Schlaganfallhelferin Annette Gunser (rechts) unterstützt Jens und Kerstin Fischer. Foto: Christian Siekmann
Rems-Murr. „Aufgeben war für mich nie eine Option“, sagt Kerstin Fischer bestimmt. Vor zwei Jahren veränderte ein einziger Moment das Leben ihrer Familie grundlegend. Während eines Abendessens im Urlaub erleidet ihr Mann Jens einen schweren Schlaganfall. Der Rettungsdienst bringt ihn zunächst ins Krankenhaus, dann folgt der Transport mit dem Rettungshubschrauber nach Dresden. Es beginnt eine Zeit voller Angst, Ungewissheit und Sorgen. Jens wird ins Koma gelegt. Während Jens ums Überleben kämpfte, übernahm Kerstin Fischer die Rolle der Kämpferin nach außen. Neun Monate lang pendelte sie zwischen Klinik, Reha-Zentrum in Sachsen und ihrer Arbeit. Sie organisierte, stellte Anträge, kümmerte sich um alles – immer mit dem Ziel, Jens wieder nach Hause zu holen.
„Man wächst in diese Situation hinein“, sagt sie heute. „Aber ohne Hilfe hätten wir das nicht geschafft.“ Ein besonderer Dank gilt Annette Gunser, ehrenamtliche Schlaganfallhelferin des DRK Rems-Murr. „Annette war an unserer Seite, als wir sie am dringendsten brauchten, und sie hat uns neue Hoffnung geschenkt.“
Neben der konkreten Hilfe spielte für Kerstin auch ihr Glaube eine entscheidende Rolle. Auch ihr enger Freundes- und Verwandtenkreis half mit, wo es nur ging: „Wir wurden getragen – durch Besuche, Gespräche, durch Menschen, die einfach für uns da waren. Dafür bin ich unendlich dankbar.“
Eine betreute Wohngruppe war nie eine Option
Im Wohnzimmer der Familie Fischer sitzen die drei beisammen. An den Wänden erinnern Fotos an unbeschwerte Zeiten – Zeiten, in denen Jens fest im Berufsleben stand. Jens, damals ein kräftiger Mann, sitzt heute im Rollstuhl. Seine Sprache ist eingeschränkt, doch in seinem Blick liegen Wachheit und Lebenswille. Gemeinsam erinnern sie sich an den 9. April 2023. „Es kam ohne jede Vorwarnung.“ Ein Arzt sprach Klartext: „Ihr Mann wird nie wieder ein eigenständiges Leben führen können. Suchen Sie eine betreute Wohngruppe.“ Doch Kerstin wusste: Das war keine Option. „Ich habe gespürt, dass Jens nicht aufgeben will.“ Die Familie mobilisierte alle Kräfte. Der Alltag bestand aus Terminen, Ausfüllen von Anträgen, Gesprächen mit verschiedenen Ämtern und Institutionen – kaum Zeit zum Durchatmen. Trotzdem blieb Kerstin berufstätig, unterstützt von ihren Kindern und Freunden. Am 15. Dezember 2023 wurde Jens nach neun Monaten der Rehabilitation nach Hause entlassen. Der Weg dorthin war mühsam, die Fortschritte waren klein. Und eines ist für ihn heute klar: „Ich bin dankbar, dass ich noch lebe!“ Kerstin nickt. „Man muss kämpfen – immer wieder neu.“
Diese Ausdauer kennt Annette Gunser. Vor zwei Jahren ließ sich Annette Gunser von der Stiftung Schlaganfallhilfe und den Rems-Murr-Kliniken zur ehrenamtlichen Schlaganfallhelferin ausbilden. Die gelernte Krankenschwester leitete zuvor 30 Jahre lang das Sanitätshaus Gunser in Waiblingen als Filialleiterin und Geschäftsführerin – ideale Voraussetzungen für ihr heutiges Ehrenamt. „Ich wollte in meiner Freizeit etwas Nützliches und Sinnvolles tun“, sagt sie. Über ihre Arbeit im Sanitätshaus entstand auch der Kontakt zu Familie Fischer. Seit Februar 2024 begleitet sie Kerstin und Jens Fischer als ehrenamtliche Helferin des DRK-Kreisverbands Rems-Murr – bis heute, in allen Lebenslagen.
Annette Gunser unterstützt mit ihrem Fachwissen die Familie. Sie sei weit mehr als eine Helferin: „Annette ist unsere Ratgeberin, unsere Mutmacherin – und mittlerweile auch eine gute Freundin. Sie bringt Empathie und Erfahrung mit.“ Sie verschafft Kerstin Fischer wichtige Verschnaufpausen, besucht Jens und geht mit ihm spazieren. Auch in ganz praktischen Fragen ist sie eine wichtige Stütze – etwa als es darum ging, Jens außer Haus zu bringen. Annette Gunser sagt: „Für mich ist das eine sehr erfüllende Aufgabe – aber auch eine Herausforderung. Es braucht Mut, auf Menschen zuzugehen, sie dort abzuholen, wo sie stehen – und ein Stück auf diesem oft schweren Weg mitzugehen.“ pm
Helfer Ehrenamtliche Schlaganfallhelfer wie Annette Gunser bringen medizinisches Basiswissen, praktische Alltagserfahrung und psychosoziale Unterstützung mit, um Betroffenen und ihren Angehörigen Orientierung und Entlastung zu bieten“, erklärt Karin Gericke vom DRK-Kreisverband Rems-Murr. Sie helfen beim Abbau bürokratischer Hürden, beraten zu Pflegeleistungen und Hilfsmitteln und schaffen durch ihre Erfahrung Raum für neue Perspektiven.
Kontakt Freiwillige Helfer können sich an Karin Gericke vom DRK wenden, Telefon 07191/953691 oder per E-Mail an karin.gericke@drk-rems-murr.de. Interessierte können sich über die Schulungen informieren. Ebenso können sich Familien melden, die diese Hilfe benötigen. Mehr Infos unter www.drk-rems-murr.de/schlaganfall-helfer.