Schüttelfrost für einen guten Zweck

42 Unverzagte stürzen sich beim zweiten Eisschwimmen des Fördervereins Erbstetter Bädle ins kalte Wasser

Noch mehr unverzagte Akteure als im vergangenen Jahr haben das zweite Eisschwimmen zugunsten des Erbstetter Bädles zu einem großen Erfolg gemacht. Gestern Mittag haben sich trotz Temperaturen um 6 Grad immerhin 42 Schwimmer ins kalte Wasser begeben – von den trainierten Eisschwimmern Martin Tschepe und Reiner Koch über die typischen Sommerbadegäste bis hin zum neunjährigen Mädchen.

Schüttelfrost für einen guten Zweck

Was tut man nicht alles für den Erhalt des Erbstetter Bädles? Gestern war das Wasser 4,5 Grad kalt. Trotzdem nutzten viele Freunde des Familienfreibads die Gelegenheit, einen sportlichen Beitrag zu leisten. Denn Sponsoren überwiesen für jede Bahn einen Sanierungszuschuss. Foto: J. Fiedler

Von Matthias Nothstein

BURGSTETTEN. Das Wetter ist perfekt für dieses Vorhaben. Es stürmt. Der Himmel ist wolkenverhangen. Es regnet Bindfäden. Einfach so ein typischer Tag, um mal wieder das Freibad aufzusuchen. Mal ehrlich: Bei solchen Bedingungen schickt man keinen Hund vor die Tür. Aber was soll’s, ich bin ja Widder.

Seit Mittwoch habe ich mich intensiv und strukturiert auf das Projekt vorbereitet und täglich eine Tasse Erkältungstee getrunken. Am Freitag dann zwei Wärmflaschen in Bettnähe deponiert. Und am Samstag bei offenem Wohnzimmerfenster Titanic geschaut. Nur das Ende, das aber zweimal. So glaube ich, perfekt vorbereitet zu sein und stehe jetzt lediglich mit einer lächerlich dünnen Badehose bekleidet neben dem Beckenrand an jenen Stufen, die hinab führen in die Eiseshölle. Die Wassertemperatur ist 4,5 Zentimeter kurz, Tendenz eher weniger. Und ich spreche von der gefühlten Temperatur. Wobei das Attribut gefühlt nie ehrlicher gemeint war als heute. Man könnte es allerdings auch ersetzen durch erlitten oder erduldet. Bis zu den Knöcheln halte ich es aus, ohne das Gesicht zu verziehen. Ab den Schienbeinen schmerzt es. Und der getauchte Meniskus erklärt: „Stopp. Keinen Schritt weiter.“ Ich schlage die Warnung in den Wind, stürze mich unverdrossen in die Fluten und rede mir ein, es ist für eine gute Sache. Auf meinem Grabstein wird stehen: „Er tat es fürs Erbstetter Bädle.“

Das anvisierte Ziel war

mindestens vier Bahnen

Einmal eingetaucht ist mein Körper in heller Aufruhr. Herz meldet an Kleinhirn: „Geht’s noch?!“ Kleinhirn gibt die Frage weiter an die Augen: „Eisberg voraus?“ Die Augen antworten nichts, sind zugekniffen. Die Rezeptoren an den Händen maulen: „Ach, neee.“ Mit Vorfreude reagiert nur die lebenserfahrene Leber: „Wartet, wenn wir wieder raus sind!“

