Salzkuchen, Eier, Wurst – rund um die Uhr

Das 24-Stunden-Lädle auf dem Göckelhof der Familie Rickert gibt es seit 2017. Dieses Jahr hat sie drei neue Automaten in Murrhardt und Umgebung aufgestellt. Wie andere Landwirte nutzen sie dies als Ergänzung zum Hofladen in puncto Direktvermarktung.

Salzkuchen, Eier, Wurst – rund um die Uhr

Thomas Rickert beim Bestücken des Automaten auf dem Göckelhof. In diesem Fall ist der Weg, um Waren nachzulegen, kurz, aber seine Touren zu den weiteren Automaten nehmen schon ihre Zeit in Anspruch. Fotos: J. Fiedler

Von Christine Schick

MURRHARDT. Thomas Rickert hat einen Einkaufswagen bestückt. Mit Wurst, Dosengerichten, Eiern und weiteren Produkten rollt er über den Hof – nicht zur Kasse, sondern zu seinem 24-Stunden-Lädle, das wieder neu mit Waren bestückt werden will. Dort steht der Ur-Ricko-Mat, den er im Februar 2017 installiert hat. „Ganz am Anfang war ich erst mal der Kunde und habe die ersten Einkäufe getätigt, um alles auszutesten“, erzählt er. Sein Vater Gerhard Rickert erinnert sich: „In dem Jahr war der Milchpreis so schlecht, dass wir einfach noch nach weiteren Möglichkeiten der Direktvermarktung gesucht haben.“ Zwar gibt es einen traditionellen Hofladen auf dem landwirtschaftlichen Anwesen der Familie, aber wer Vollzeit arbeitet, schafft es nicht unbedingt, zu den üblichen Öffnungszeiten dort einzukaufen. Auch war die Idee, neue Kunden mit dem Angebot anzusprechen. Ein bisschen Bedenken gab es, möglicherweise zu viele aus dem Hofladen an den Automaten zu locken, aber diese Befürchtung hat sich als unbegründet erwiesen. „Zu 70 Prozent sind es ganz andere Kunden, beispielsweise solche, die sonntags merken, sie brauchen noch ein paar Eier“, sagt Thomas Rickert. Tendenziell sind es Jüngere, die weniger auf Vorrat kauften und denen man mit so einem Angebot entgegenkommen könne. Ganz davon abgesehen, dass sich auch so manch junger Abend- beziehungsweise Nachtschwärmer, beispielsweise aus dem Milchhäusle des Jugendclubs Fornsbach, gerne mit einem späten Snack versorgt.

Mittlerweile registrieren die Rickerts auch Kunden aus Winnenden, Rudersberg oder Backnang und haben schon eine Anfrage aus dem überschaubaren Haller Stadtteil Tüngental bekommen, ob sie nicht dort einen Ricko-Mat aufstellen wollen. Das wäre allerdings doch etwas weit. Zwar hat Thomas Rickert dieses Jahr wirklich erweitert – es gibt nun drei neue Automaten in der Umgebung und zwar im Oberroter Teilort Hausen (Kreis Schwäbisch Hall), in Oppenweiler und am Murrhardter Bahnhof. Aber er muss die Zeit und die Fahrkosten für die Bestückung, sprich Touren, trotzdem im Blick behalten. Ganz so groß sind die Summen der Einnahmen für die einzelnen Produkte dann doch nicht. Zurzeit fährt er täglich zu seinen drei Standorten. Das Kühlauto dafür steht beim Hofladen. Insofern scheint er auch ein gewisser Pionier zu sein: Nach einer Erfassung des Landwirtschaftsamts befinden sich die meisten Verkaufsautomaten im Rems-Murr-Kreis in der Nähe des Betriebs. Nach der letzten Dokumentation waren es rund 25 Stück (Stand Juni 2019). Die Art variiert je nach landwirtschaftlichem Betrieb. Mal sind es Milch- und Eierautomaten, mal aber auch gemischte Sortimente, die auch Obst, Gemüse, Kartoffeln oder verarbeitete Produkte wie Wurst, Nudeln, Backwaren über Säfte, Wein und Destillate bis hin zu Bauernhofeis bereithalten. Am häufigsten anzutreffen sind Milchautomaten und solche mit gemischten Sortimenten.

Thomas Rickert hat festgestellt, dass die Nachfrage je nach Standort auch unterschiedlich ist. Logischerweise sind am Bahnhof mehr Snacks wie Gebäck, Handvesper und Getränke gefragt, aber auch Salzkuchen und Eier lassen sich die Kunden raus. Generell steht Salzkuchen an der Spitze, es ist das meistverkaufte Produkt aus dem Ricko-Mat. Ziemlich beliebt sind auch die Spareribs, die Rickerts aufwendig zubereiten, damit die Grill- und Backsession der Kunden relativ überschaubar ausfallen kann. Wer sich nicht ans Feuer stellen will, bekommt auch eine Reihe von Fertiggerichten wie Sauerbraten, Gulaschsuppe oder Schweinefilet.

