Rüttelstreifen alles andere als leise

Großerlacher beschweren sich über laute Poltergeräusche, wobei die Rüttelstreifen eigentlich Verkehrslärm mildern sollten

Eigentlich sollten die angebrachten Rüttelstreifen auf der Sulzbacher Steige (B14) für mehr Ruhe sorgen. In erster Linie sollen schwere Verkehrsunfälle verhindert, Motorradfahrer sensibilisiert und Lärm verringert werden. Nach einigen Wochen steht fest: Zumindest in puncto Lärm gibt es rege Kritik. Das Landratsamt Rems-Murr betont: Es ist ein Pilotprojekt.

Rüttelstreifen alles andere als leise

Die Rüttelstreifen sollen in erster Linie schwere Verkehrsunfälle verhindern und Lärmquellen unterdrücken. Dabei geht es dem Rems-Murr-Kreis nicht darum, Verkehrsteilnehmer zu gängeln. Vielmehr geht es um Lösungen, die ganz bewusst auf ihre Wirkung hin evaluiert werden sollen. Foto: J. Fiedler

Von Yvonne Weirauch

GROSSERLACH/WAIBLINGEN. Sie sind zartblau, verursachen beim Überfahren eine spürbare Vibration des Reifens und sind quer zur Fahrbahn angebracht: die sogenannten Rüttelstreifen, die als Markierung als durchgezogene Linie auf dem Mittelstreifen befestigt sind. Angebracht wurden diese Streifen an der Sulzbacher Steige der B14 sowie auf der K1819 bei Spiegelberg-Vorderbüchelberg – beide Strecken sind auffällig in der Unfallstatistik für Motorräder und bekannte Hotspots für illegale Rennen. Laut Landratsamt sollten diese Rüttelstreifen in erster Linie schwere Verkehrsunfälle verhindern und Lärmquellen unterdrücken. Dabei geht es dem Rems-Murr-Kreis nicht darum, Verkehrsteilnehmer zu gängeln, wie die Verantwortlichen bei der Anbringung der Markierungen betonten. Vielmehr gehe es um Lösungen, die ganz bewusst auf ihre Wirkung hin evaluiert werden sollen (wir berichteten).

Motorradfahrer belächeln
die Rüttelstreifen

Womit aber niemand gerechnet hat: Die Rüttelstreifen scheinen ihre Wirkung zu verfehlen, denn viele Großerlacher beschweren sich über „Poltergeräusche rund um die Uhr“. Es heißt, „der laute Verkehrslärm ist kaum auszuhalten“, „schlimmer als je zuvor“. Motorradfahrer würden die Rüttelstreifen eher belächeln, als ernst nehmen: „Sie drehen nach den Streifen genauso auf wie vorher.“ Von einem unüberhörbaren „Klack, klack, klack“ berichtet auch der Großerlacher Siegfried Beck: „Es ist lobenswert, wenn sich der Landkreis Gedanken macht, wie man Verkehrslärm reduziert, aber mit den Rüttelstreifen wird dieser eher verstärkt als gemindert.“ Man habe schon genug „an B-14-Lärm auszuhalten“.

Genau solche Äußerungen sind im Rathaus Großerlach mittlerweile angekommen. Bürgermeister Christoph Jäger: „Relativ kurz nach Anbringung der Rüttelstreifen habe ich einen ersten Erfahrungsbericht an das Landratsamt geschickt. Mein Hauptanliegen war im Schreiben – und hat sich inzwischen aufgrund zahlreicher Reaktionen aus der Bevölkerung bekräftigt – die zusätzliche Lärmbelastung durch das Überfahren der Streifen mit Auto und Lastwagen.“ Damit sei eine zusätzliche Lärmquelle entstanden, welche so sicher nicht beabsichtigt war und „auf Dauer nach meinem Dafürhalten auch nicht vertretbar ist“, so Jäger.

