Rund um die Uhr schnelle Hilfe für Tiere in Not

Das Interview: Tierrettung Rems-Murr seit sechs Monaten aktiv – Vorsitzende Sybille Impagliatelli spricht über Erfolge und Niederlagen des neuen Vereins

Egal, ob Hund, Katze, Maus oder Igel, Schlange, Skorpion – egal, ob entlaufen oder ausgesetzt, ob gesund, verletzt oder krank – der Verein Tierrettung Rems-Murr hilft allen Tieren in jeder Situation, rund um die Uhr, an allen Tagen. Die Arbeit hat der Verein vor einem halben Jahr aufgenommen. Im Interview spricht Vorsitzende Sybille Impagliatelli über Dinge, die geklappt haben, und über weniger schöne Ereignisse.

Rund um die Uhr schnelle Hilfe für Tiere in Not

Im Einsatz für Tiere: erste Vorsitzende Sybille Impagliatelli mit Hundedame Charly, einem zwei- oder dreijährigem Pekinesen-Chihuahua-Mix (links) und zweite Vorsitzende Kerstin Batke mit Spike, einem acht- oder neunjährigen Pekinesen-Rüden aus Rumänien. Foto: A. Becher

Von Florian Muhl

Seit genau sechs Monaten ist der Verein Tierrettung Rems-Murr aktiv. Wie ist das vergangene halbe Jahr verlaufen?

Überraschend war, dass wir wahnsinnig gut angenommen worden sind – von der Bevölkerung und von den Behörden. In der Hauptsaison war‘s besonders schwer, weil wir teilweise nicht mehr wussten, wohin zuerst fahren. Die schönen Einsätze haben eigentlich überwogen, wo wir wirklich helfen konnten, wo wir Tiere wieder in Freiheit entlassen konnten. Oder man hat Tiere groß gezogen, die man dann wieder auswildern konnte oder Haustiere wieder nach Hause gebracht, die entlaufen waren und schon gesucht worden sind. Das hat bei weitem überwogen.

Wie oft konnten Sie schon Hilfe leisten?

Im ersten halben Jahr hatten wir 249 Einsätze, bei denen wir gefahren sind und über 260 Mal konnten wir am Telefon Hilfestellung geben, wo die Leute Probleme hatten, was Tiere anbelangt. Allein in den ersten drei Monaten fuhren wir 162 Einsätze mit weit über 8000 Kilometern.

Wie reagieren Tierhalter, wenn sie ihr vermisstes Tier wieder zurückbringen?

Begeisterung pur. Das sind unsere schönsten Einsätze.

Wie weit entfernt von zu Hause werden entlaufene Tiere aufgegriffen?

Die weiteste Entfernung, das war eine zugelaufene Katze in Großaspach nachts kurz vor 23 Uhr. Da kam der Anruf: die will in unsere Garage einziehen und geht nicht mehr weg. Die war so dick, dass man eigentlich vermutet hat, das ist eine trächtige Kätzin. War’s aber nicht, das war einfach nur ein wohlgenährter Kater, der laut Chip-Nummer und Registrierung beim Netzwerk „Tasso“ aus Heilbronn kam. Wir haben ihn noch in derselben Nacht zurück nach Heilbronn gebracht zum Besitzer. Wie der hier her kam? Keine Ahnung.

Welche Tiere wurden schon von den Rems-Murr-Tierrettern aus der Not befreit?

Weil wir einen trockenen Sommer hatten, waren es hauptsächlich Wildtiere, saisonbedingt sind’s im Sommer nun mal Vögel. Dann kam der Herbst mit Igeln, dieses Jahr ganz extrem viel, und der Rest sind dann halt Haustiere – entlaufen, ausgesetzt, verloren.

Hilfestellung am Telefon – welche Fragen und Probleme kommen da?

Die letzten Wochen war’s oft so: Ich hab’ einen Igel gefunden, ich würde den jetzt gern selbst überwintern, was muss ich machen? Dann begleiten wir natürlich die Leute, teilweise sogar bis jetzt noch. Was auch noch vorkommt, sind jetzt die Vögel. Wir bekommen nicht alles unter; wir sind über jeden froh, der sich als Pflegestelle anbietet, der sagt ok, mach’ ich selber, wenn man mir sagt wie.

Gibt es auch ganz schwierige Fälle?

Ja, beispielsweise gestern am späten Abend, eine weit hinter Urbach gefundene, schwer kranke Katze; die Finderin hat gesagt, sie würde sie selber gleich zum Tierarzt bringen, um Zeit zu sparen, und sie fragte, wohin sie die Katze bringen könnte, da können wir sagen: da und da hin.

Sind Sie auch schon von der Polizei und der Feuerwehr um Hilfe gebeten worden?

Ja, sehr oft, das dürften über 40 Mal gewesen sein, wo wir von Behörden angerufen wurden. Viele Bürger wissen noch nicht, dass es uns gibt; die rufen in ihrer Not die Polizei an, die uns dann informiert. Die Behörden sind natürlich froh, dass es uns gibt. Manche Einsätze fahren wir auch gemeinsam mit der Polizei.

