Schreibtisch zu vermieten

Co-Working ist in Waiblingen noch im Aufbau – Oft kommen Selbstständige, diese trifft Corona jedoch hart

Corona verändert unsere Arbeitswelt: Wer nicht in Kurzarbeit ist oder wegen der Krise sogar seine Stelle verloren hat, schafft zurzeit oftmals im Homeoffice, führt Videokonferenzen mit den Kollegen, verbringt die Mittagspause in der eigenen Küche statt in der Kantine. Felix Mergenthaler bietet in Waiblingen Co-Working, also Plätze im Großraumbüro.

Schreibtisch zu vermieten

Felix Mergenthaler in dem Büro in der Maybachstraße, in dem er seit Februar einzelne Tische anbietet. Sein Geld verdient er aber anderweitig. Foto: A. Palmizi

Von Daniel Hertwig

WAIBLINGEN. Für manche ist das Homeoffice eine völlig neue Arbeitserfahrung, andere legen schon seit Jahren regelmäßig Homeoffice-Tage ein – und dann gibt es die, die schon immer am Küchentisch, auf dem Sofa oder in einem Café gearbeitet haben. Meist sind das Selbstständige, freie Journalisten, Berater, gerne auch Softwareentwickler. Doch auch diese Profis im Von-überall-aus-Arbeiten brauchen manchmal etwas geordnetere Verhältnisse, einen vernünftigen Tisch, schnelleres Internet – oder einfach Austausch mit anderen. Dann kann sich ein Arbeitsplatz auf Zeit anbieten – flexibler als ein gemietetes Büro, professioneller als das Wohnzimmer. Orte für Co-Working (in etwa: nebeneinander arbeiten) haben sich vor allem in Großstädten fest etabliert. Oft sind es chic eingerichtete Großraumbüros, in denen man einen Tisch beziehen kann, für ein paar Stunden, einen Tag, eine Woche. Kümmern muss man sich dort, anders als bei einem auf Dauer gemieteten Objekt, um nichts.

In Kleinstädten sind Co-Working-Büros eher selten. So auch in Waiblingen, wie Felix Mergenthaler feststellen musste, als er nach einigen Jahren in Stuttgart hierhergezogen ist. Der junge Fitness- und Softwareunternehmer wollte aber nicht für berufliche Termine ständig in die Großstadt reinfahren, wie er sagt. Als er zufällig ein Inserat für Büroräume in der Maybachstraße entdeckte, schlug der 26-Jährige zu: Seit Oktober vergangenen Jahres mietet er die drei Räume plus Dachterrasse, im Januar wurde umgebaut, seit Mitte Februar hat Mergenthaler dort selbst einige Mieter. Zwei der drei Büros hat er längerfristig vermietet, unter anderem an eine Marketingagentur. Im dritten Raum ist der Co-Working-Bereich. Es gibt dort sechs Arbeitsplätze, die man tage- und wochenweise buchen kann. Drei weitere sollen dazukommen, so Mergenthaler, auch wenn die Anfragen seit dem Coronaausbruch zurückgegangen seien.

Mit Mitte 20 schon Geschäftsführer zweier Firmen

Neben den Einzeltischen gibt es einen großen Konferenztisch mit acht Stühlen, außerdem natürlich WLAN, Kaffee, Toiletten. Der Unterschied zu anderen CoWorkings: Mergenthaler will mit dem Angebot keinen Gewinn machen, sagt er. 9,50 bis 10 Euro am Tag verlange er für einen Arbeitsplatz, damit wolle und könne er nur die Kosten abdecken. Mehr sei auch gar nicht sein Ziel. Denn: „Ich habe meine Apps.“ Mergenthaler ist Geschäftsführer zweier Firmen und auf Smartphone-Anwendungen spezialisiert, mit denen man sich ein Ernährungs- und Fitnessprogramm maßschneidern lassen kann. Während eine App, die sich eher an Fitnessstudios richtet, in den Startlöchern steht, kann „Greenline Nutrition“ schon länger genutzt werden. Entwickelt hat sie Felix Mergenthalers Bruder Moritz, er selbst hat unter anderem das Fitnesswissen beigesteuert. Der in Winnenden Aufgewachsene hatte nach dem Abbruch der Realschule und einer ebenfalls geschmissenen Industriemechanikerlehre den Sport für sich als Berufsfeld entdeckt. Er arbeitete in einem Fitnessstudio als lizenzierter Trainer, beschäftigte sich mit Ernährung, beriet Kunden.

