Der Meeresspiegel steigt seit geraumer Zeit. Nun zeigt eine Studie, dass dieser Anstieg für mindestens die vergangenen 4000 Jahre beispiellos ist.
So schlimm wie auf diesem Bild wird es wohl nicht werden – dass der Eifelturm vom Meer überflutet wird. Aber Forscher schlagen wegen des steigenden Meeresspiegels für Küstenstädte Alarm.
Von Markus Brauer/dpa
Der weltweite Meeresspiegel ist von 1900 bis 2020 deutlich schneller gestiegen als zu irgendeiner anderen Zeit in den vergangenen 4000 Jahren. Das geht aus einer Untersuchung hervor, welche die Veränderungen des globalen Meeresspiegels während der vergangenen fast 12.000 Jahren betrachtet hat.
Der derzeitige Anstieg des weltweiten Meeresspiegels geht hauptsächlich auf zwei Effekte zurück, wie die Gruppe um Yucheng Lin von der Rutgers University in Piscataway (US-Bundesstaat New Jersey) in der Fachzeitschrift „Nature“ schreibt:
„Die Gletscher reagieren schneller, weil sie kleiner sind als die Eisschilde, die oft die Größe von Kontinenten haben“, erklärt Lin. „In Grönland sehen wir derzeit eine immer stärkere Beschleunigung.“
Anstieg des Meeresspiegels hat sich in zunehmend beschleunigt
Verschiedene Ursachen für Anstieg des Meeresspiegels
Für die Studie untersuchte das Team Tausende Daten aus verschiedenen Quellen, darunter uralte Korallenriffe und Mangroven, die als natürliche Archive vergangener Meeresspiegelhöhen dienen. Diese Daten gingen in eine Modellierungssoftware ein, die Lin selbst entwickelt hat. Damit sei es möglich, verschiedene Ursachen für ein Ansteigen oder Absinken des Meeresspiegels auseinanderzuhalten, heißt es.
So kann das Abtauchen einer Erdplatte unter eine andere zum Anheben der oberen Platte führen. Andererseits liegen viele Küstenstädte in der Nähe von Flussmündungen, wo sich der aus Sedimenten bestehende Untergrund durch die Massen an Gebäuden und Straßen verdichtet, was zu einem Absinken und damit zu einem weiteren Anstieg des Meeresspiegels führt.
Teile von Schanghai um 1 Meter abgesackt
Das zeigen die Forscher etwa an Beispielen der Südostküste Chinas. Demnach sind Teile von Schanghai in 20. Jahrhundert um mehr als einen Meter abgesackt. Nicht nur durch natürliche Setzung des Untergrunds, sondern auch wegen einer hohen Grundwasserentnahme.
Anderen Küstenstädten erging es noch schlimmer: Die frühere indonesische Hauptstadt Jakarta ist so weit abgesunken, dass Teile der Stadt inzwischen unterhalb des Meeresspiegels liege. Dort muss permanent Wasser abgepumpt werden.
Der Meeresspiegel könnte Berechnungen mehrerer US-Behörden zufolge in den kommenden 30 Jahren so stark steigen wie in den vergangenen 100 Jahren.
Grönland-Eisschmelze hebt Meeresspiegel an
Der schmelzende Eisschild Grönlands hat den weltweiten Meeresspiegel seit 1992 bereits um 10,6 Millimeter steigen lassen. Das zeigen Ergebnisse einer umfangreichen Untersuchung, die sich auf 26 verschiedene Satellitenmessreihen stützt.
Wie Andrew Shepherd von der University of Leeds (Großbritannien) und Erik Ivins vom Nasa Jet Propulsion Laboratory in Pasadena (US-Staat Kalifornien) herausgefunden haben, sind von 1992 bis 2018 auf der Insel etwa 3800 Milliarden Tonnen Eis geschmolzen und ins Meer geflossen. Bei Fortsetzung des Trends könnte das schmelzende Grönlandeis bis 2100 etwa 20 Zentimeter zum Anstieg des weltweiten Meeresspiegels beitragen.
400 Millionen Menschen von Überschwemmungen betroffen
„Nach den aktuellen Trends werden durch das Abschmelzen des Eises in Grönland gegen Ende des Jahrhunderts jedes Jahr 100 Millionen Menschen Überschwemmungen erleiden“, erklärt Shepherd.
Insgesamt 400 Millionen Menschen würden betroffen sein, wenn auch der Eisverlust in der Antarktis berücksichtigt werde, so Shepherd weiter. Das Grönlandeis entspricht nur etwa zwölf Prozent des Antarktiseises, das aber langsamer schmilzt. Würde alles Eis von Grönland verschwinden, läge der weltweite Meeresspiegel um 7,4 Meter höher.