Die Idee der Familie, einen zweiten Automaten am Murrhardter Bahnhof zu platzieren, fand auch die Stadtverwaltung spannend, da es sich um eine noch relativ neue Möglichkeit der Direktvermarktung handelt. „Das wird ja von der Politik zurzeit stark forciert und gerade im ländlichen Raum sind solche Vertriebsstrukturen wichtig“, sagt Bürgermeister Armin Mößner. Der Standort liegt verkehrsgünstig und bietet Bahnpendlern die Möglichkeit, sich zu versorgen, genauso wie Spätheimkehrern und Tagestouristen.

Die Aufstellung der neuen Automaten, die schon länger geplant war, fiel dann in eine Zeit, die auch von der Coronapandemie geprägt war. Rickerts haben das zu Beginn vor allem direkt auf dem Hof gespürt, wo ihr etablierter Ricko-Mat auch schon mal als Ausweichmöglichkeit fungiert hat, wenn es eine Schlange vor dem Hofladen gab. Zwar habe der Verkauf an den Automaten angezogen, die beiden sind sich allerdings einig, dass es die Pandemie nicht gebraucht hätte. Um die Wertschätzung der heimischen Produktion hingegen geht es ihnen schon.

In den vergangenen zwei Jahren sind einige Automaten hinzugekommen.

Generell verzeichnet das Landwirtschaftsamt bei dieser Art der ergänzenden Direktvermarktung eine Tendenz nach oben – in den vergangenen beiden Jahren kamen einige neue Automaten hinzu. Ob sich diese Vertriebsart auch vor dem Hintergrund der Coronakrise als Möglichkeit gezeigt hat, auf die mehr gesetzt wird, können die Mitarbeiter nicht sagen. „Viele Direktvermarkter haben in der Coronazeit einen Lieferservice oder eine Vorbestellmöglichkeit zur Abholung angeboten“, so die Auskunft. Die meisten landwirtschaftlichen Betriebe nutzen den Automaten als Ergänzung zu einem Hofladen, wenn der vorhanden ist. Bei Betreibern von Milchautomaten ist es häufig das einzige Angebot in Sachen Direktvermarktung.

Auch für Rickerts sind die Automaten ein zusätzliches Standbein neben dem Hofladen. Der bleibt aber wichtig und soll auch nicht ersetzt werden. Insofern sind sie froh, dass auch die Ricko-Maten ein paar neue Interessenten in den Laden haben finden lassen. Supermärkte, die mittlerweile ja auch mit regionalen Produkten werben, sind keine Alternative: „Mit den Preisen können wir nicht mithalten.“ Um das eigene Automatenangebot vielseitiger gestalten zu können, kaufen sie wiederum Produkte beispielsweise Getränke hinzu – nach Möglichkeit regional. Noch zu tüfteln ist an einigen technischen Details. Nicht jeder Standort ist vom Netz her so gut versorgt. In Hausen beispielsweise gab es mit dem bargeldlosen Kartenbezahlsystem schon mal Probleme. Ein anderer Punkt ist die Verpackung. Thomas Rickert räumt ein, dass die Tatsache, die meisten Produkte im Automaten in Plastik einpacken zu müssen, der Direktvermarktung widerspricht. Allerdings gelten zum einen bestimmte Hygienestandards, zum anderen sei auch ein perfekt abgemessenes Portionieren der Ware für die Mechanik des Herausschiebens aus den Fächern wichtig. „Ich hoffe, dass es mit der Zeit Verpackungsmaterial gibt, das umweltfreundlicher ist“, sagt er.

Landwirtschaftsamt unterstützt

Regeln: Was die Automaten angeht, so gelten nach Auskunft des Landwirtschaftsamts die gesetzlichen Vorgaben, die auch generell beim Verkauf von Lebensmitteln greifen, sprich sie müssen sauber und instand gehalten werden und leicht zu reinigen sein. Bei den Artikeln bedarf es unter anderem einer Zutatenliste, Kennzeichnung von Allergenen sowie eines Mindesthaltbarkeitsdatums. Bei der Kennzeichnungspflicht könnten im Einzelfall Ausnahmen bestehen, welche mit der Lebensmittelüberwachung abgestimmt werden müssen. Ebenso muss eine ausreichende Kühlung gewährleistet sein. Bei Rohmilch und Eiern gelten über das Hygienerecht hinaus noch weitere nationale Bestimmungen.

Hilfe: Das Landwirtschaftsamt unterstützt und berät die Direktvermarkter, beispielsweise mit der Homepage www.natur-von-hier.de/website/de/natur-von-hier. Dort finden sich auch die Kontaktdaten für Interessierte zwecks Beratung.