Am Anfang berechnete er die Nährwertempfehlungen aber noch in einer Excel-Datei, erstellte die Konzepte von Hand. Das sei sehr umständlich gewesen. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder programmierte also die App. Das Geschäft scheint zu laufen, und so kann sich Mergenthaler den Luxus erlauben, das Co-Working-Büro in der Maybachstraße mehr oder weniger als Hobby aufzuziehen. Oder als Unterstützung für andere Jungunternehmer. „Ich hätte mich früher gefreut, so etwas zu haben“, sagt er. Die Preise für einen Arbeitstisch wolle er auch dann niedrig halten, falls die Nachfrage weiter steigt. Praktisch: Seine eigenen Firmen finanzieren die Betriebskosten des geteilten Büros. Er selbst hat dort einen Schreibtisch, an dem er aber gerade bei schönem Wetter selten zu finden sei, wie er sagt – dann ziehe es ihn mit seinem Laptop nach draußen.

Auch wenn Waiblingen nicht Stuttgart ist: Mergenthalers Co-Working-Angebot ist nicht das Einzige. Da findet sich etwa noch die Marketing-Agentur 4Everglen in der Mittleren Sackgasse. Sie bietet freie Tische an, von denen derzeit aber nur einer belegt ist, erklärt Chef Michael Gnamm. Ein Dauernutzer habe bereits mitgeteilt, dass er aufgrund der Coronasituation Aufträge verloren hat und künftig nicht mehr kommen wird. Seit Mitte Februar hat Gnamm auch keine neuen Anfragen erhalten – während es vor der Coronakrise alle paar Wochen Anrufe oder E-Mails von Interessenten gegeben habe. Oft hätten sie aber etwas Längerfristiges gesucht.

Angefangen mit dem Co-Working hat Gnamm im September 2018. Er wollte damit das Büro, das für das eigene Unternehmen damals viel zu groß war, besser auslasten und gleichzeitig den Austausch mit anderen jungen Firmen aus Waiblingen fördern. Mittlerweile ist 4Everglen zwar gewachsen, ist auch in Berlin-Kreuzberg vertreten und hat inklusive Gnamm zehn Mitarbeiter. In Zukunft, „nach Corona“, so Gnamm, wolle er das Büro trotzdem „noch mehr als Tool für Meetings, Workshops und Co-Working nutzen“. Denn: „Auch unsere Mitarbeiter haben in den letzten Wochen das mobile Arbeiten für sich entdeckt und werden nach den nächsten Lockerungen auch seltener in Waiblingen sein.“ Insgesamt glaubt Gnamm aber nicht, dass sich die Co-Working-Szene in Waiblingen oder generell in der Region so entwickeln kann wie etwa in Berlin, New York oder London. „Von der Kultur und dem Mindset sind wir in Süddeutschland da ganz anders aufgestellt“, sagt er.

Die Stadt beobachtet das Thema, sagt der Wirtschaftsförderer

Doch Co-Working kommt langsam „auch in die Fläche und in kleine Städte“, ist Marc Funk überzeugt. Der Geschäftsführer der städtischen Wirtschaft, Tourismus und Marketing GmbH (WTM) sagt, es gebe unabhängig von Krisenzeiten einen Trend zum Homeoffice. „Aber zu Hause zu arbeiten hat für manche auch Grenzen, für solche Leute kann Co-Working sinnvoll sein“, meint Funk. Er selbst habe vor zehn Jahren mal eineinhalb Jahre lang zu Hause gearbeitet, mit drei kleinen Kindern. „Wenn es damals Co-Working gegeben hätte, wäre das für mich eine Idee gewesen.“ Auch als Wirtschaftsförderer der Stadt habe er das Thema im Auge.

Ein Projekt, das Co-Working-Plätze beinhalten soll, habe bislang nicht realisiert werden können, doch die WTM sei dazu im Gespräch mit Unternehmen. Wegen Corona hätten in den vergangenen Wochen keine Gespräche in der Sache stattfinden können, die Pläne würden aber weiter verfolgt. Funk sieht im Co-Working indes nicht nur ein Angebot für Jüngere wie Mergenthaler. Wer sich in solchen Büros tummle, hänge auch vom Umfeld ab, ob es etwa Hochschulen in der Nähe gibt. Für Waiblingen kann sich der Wirtschaftsförderer vorstellen, dass es wegen der verschiedenen Branchen eine breitere Mischung geben könnte. „Aber klar, die Digital Natives werden sich eher angesprochen fühlen als der klassische Ingenieur.“