Der Bürgermeister regte zudem an, die Streifen zumindest in Ortsrandlage wieder zu entfernen. Jäger habe schnell Rückmeldung aus dem Landratsamt erhalten: Es handelt sich nach Aussage des Landratsamts um einen Pilotversuch – weil eben bisher entsprechende (offizielle) Erkenntnisse fehlten. Erst nach Auswertung begleitender Erhebungen soll unter Einbeziehung weiterer Erfahrungsberichte bei den zuständigen Stellen darüber beraten werden, wie weiter vorgegangen wird. „Anzuerkennen ist nach meinem Dafürhalten aber, dass mit diesem Pilotversuch nun wenigstens einmal ein Versuch gestartet wurde“, so Jäger, und fügt hinzu: „Übrigens hat sich gezeigt, dass vielfach – irrtümlicherweise – angenommen wird, die Gemeinde Großerlach habe die Streifen angebracht oder veranlasst. Das trifft so nicht zu. Genau genommen haben wir bezüglich der Bundesstraße B14 nicht einmal ein konkretes Mitspracherecht.“ Zuständig für die B14 seien das Landratsamt, GB Straßen und das Regierungspräsidium. Diese irrtümliche Zuordnung habe wohl dazu geführt, dass beim Landratsamt kaum Beschwerden eingegangen sind und die Ansprechpartner im Rathaus Großerlach aufgesucht wurden.

Dass es Beschwerden über den Verkehrslärm aufgrund der Rüttelstreifen gibt, bestreitet Martina Keck, Pressesprecherin des Landratsamts Rems-Murr-Kreis, nicht und unterstreicht nochmals: „Bei den Rüttelstreifen auf der B14 und auf der K1819 handelt es sich um einen Pilotversuch. Ziel ist es, dem seit Jahren bestehenden gefährlichen Missbrauch von Straßen im Kreisgebiet als illegale Motorradrennstrecke wirkungsvoll entgegenzutreten.“ Immer wieder würden bei Unfällen infolge der vorsätzlichen Missachtung von Verkehrsvorschriften nicht nur die Verursacher selbst, sondern auch Unbeteiligte schwer verletzt oder sogar getötet. Neben einer Erhöhung der Verkehrssicherheit könne mit einer vorschriftsgemäßen Fahrweise auch der Lärmpegel erheblich reduziert werden. Dies sei ein erwünschter Nebeneffekt des Pilotversuchs.

Der Pilotversuch werde vom Straßenbauamt mit einem Monitoring begleitet. Keck: „Mit dem Ende der Motorradsaison im Herbst werden die Ergebnisse dieses Monitorings ausgewertet und kommuniziert. Das Straßenbauamt wird dann eine Entscheidung darüber treffen, ob der Versuch eingestellt, fortgesetzt oder in modifizierter Form fortgesetzt wird.“

Kritik der Anwohner
wird ernst genommen

Obwohl Rüttelstreifen in unterschiedlichster Ausbildung bereits seit Jahren im Bundesgebiet eingesetzt werden, gibt es nach Auskunft des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg bislang keine belastbaren Erkenntnisse über die damit verbundene Lärmentwicklung. Die Streifen sollen durch eine mechanische Anregung des Reifens vorrangig Kraftradfahrer davon abhalten, sich im gefährlichen Grenzbereich zu bewegen. Diese Anregung des Reifens führt zwangsläufig zu einer Geräuschentwicklung, da mit dem Reifen auch die umgebende Luft zu Schwingungen angeregt wird. „Dieser Effekt kann nicht verhindert werden und war dem Straßenbauamt auch bewusst. Über die Intensität dieses Effekts konnte jedoch nur der aktuell laufende Pilotversuch wirklich Aufschluss geben“, so die Pressesprecherin. „Die rechtlichen Möglichkeiten als Verwaltung, auf Motorradlärm zu reagieren, sind begrenzt und wir möchten als Verwaltung auch niemand unter Generalverdacht stellen, denn viele Biker sind sehr verantwortungsbewusst unterwegs. Deshalb haben wir das Thema erneut auf die Agenda gesetzt“, sagt Landrat Richard Sigel. Man habe nach neuen Lösungsmöglichkeiten gesucht, um wirkungsvoll zu einem Interessenausgleich beizutragen. „Wir möchten als Landkreis Motorradfahrer dafür sensibilisieren, rücksichtsvoll unterwegs zu sein. Die Rüttelstreifen sind ein Versuch, diesem Ziel näher zu kommen“, betont Sigel.

Man nehme die Kritik der Anwohner ernst: „Ich werde mir selbst vor Ort einen Eindruck verschaffen und wir werden im engen Austausch mit der Gemeinde das Pilotprojekt genau unter die Lupe nehmen. Bei Bedarf werden wir zeitnah nachsteuern, denn unser Ziel ist es als Verwaltung, Probleme zu lösen und nicht zu vergrößern“, so der Landrat.