Schäuble: Bundestag war jederzeit entscheidungsfähig

dpa Berlin. Wie hat sich der Bundestag in der Corona-Krise bewährt? Gut, lautet die Analyse seines Präsidenten Wolfgang Schäuble. Der CDU-Mann verhehlt aber auch eine große Enttäuschung nicht.

Schäuble: Bundestag war jederzeit entscheidungsfähig

Wolfgang Schäuble (CDU), Bundestagspräsident, nimmt vor der Regierungsbefragung seine Maske ab. Foto: Michael Kappeler/dpa

Der Bundestag hat sich in der Corona-Pandemie nach Einschätzung seine Präsidenten Wolfgang Schäuble als „sehr krisenfest“ erwiesen.

„Das Parlament war zu jedem Zeitpunkt arbeits- und entscheidungsfähig“, sagte der CDU-Politiker in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur anlässlich der letzten regulären Sitzung in dieser Wahlperiode am Freitag. „Ich habe von Anfang an darauf gedrängt, dass der Bundestag auch in Krisenzeiten seine Rolle und seine Verantwortung als das höchste demokratisch legitimierte Organ in unserer Verfassung voll wahrnimmt. In einer solchen Notstandssituation durfte die Demokratie, das Grundgesetz oder das Parlament nicht außer Kraft gesetzt werden.“

Nach wie vor gelte aber, dass die Regelungen im Grundgesetz für eine pandemische Notlage nicht reichten. Inzwischen höre er aus vielen Fraktionen, dass man nach der Krise überlegen sollte, ob man für schwierige Situationen - etwa bei einer Verschärfung der Pandemie - nicht eine Regelung schaffen sollte, die die Arbeitsfähigkeit des Bundestages zu jeder Zeit sicherstelle.

Einen Schaden für die Demokratie durch die Pandemie, die „Querdenker“ und Corona-Leugner hervorgebracht hat, sieht Schäuble nicht. „Unser demokratisches System hat gezeigt, dass es auch mit einer so schwierigen Pandemiesituation, in der niemand alles voraussehen kann, umgehen kann.“ Man habe aber schon vor der Pandemie überall in den westlichen repräsentativen Demokratien bedenkliche Entwicklungen sehen können: teils sinkende Wahlbeteiligungen, die Stärkung der Extreme an beiden Rändern des politischen Spektrums und populistische Strömungen. „Umso wichtiger war es, dass wir als Abgeordnete unsere Aufgabe im repräsentativen System wahrgenommen haben.“

Enttäuscht zeigte sich der wieder für den Bundestag kandidierende 78-Jährige darüber, dass auch in dieser Legislaturperiode keine echte Reform des Wahlrechts zustande gekommen ist. Darüber sei er „sehr unglücklich“, betonte er. „Ich habe mich in dieser Legislaturperiode von der ersten Woche an darum bemüht. Trotz der Investition von viel Mühe und Geduld und noch mehr Zeit und Kraft sind alle Versuche, eine wirksame Reform zu erreichen, gescheitert. Das gehört für mich zu den größten Enttäuschungen dieser Legislaturperiode.“ Das Problem bleibe die „Quadratur des Kreises“. Auch die soeben dafür eingesetzte Kommission werde es nicht lösen können. „Also wird sich der nächste Bundestag dieser Aufgabe wieder stellen müssen.“

Schäuble wertete es als regelkonform, dass der erstmals im Bundestag vertretenen AfD ein angestrebter Vizepräsidentenposten verwehrt blieb. „Alle Präsidiumsmitglieder müssen in geheimer Wahl von der Mehrheit des Parlaments gewählt werden. Und wenn eine Fraktion für ihre Personalvorschläge nicht diese Zustimmung bekommt, dann ist das so“, sagte er. „Ich bin mir ganz sicher, dass dies einer rechtlichen Überprüfung standhält, weil die Mitglieder im Präsidium nicht Vertreter der Fraktionen sind.“

Im Ältestenrat, der über die inneren Angelegenheiten des Bundestags berate, sei die AfD vertreten, betonte der CDU-Politiker. „Im Übrigen: Im Laufe der Legislaturperiode ist das Vertrauen der anderen Abgeordneten gegenüber der AfD nach meiner Beobachtung nicht gewachsen. Woran das liegt, muss sich die AfD selber fragen.“

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