In der Debatte über Abschiebungen nach Syrien appelliert Ryyan Alshebl an Friedrich Merz, sich nicht von Islamisten erpressen zu lassen. Und er will seine Eltern nach Deutschland holen.
Ryyan Alshebl vor dem Rathaus in Ostelsheim (Kreis Calw), wo der Deutsch-Syrer seit 2023 Bürgermeister ist.
Von Florian Dürr
Ryyan Alshebl zeigt sich irritiert, wenn er die aktuelle Debatte über Abschiebungen nach Syrien verfolgt. Aus dem ehemaligen Bürgerkriegsland ist der Deutsch-Syrer selbst 2015 mit dem Schlauchboot über das Mittelmeer und weiter nach Deutschland geflohen. Vor zweieinhalb Jahren hat die Gemeinde Ostelsheim im Kreis Calw das Grünen-Mitglied zu ihrem Bürgermeister gewählt.
„Es gibt eine Perspektive“, sagt Alshebl zwar mit Blick auf den Sturz von Machthaber Assad im vergangenen Jahr, doch von „einem allgemein sicheren Syrien kann man nicht sprechen“, sagt der 31-Jährige, dessen Eltern in einer Region südlich von Damaskus leben.
Ryyan Alshebls Eltern gehören zu einer Minderheit in Syrien
Seine eigene Familie sei das beste Beispiel, warum es nicht für alle Syrerinnen und Syrer eine Zukunft in ihrer Heimat gibt. „Für Minderheiten wie Drusen oder Aleviten ist es dort nicht sicher, sie verlieren langsam ihren Platz in Syrien“, sagt Alshebl und richtet sich direkt an Friedrich Merz: „Diese Differenzierung fehlt in der Sprache des Kanzlers.“ Alshebl will seine Eltern jetzt zeitnah ebenfalls nach Deutschland holen.
Dass der Blick auf diese Minderheiten in der öffentlichen Diskussion über Abschiebungen praktisch keine Rolle spielt, enttäuscht ihn. Das müsse aber allein aus deutschem Interesse geschehen, „sonst werden diese Minderheiten nach Deutschland fliehen“, mahnt er.
Das geplante Treffen zwischen Bundeskanzler Friedrich Merz und dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Scharaa von der Islamistenmiliz HTS sieht Alshebl zwar als „realpolitisch geboten“. Doch er befürchtet, dass der Bundeskanzler „Geschäfte mit Islamisten“ allein für möglichst hohe Abschiebezahlen mache – ohne dabei den Schutz gefährdeter Gruppen zu berücksichtigen.
Kritik aus der eigenen Partei an Außenminister Johann Wadephul
Merz will sich gegenüber Al-Scharaa für eine schnelle Wiederaufnahme der Abschiebungen nach Syrien einsetzen. „Der Bürgerkrieg in Syrien ist beendet. Es gibt jetzt keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland und deswegen können wir auch mit Rückführungen beginnen“, sagte der CDU-Chef zuletzt. Er setze auch darauf, dass ein großer Teil der syrischen Geflüchteten freiwillig zurückkehren werde, um beim Wiederaufbau ihres Landes mitzuhelfen.
Zuvor hatte Außenminister Johann Wadephul bei einem Besuch in Syrien angezweifelt, ob angesichts der Zerstörung kurzfristig eine große Zahl an Flüchtlingen die freiwillige Rückkehr wählen würde. Darauf gab es Kritik aus der eigenen Partei.
Ryyan Alshebls Vorschlag: Spurwechsel, sonst Zwangsrückkehr
Ryyan Alshebl wirft der CDU in der Debatte vor, eine „populistische Illusion“ zu erzeugen, wenn der Eindruck erweckt werde, dass jetzt rasch Syrer in großer Zahl das Land verlassen werden. „Die CDU will so viel wie möglich abschieben, um innenpolitisch zu punkten“, vermutet der 31-Jährige. „Aber diese impulsive Politik schadet Deutschland und der CDU.“ Am Ende spiele es der AfD in die Karten, wenn die erzeugten Erwartungen nicht erfüllt werden.
Alshebls Vorschlag: Eine angemessene Frist zur freiwilligen Ausreise für Syrer mit Flüchtlingsstatus – etwa zwei Jahre – kombiniert mit der Perspektive auf ein Bleiberecht in Deutschland, sollten sie in dieser Zeit eine Arbeit aufnehmen. Und der Deutsch-Syrer macht deutlich: „Wer den Spurwechsel nicht vornimmt, muss mit einer Zwangsrückkehr rechnen.“
Syrerinnen und Syrer in Deutschland
AbschiebungIn der Rückkehrdebatte geht es um unterschiedliche Gruppen von Syrern. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums vom August halten sich 920 Personen in Deutschland auf, die ausreisepflichtig und ohne Duldungsstatus sind. Besonders schnell abschieben will die Bundesregierung diejenigen, die straffällig geworden sind. Seit 2012 sind alle Rückführungen wegen der Sicherheitslage im Land ausgesetzt.
RückkehrBei dem größten Teil der 951.406 Menschen aus Syrien in Deutschland geht es zunächst um eine freiwillige Rückkehr. Um diese zu ermöglichen, wolle die Bundesregierung zur Stabilisierung des Landes beitragen, sagte Merz. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Steffen Bilger (CDU), sagte im ARD-„Morgenmagazin“, es sei aus den unterschiedlichsten Ländern bereits etwa eine Million Flüchtlinge nach Syrien zurückgekehrt. Aus Deutschland seien bisher etwa 2.000 Menschen freiwillig nach Syrien ausgereist. (dpa)