Haben Sie ein Beispiel?

Ein bisschen außergewöhnlich war ein Einsatz mit zwei Fahrzeugen: eine frei laufende Kuh mit zwei Kälbern stand unten am Ebnisee. Die hat dann die Straße überquert, stand dann vor dem Parkplatz, wo immer der Motorradtreff ist und ist dann hoch spaziert an der Straße entlang in Richtung Ebni. Wir haben dann die Kühe in den Acker rein getrieben und haben die Straße etwas abgesperrt, dass die Autofahrer langsamer fahren mussten. Und dann kam auch Gott sei Dank schon der Besitzer.

In welchem Einsatzgebiet sind Sie denn tätig?

Ursprünglich war ein Gebiet geplant von Backnang bis hinten raus Richtung Aalen und auf der anderen Seite hoch bis Schwäbisch Hall. Leider haben wir da nicht genügend Aktive gefunden. Es fällt jetzt der Bereich Ost-Alb komplett raus. Wir werden jetzt nur noch im Rems-Murr-Kreis tätig sein. Wobei, sollten uns Leute von außerhalb anrufen, sagen wir nicht nein, da ist eine Grenze. Wir fahren da trotzdem hin oder versuchen zu helfen.

Wenn Sie kranke oder ausgesetzte Tiere finden, wohin bringen sie die?

Bei den Haustieren arbeiten wir eng mit den zuständigen Tierheimen zusammen. Wenn sie krank oder verletzt sind, kommen die Tiere dann natürlich zuerst in die Klinik oder zum Tierarzt. Und Wildtiere, da haben wir in der Zwischenzeit weit über 100 Pflege- und Päppelstellen im Rems-Murr-Kreis, wo wir die Tiere hinbringen – angefangen vom giftigen Skorpion, hatten wir auch, bis hin zu speziellen Tieren, sei es eine Fledermaus oder Eichhörnchen, Schlangen – also vorwiegend spezialisierte Stellen. Teilweise sind das Privatpersonen, teilweise Stationen vom Nabu. Für Greifvögel beispielsweise ist für uns die nächste Anlaufstelle in Bad Friedrichshall; und da kommen natürlich schon Kilometer zusammen.

Wo haben Sie denn den Skorpion aufgegriffen?

Der kam ganz lustig nach Deutschland. Das war ein Alpen-Skorpion, der steht unter Artenschutz. Der muss sich irgendwie in einen Rucksack eingeschmuggelt haben. Auf jeden Fall saß der eines Morgens bei den Leuten, die aus Österreich vom Urlaub zurückkamen, im Badezimmer in Murrhardt. Für Menschen ist der Alpen-Skorpion zum Glück nicht giftig. Und der kam auch wieder zurück nach Österreich. Wir haben jemand gefunden, der dort hin fuhr und ihn einer Stelle übergeben hat, die den Skorpion dann wieder in die Natur entlassen haben.

Wie viele Mitglieder hat der Verein?

Derzeit, weil einige gegangen sind, haben wir aktuell 36 Mitglieder.

Es hat offensichtlich am Ende vergangenen Jahres Ärger innerhalb der Mitglieder gegeben, worum ging es da?

Einige Mitglieder haben sich das wohl nicht so zeitaufwendig vorgestellt, wie es halt letztendlich ist, wenn man 24 Stunden erreichbar sein muss in einem doch recht großen Gebiet wie dem Rems-Murr-Kreis. Teilweise über Facebook wird jetzt ein persönlicher Krieg ausgetragen auf dem Rücken der Tiere. Blödsinn, in meinen Augen.

Wenn ich Sie richtig verstehe, haben einige Mitglieder den Aufwand, der hinter der Mitarbeit bei der Tierrettung steckt, nicht richtig erkannt!?

Genau, man muss ein richtiges Engagement an den Tag legen, um als aktives Mitglied dabei zu sein; und das waren alles aktive Mitglieder.

Wie macht der Verein au sich aufmerksam?

Wir sind natürlich sehr präsent auf Straßenfesten oder Veranstaltungen im ganzen Rems-Murr-Kreis, wie beispielsweise bei den Hundeschwimmveranstaltungen in den beiden Freibädern in Backnang und in Murrhardt, wo wir informieren, dass wir Hilfe leisten, aber selbst auch Hilfe benötigen, weil wir uns über Mitgliedsbeiträge und Spenden finanzieren. Wir haben seit 16. Juli den Freistellungsbescheid vom Finanzamt Backnang, das heißt, wir dürfen Spendenquittungen ausstellen.

Rund um die Uhr schnelle Hilfe für Tiere in Not

Gerettete und aufgepäppelte Tiere ( von links): zugelaufene Laufente, aus dem Nest gefallener Siebenschläfer (16 Gramm leicht), Igel mit Husten und Wildvogel in der Notfallgruppe. Fotos: Tierrettung

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