Schrubben und Polieren fürs Gotteshaus

Im Rahmen der Generalsanierung der Backnanger Stiftskirche renovieren Ehrenamtliche der Stiftsbauhütte derzeit in Sonderschichten die Kirchenbänke. Zur Abschlussbehandlung gibt es einen Leinölfirnis nach alter, handgeschriebener Rezeptur.

Schrubben und Polieren fürs Gotteshaus

Backnanger Banklager bei den ehemaligen Lederwerken Backnang (Leba) in der Fabrikstraße. Fotos: A. Becher

Von Renate Schweizer

BACKNANG. Die altehrwürdige Stiftskirche in Backnang wird derzeit generalsaniert. Während hinter den (verschlossenen) Toren des Gotteshauses Handwerker, Künstler, Architekt und Experten aller Art zu Gange sind, schrubben, feilen und polieren die Ehrenamtlichen der Stiftsbauhütte die Kirchenbänke.

Die Stimmung ist gut in der Stiftsbauhütte – im Banklager, unten bei den ehemaligen Lederwerken Backnang (Leba) in der Fabrikstraße, werden mit Hingabe Bänke geschrubbt. Es pressiert, denn nach dem Schrubben kommt der Leinölfirnis und den kann man nicht auftragen, wenn es zu kalt ist. Kurt Wörner, Meister, Motor und Mädchen für alles in der Stiftsbauhütte, ist zuversichtlich, dass es klappt: Sie haben Sonderschichten eingelegt in den letzten Wochen und sich zweimal pro Woche zum Schaffen getroffen – inzwischen sind sie fast fertig.

Die Männer und Frauen (zugegeben: mehr Männer) der Stiftsbauhütte sind zuständig für die Kirchenbänke der Stiftskirche und es ist ein Abenteuer: Nach einigem Hin und Her mit dem Denkmalschutz – der natürlich die ganze Stiftskirchensanierung mit Argusaugen überwacht – durfte die obere der beiden Emporen entfernt werden (wir berichteten). Das lässt viel mehr Licht in den Kirchenraum, aber die Bedingung war, dass die „erst“ 60 Jahre alten Kirchenbänke mit Sorgfalt heruntergehievt und eingelagert werden. Fast sechs Meter lang ist so ein Teil und ordentlich schwer und sie mussten an Schnüren und mit purer Muskelkraft über zwei Stockwerke hinabgelassen werden – sechs Mann pro Bank hingen da in den Seilen und mussten zentimetergenau arbeiten, damit nichts ins Rutschen kommt. Es hat geklappt, weder Mensch noch Bank kamen zu Schaden, alle sind dankbar.

Die Bänke aus dem Kirchenschiff unten werden auch in der neuen, alten Stiftskirche gebraucht und sind inzwischen ins erwähnte Banklager gewandert – ein halb offener Schuppen, in dem alles fast so schnell wieder dreckig wird, wie man es putzen kann. Aber auch das wird gut werden. „Kurt Noller hat uns erlaubt, dass wir die Bänke bis Januar in sein ausgeräumtes Möbellager stellen dürfen“, freut sich Wörner. „Und Wolfgang Kaess, der Besitzer, hat zugesagt, dass sie dort stehen bleiben dürfen, bis die Stiftskirche fertig ist.“

Um herauszufinden, wie man die Bänke am besten behandelt, gab es einen Putzworkshop.

Stolz zeigt Kurt Wörner auf die handgeschriebene Rezeptur für den Leinölfirnis zur Abschlussbehandlung des Holzes. „Wilhelm Reinhardt hat sogar einen Mann gefunden, Herrn Hocke, der 1958 bei der Firma Sorg an diesen Bänken mitgebaut hat. Weit über 90 war der schon, als wir mit der Stiftsbauhütte angefangen haben, aber er hat uns das Rezept noch aufgeschrieben und erzählt, wie sie die Bänke damals mit Handkarren einzeln vom Firmengelände in die Kirche gezogen haben.“

Ingo Mörtel, Robert Pfeiffer und Günther Schenk sind heute da und haben eine Bank vor den Schuppen geschleppt. Mit feinster Marseiller Seife und Wurzelbürsten seifen sie das lange Teil akribisch ein – sie sind gut drauf, witzeln und schrubben. „Wir haben einen Putzworkshop mit Rolf Stelzle organisiert, um herauszufinden, wie man die Bänke am besten behandelt – sogar den Putzweltmeister der Firma Kärcher hatten wir da“, erzählt Wörner. Und am Ende stellte sich heraus: Am besten klappt es von Hand, mit Wurzelbürste und Seife.

„Sie müssen mal über den Handlauf an der Rückenlehne streicheln – die sind jetzt abgeschliffen und glatt wie ein Kinderpopo.“ Stimmt, Moment mal, da waren doch diese fiesen Wülste, die jedes Mal die Wirbelsäule quetschten, wenn man sich anlehnen wollte. „Wahrscheinlich, damit im Gottesdienst keiner einschläft“, feixt einer. Oh ja, wer jemals drei Stunden Weihnachtsoratorium auf diesen Bänken durchlitten hat, weiß gleich, wovon die Rede ist: Herz und Ohren voll schöner Musik – aber am Ende tun einem alle Knochen weh. Wird die „neue“ Stiftskirche womöglich nicht nur hell und schön durch die Sanierung, sondern am Ende sogar noch bequem und warm?!

An diesem Tag gerade mal nicht da, aber von Anfang an zuverlässig im Einsatz für die Stiftsbauhütte sind Edo Bauer und Rolf Hübner. Christa Schäfer ist erst kürzlich dazugestoßen, „hat aber richtig viel geschafft“, zollt Wörner den freiwilligen Helfern Anerkennung. „Und immer mal wieder kommt jemand vorbei und bringt einen Kuchen oder belegte Brötchen“ – klar, ein leckeres Vesper gehört auch dazu.

Während die Männer mit Hingabe schrubben, trägt Barbara Hahn mit einem Pinsel den duftenden Leinölfirnis auf eine der blitzsauberen Bänke auf, ganz liebevoll und sorgfältig macht sie das. „Mit Holz zu arbeiten, ist einfach schön“, sagt sie und streicht mit der Handfläche über die glatte Sitzfläche. Die Stimmung ist gut: Backnang renoviert die Stiftskirche und alle helfen mit. Die einen mit Geld, die andern mit Lagerflächen und wieder andere mit Wurzelbürste, Pinsel oder Vesper.