Die ersten Meter dienen nur dazu, in den Körper zu hören. Das anvisierte Ziel war mindestens vier Bahnen. So viel hat Kollege Florian Muhl vergangenes Jahr vorgelegt. Er ist auch derjenige, der zusammen mit Martin Tschepe, derzeit Dritter der deutschen Meisterschaft in seiner Altersklasse im Eisschwimmen, vor einem Jahr auf die dusselige Idee zu der Veranstaltung kam. Noch kann ich mir nicht vorstellen, wie ich die nächsten Minuten überleben soll. Nach der ersten Wende habe ich schon das dringende Bedürfnis, eine warme Dusche aufzusuchen. Dann hat sich überraschenderweise der Kreislauf stabilisiert. Die Kälte ist ertragbar, aber jetzt machen die Muskeln nicht mehr das, was ich will. Moderator Alexander Sturm vom Freibadförderverein motiviert vom Beckenrand auf Teufel komm raus. Der hat’s ja gut, der steht nur im Regen. Nach sechs Bahnen ist Schluss, ich habe meinen Betrag geleistet zur Baderhaltung. Mehr noch. Ich bin nach dieser heldenhaften Leistung der festen Ansicht, dass in dem sanierten Bädle eine Bahn nach mir benannt werden muss. Mindestens aber drei Kacheln.

So richtig hart wird es aber erst, nachdem ich das Becken wieder verlassen habe. Weicheier gehen zum Warmduschen in das 200 Meter entfernte Vereinsheim des Tennisclubs. Ich ziehe mich – da es an richtig, geschlossenen Umkleiden mangelt – quasi im Freien um. Bei einsetzendem Schüttelfrost ist jeder Quadratzentimeter trockenes Textil eine Wohltat. Endlich, nach langen zehn Minuten, habe ich es mit zitternden Fingern geschafft, wieder vollständig mit Jacke und Mütze bekleidet zu sein. Und ich fühle mich cool. Das aber wortwörtlich.

Info
Burgstettens Wassermeister schafft wie die Spezialisten einen Kilometer im Eiswasser

Nach der Veranstaltung zieht Anja Geldner vom Vorstand des Fördervereins ein zufriedenes Fazit. 42 Schwimmer, mehr noch als im vergangenen Jahr, haben sich engagiert. Da Sponsoren für jede Bahn einen Zuschuss zahlen, sorgen die Akteure so gewissermaßen für ein Muskeldarlehen. Vermutlich hat sich Geldner etwas mehr Resonanz aus der Bevölkerung gewünscht, aber dafür war das Wetter einfach zu schlecht, „die zuschauende Laufkundschaft ist dieses Jahr wegen des Regens und der Kälte ausgeblieben“. Dabei hatten sich die Verantwortlichen des Fördervereins viel Mühe gegeben mit der Verpflegung. Und bei den Besuchern, die vor Ort waren, kam der Glühwein bestens an.

Mitorganisator Martin Tschepe war ebenfalls zufrieden, weil dieses Jahr mehr Schwimmer verzeichnet wurden. Und dabei fehlten viele Weggefährten, da parallel zu der Veranstaltung ein Eisschwimmen für Jedermann im Breitenauer See stattfand. Sein persönliches Ziel, mit seinem Trainingspartner Reiner Koch 1000 Meter zu schwimmen, erreichte er locker und benötigte dafür nur 15 Minuten. Koch ist seit ewigen Zeiten Tschepes Trainingspartner. Gemeinsam bilden sie den harten Kern der Eisschwimmer beim SV Ludwigsburg. Jede Woche, Sommer wie Winter, trainieren die beiden im Neckar.

Während die meisten nach zwei, vier oder sechs Bahnen das Wasser wieder verließen, eiferte der Burgstettener Wassermeister Antal Cserniczky den beiden Extremsportlern nach. Erst nach 33 Bahnen – das entspricht beim 33-Meter-Becken einem Kilometer, verließ Cserniczky das Becken.

Hans-Joachim Elzmann, stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Burgstetten, hatte bei seiner Begrüßung schon gesagt, es heißt Abschied zu nehmen vom alten Bädle. Soll doch im nächsten Jahr die umfangreiche Generalsanierung beginnen. Die Hoffnung ist groß, dass es Zuschüsse vom Bund und vom Land gibt. Und Andrea Witt, die zweite Vorsitzende des rührigen Fördervereins, verkündete zum Start des Eisschwimmens unter tosendem Beifall den aktuellen Spendenstand des Vereins: 175000 Euro. