbände
In Althütte hatte sich der Gemeinderat schon festgelegt, mit Hello Fiber den Ausbau stemmen zu wollen. Insofern war die Rückzugsankündigung eine böse Überraschung für die Gemeindeverwaltung und die Bürger, die sich wie allerorten nach schnellem Internet sehnen. Bürgermeister Reinhold Sczuka beschreibt, wie es nun weitergehen soll. So hätten sich die Kommunen darauf verständigt, nicht alle einzeln zu verhandeln, sondern das Thema abgestimmt anzugehen. Die Verhandlungen laufen seitdem beim Zweckverband Breitbandausbau Rems-Murr und beim Zweckverband Gigabit Region Stuttgart zusammen. Dort laufen derzeit die Gespräche mit den potenziellen Anbietern. Laut Sczuka gibt es für Althütte noch keine konkreten Ergebnisse. Er erklärt aber ziemlich eindeutig, welcher Anbieter sein Favorit wäre: „Die Telekom wäre nicht uninteressant, weil wir mit ihr schon beim Weiße-Flecken-Programm zusammengearbeitet haben. So würden wir alles aus einer Hand bekommen.“ Trotzdem gäbe es einen wesentlichen Unterschied zum Angebot von Hello Fiber. Während dieser Anbieter mit dem Ausbau einfach losgelegt hätte, will die Telekom erst starten, wenn eine bestimmte Vorvermarktungsquote erreicht ist. Will heißen: Erst müsste eine große Zahl an Anwohnern definitiv erklären, einen Vertrag mit der Telekom abzuschließen, bevor die Bagger rollen würden.
Einfach von der Bildfläche verschwunden
Nach dem Paukenschlag vom Januar hat Sczuka nichts mehr Hello Fiber gehört, „die waren von einem Tag auf den anderen einfach von der Bildfläche verschwunden“, so die Einschätzung des Bürgermeisters. Zumindest im vertraglichen Sinn bereitet ihm das keine Sorgen, denn weder der Gemeinde noch dem einzelnen Bürger sind Verpflichtungen oder finanzielle Schäden entstanden, auch wenn einige Anwohner bereits Verträge unterzeichnet hatten. Sczuka war trotzdem vorsichtig: „Wir haben uns nochmals schriftlich bestätigen lassen, dass es keine Verpflichtungen gibt.“
Die Verärgerung im Ort hat sich inzwischen etwas gelegt. Sczuka bestätigt zwar, dass die Aufregung anfang hoch war: „Viele Menschen waren verunsichert, vor allem die, die schon eine Unterschrift geleistet hatten.“ Nun jedoch warten alle, bis es Neuigkeiten von den Verhandlungen mit den Zweckverbänden gibt.
Michael Murer ist der technische Leiter des Zweckverbands Breitbandausbau Rems-Murr. Auch er ist erleichtert, dass durch den Rückzug von Hello Fiber außer der zeitlichen Verzögerung des Ausbaus keine weiteren Probleme entstanden sind. Zwar waren in Rudersberg schon die Bagger gerollt, „aber die Arbeiten haben sich Gott sei Dank noch in Grenzen gehalten“.
Einige Betreiberunternehmen haben nach dem Rückschlag Interesse bekundet
Murer möchte optimistisch in die Zukunft blicken, kann aber nur von sehr intensiven Gesprächen mit den verschiedensten Anbietern berichten, „es gibt derzeit noch kein greifbares Ergebnis, das man mitteilen könnte“. Erfreulich sei aber, dass das Angebot nach den Berichten über den Hello-Fiber-Rückzug größer geworden ist, „es sind einige Unternehmen von sich aus auf uns zugekommen“. Nicht alle Offerten taugen, Murer und sein Team sind derzeit auch am Aussortieren. Wo jedoch konkretes Interesse spürbar ist, führt er vertiefende Gespräche. Daher ist er zuversichtlich, dass in zwei, drei Kommunen zeitnah Lösungen gefunden werden. Aber was heißt zeitnah? Im optimalen Fall werde in den Kommunen im nächsten Jahr mit der Vorvermarktung begonnen, aber selbst ein Baustart 2024 sei wohl eher unwahrscheinlich. „Ich hätte mir das auch schneller gewünscht“, sagt Murer, „aber es wird keine kurzfristigen Ausbaustarts geben können.“ Als Grund nennt er die hohe Auslastung der Firmen. Die Planungs- und Baukapazitäten sind ausgereizt.
Umso mehr freut sich Murer, dass neben der Telekom auch mehrere andere Anbieter sehr agil am Markt sind. Wisotel zum Beispiel ist bereits unter anderem in Aspach und Leutenbach sehr aktiv, „die pushen die Entwicklung und verleihen dem Ganzen neuen Schwung“, lobt Murer. Auch in Kirchberg an der Murr oder in Burgstetten steht das Unternehmen in den Startlöchern. Noch trägt die Telekom die Hauptlast beim Glasfaserausbau. Zum Vergleich: Im Rems-Murr-Kreis verfügt die Telekom über 43000 Anschlüsse, alle anderen Netzbetreiber zusammen nur ungefähr über 4000. Doch Murer prognostiziert: „Die werden aufholen in den nächsten Jahren.“ Gemeint sind damit neben Wisotel auch die GVG Glasfaser, die aktuell in Plüderhausen und Urbach um Kunden wirbt, oder die Netcom BW, eine Tochter der EnBW, die in Aspach, Spiegelberg oder Welzheim schnelle Datenleitungen betreibt.
Bei aller Euphorie muss Murer seine Möglichkeiten auch relativieren. „Wir können nur mitgestalten und unterstützen. Die Entscheidungen treffen nicht wir.“ Das Ziel ist für ihn aber klar: „Wir wollen, dass spätestens bis 2030 alle Bürger am schnellen Internet angeschlossen sind.“