Schornsteinfeger und das Glück

Schwarze und rußbedeckte Kleidung, Zylinder und Besen – so ist der Schornsteinfeger gerade um den Jahreswechsel als Symbol für Glück überall zu finden. Doch warum wird der Schornsteinfeger eigentlich mit Glück verbunden?

Schornsteinfeger und das Glück

Wenn Schornsteinfeger Benjamin Wich in seiner Arbeitskleidung unterwegs ist, wird er immer wieder angesprochen. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

Weissach im Tal. „Dürfen wir ein Bild machen?“ und „Können wir Sie mal anfassen?“ sind Fragen, die für gewöhnlich vor allem Promis gestellt werden. Doch wenn Benjamin Wich auf der Straße unterwegs ist, bekommt er sie auch immer wieder zu hören. Zumindest wenn er in seiner Arbeitsmontur zu sehen ist. Komplett in Schwarz gekleidet, mit der doppelten Knopfleiste, dem typischen Besen und einem Zylinder auf dem Kopf ist er schließlich schnell als Schornsteinfeger zu erkennen. „Oft fragen die Leute zum Beispiel auch, ob sie an einem Knopf drehen können“, erzählt der Weissacher. Denn Schornsteinfeger, so heißt es zumindest, bringen bekanntlich Glück.

Seit über 16 Jahren übt Wich den Beruf nun schon aus. Zuerst war er vor allem im Ostalbkreis unterwegs, nun ist sein Kehrbezirk im Landkreis Ludwigsburg. Aber auch nach all den Jahren im Beruf freut er sich noch immer, wenn er Leuten Glück bringen kann. „Das hat in den vergangenen Jahren leider etwas nachgelassen“, sagt Wich. Ein Problem damit, wenn fremde Menschen ihn fotografieren oder sogar anfassen wollen, hat er nicht. Im Gegenteil, er freut sich, wenn er jemand damit eine Freude machen kann. „Das ist eine einfache immaterielle Sache, die mich nichts kostet außer einem Lächeln“, sagt der 37-Jährige.

Und auch für ihn habe es durch die Sache mit dem Glück schon einige schöne Erlebnisse gegeben. Einmal hat er es zum Beispiel mit auf ein Hochzeitsfoto geschafft. „Da hatte ich auf einem Rathaus zu tun und die Verwandten des Paares haben mich entdeckt und dazugerufen, damit ich dem Paar Glück bringe“, erinnert er sich. Auch komme es immer mal wieder vor, dass er zufällig an einem Geburtstag zu Kunden nach Hause kommt. „Da wurde ich auch mal dazu eingeladen, mich mit an den Kaffeetisch zu setzen und mit Kuchen zu essen.“

Warum wird der Schornsteinfeger mit Glück verbunden?

Zunächst einmal brachte der Schornsteinfeger früher Sicherheit und Glück schon allein dadurch ins Haus, da er mit seiner Arbeit Brände verhinderte. Das regelmäßige Kehren und Reinigen des Schornsteins beugte gefährlichem Rußbrand vor. Bereits im Mittelalter war es vorgeschrieben, dass die Bürger ihre Schornsteine deshalb mindestens zweimal im Jahr reinigen lassen mussten. Der Schornsteinfeger schützte also mit seiner Arbeit die Bürger vor Verlusten und einer möglichen Bestrafung. Ein weiterer Aspekt ist die typische Arbeitsmontur: Durch die schwarze Kleidung und das häufig vom Ruß verschmutze Gesicht wirkte der Schornsteinfeger als dunkle Gestalt mit magischen Kräften. Die Bürger munkelten, dass er Kräfte besaß, mit denen er Geister und Dämonen vertreiben konnte.

Heutzutage allerdings beinhaltet der Beruf des Schornsteinfegers weit mehr als das Kehren und Reinigen des Schornsteins. Der Beruf ist deutlich technischer geworden. Der Besen als Hauptwerkzeug wurde gegen Messgeräte ausgetauscht. Etwa seit Anfang der 70er-Jahre rückte die Emissionsschutzmessung vermehrt in den Blick. Auf einmal bekamen die Handwerker die unterschiedlichsten Messgeräte in die Hand und sollten immer moderner werdende Heizanlagen kontrollieren. Im Laufe der Jahre hat sich dieser Aspekt des Berufs immer mehr ausgeweitet. Gerade mit strengeren Anforderungen und immer wieder neuen Heizanlagen müssen sich Schornsteinfeger aber auch regelmäßig weiterbilden. „Zweimal im Jahr nehme ich an Lehrgängen der Schornsteinfeger-Innung teil, aber auch privat muss man sich weiter fortbilden“, erzählt Wich. Zum Teil müsse er auch Heizungsanlagen kontrollieren, mit denen er vorher noch nicht viel zu tun hatte. „Da muss man sich dann viel einlesen, damit man weiß, womit man es zu tun hat.“

Die technische Ausrüstung und regelmäßige Fortbildungen allein reichen laut Wich aber nicht, um ein wirklich guter Schornsteinfeger zu sein. „Fachlich kann man super sein, aber man muss einfach auch mit Menschen gut klarkommen“, sagt Wich. So müsse er bei seiner Arbeit auch immer wieder in die privaten Bereiche seiner Kunden vordringen. Mal geht es auf den vollgestellten Dachboden, in den Keller oder durch das Schlaf- und Wohnzimmer. „Das kann ein ganz schönes Minenfeld sein. Manche sind da sehr empfindlich, die Leute müssen deshalb Vertrauen in ihren Handwerker haben können“, sagt er.

Zu Beginn war die Pandemie eine ganz spezielle Herausforderung

Gerade am Anfang der Pandemie hat die Angst vor der Ansteckung auch seine Arbeit erschwert. „Niemand hat gewusst, wie ansteckend das ist.“ Manche Kunden wollten ihren Termin ausfallen lassen oder verschieben. Immer wieder sei die Anfrage gekommen, ob das wirklich sein muss. Aber hier konnte er mit dem erarbeiteten Vertrauen punkten. „Viele Kunden betreue ich seit Jahren, da kenne ich die Häuser. Wer vorsichtig sein wollte, hat mir die Tür aufgelassen und ich habe mich um alles gekümmert, ohne dass wir uns überhaupt begegnet sind.“

Trotz neuer Herausforderungen und modernsten Messgeräten ist der typische Besen aber auch heute noch mit bei seinen Einsätzen dabei. „Das Reinigen gehört immer noch dazu“, sagt Wich. Und für ihn ist das auch noch immer einer der schönsten Aspekte seines Berufs. „Es gib doch nichts Schöneres, als abends völlig verdreckt nach Hause zu kommen und zu wissen, was man geleistet hat.“

Schornsteinfeger an Neujahr

Neujahrsfigur Gerade zum Jahreswechsel taucht der Schornsteinfeger als Figur überall auf: als Dekoration aus Marzipan geformt auf Kuchen, als Symbol in den Medien oder aus Pappe in den Schaufenstern. Auch Wich erzählt: „In den ersten Tagen des neuen Jahres wird man noch häufiger nach der Sache mit dem Glück gefragt.“

Jahresrechnung Dass er besonders um Neujahr als Glückssymbol gilt, geht darauf zurück, dass früher der Schornsteinfeger traditionell an Neujahr herum vorbeikam und seine Jahresrechnung vorlegte – und bei der Gelegenheit natürlich gleich eine der ersten Personen war, die einem im neuen Jahr begegneten.