Scholz will mit Versprechen von mehr Respekt Kanzler werden

Von Von Basil Wegener, dpa

dpa Berlin. Kommt die SPD aus dem Umfragetief? Eine großangelegte Debattenveranstaltung soll helfen. Dabei präsentiert sich der Kanzlerkandidat als Mann mit einem Plan.

Scholz will mit Versprechen von mehr Respekt Kanzler werden

Olaf Scholz (SPD), Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister, spricht beim ersten digitalen Debattencamp der SPD. Foto: Jörg Carstensen/dpa

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz will seine Partei mit umfangreichen Versprechen für Arbeitnehmer und Klimaschutz im Bundestagswahlkampf aus dem Umfragekeller holen. „Ich bin davon überzeugt, dass wir eine gute Chance haben im nächsten Jahr“, sagte Scholz am Samstag auf dem SPD-Debattencamp in Berlin.

„Um den Respekt in dieser Gesellschaft zu kämpfen, das ist die wichtigste Aufgabe, für die wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten in nächster Zeit streiten sollten“, sagte Scholz. Die online übertragene Diskussionsveranstaltung in der Berliner Parteizentrale war als zentrale Etappe zum Wahlprogramm angelegt, das die SPD am 9. Mai auf einem Präsenzparteitag beschließen will.

„Ich bin bei dem, was ich mache, immer auch das: ein Anwalt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“, sagte der Finanzminister. „Ich möchte, dass diese fleißigen Männer und Frauen sich darauf verlassen können, dass ihr Anliegen, und das, was sie im Leben bewegt, an der vordersten Spitze der Regierung an oberster Stelle steht, und ich verspreche: So wird es sein.“ In Umfragen liegt die SPD derzeit zwischen 15 und 17 Prozent.

Die durchlässige Gesellschaft in Deutschland bleibe eine wichtige Aufgabe, sagte Scholz. Er nannte beispielhaft Beschäftigte in Warenlagern, Fahrer von Trucks, Pflegerinnen und Pfleger sowie Handwerker und betonte, diese Menschen bräuchten Respekt. „All das ist in unserer Gesellschaft ein bisschen durcheinander gekommen, und ich finde, es muss wieder zueinander kommen, es muss Zusammenhalt geben.“ Jeder müsse für seine Leistung die gleiche Wertschätzung erfahren.

Scholz bekräftigte seine Forderung nach 12 Euro Mindestlohn, versprach eine Begrenzung des Anstiegs der Pflegekosten und mehr Geld für Pflegende sowie starkes Eintreten gegen Diskriminierung. Es deutete sich an, dass die SPD gegenüber der Union bei den Wählerinnen punkten will. Zumindest will Scholz seinen Worten zufolge „den Kampf um Gleichstellung von Männern und Frauen zur zentralen Angelegenheit unserer Gesellschaft machen“. Die Frauenquote in Vorständen großer Unternehmen sei nur nach langem Streit mit einer widerwilligen CDU/CSU zustande gekommen.

Am fünften Jahrestag der Einigung auf das UN-Klimaabkommen in Paris versprach Scholz, mit ihm als Kanzler werde Deutschland die Herausforderung annehmen, bis 2050 klimaneutral zu sein. „Wir müssen das als eine Sache begreifen, die wir voranbringen.“ 30 Jahre seien „keine lange Zeit“ für diese Herausforderung. Aber: „Wir können das hinkriegen.“ Dabei sei sogar größerer Wohlstand möglich. Scholz setzt dabei auch auf die „technologische Kraft Deutschlands“ - etwa für die Elektrifizierung der Mobilität oder bei der Wasserstoffwirtschaft.

Scholz nannte zwei weitere Bereiche für einen „Plan“ der Sozialdemokraten im Wahlkampf. So sei es zentral, „dass der digitale Fortschritt nicht eine Sache ist, die aus Kalifornien kommt oder aus China oder aus Russland oder wo auch immer in der Welt“. Und angesichts eines Wachstums der Weltbevölkerung auf zehn Milliarden Menschen und mehrerer aufstrebender Nationen bis 2050 könnten Demokratie, Rechtsstaat und soziale Marktwirtschaft nur in einem gemeinsamen Europa stark gehalten werden.

Bei der Onlineveranstaltung bemühte sich die SPD um ein inhaltliches progressives und optisch junges und frisches Auftreten - Yoga und DJ-Musik inklusive. In mehreren Foren konnte jeder, der wollte, zuhören oder Fragen stellen. „Wir sind eine offene Partei“, sagte Generalsekretär Lars Klingbeil. Die Ansprache erfolgte per Du.

Dabei hatte die SPD auch kritische Diskutanten eingeladen. Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer sagte in einer Runde mit Parteichef Norbert Walter-Borjans: „In Deutschland ist nicht klar, wen man wählen soll, wenn man sozialen Klimaschutz möchte.“ Der Bundesregierung stellte sie kein gutes Zeugnis in der Corona-Krise aus. So seien an die Lufthansa 9 Milliarden Euro geflossen - und diese baue 29 000 Jobs ab. Das Prekariat in Deutschland werde tiefer und schmerzhafter. „Wir haben auch dieses Jahr gesehen, wie heftig die Klimakrise einschlägt“, sagte sie mit Verweis auf verheerende Brände in Teilen der Welt. „Unser Wohlstand ist unbezahlbar, und es ist unverantwortlich, wie er gerade funktioniert.“

Auch Walter-Borjans setzte sich kritisch mit dem Wohlstand auseinander, aber weniger grundsätzlich. Dieser sei im Land „sehr ungleich verteilt“, kritisierte der SPD-Chef. Nötig sei mehr Geld für Bildung, soziale Absicherung und Entwicklungszusammenarbeit.

Bundesaußenminister Heiko Maas wandte sich an Nato-Kritiker in den eigenen Reihen. „In der SPD gibt's viele, die finden Nato doof“, sagte er. Trotzdem gelte: „Die Europäer in der Nato werden mehr Verantwortung in der Zukunft übernehmen müssen, regional, in der unmittelbaren, aber auch der mittelbaren Nachbarschaft, das ist auch die Erwartung, die die Amerikaner haben.“

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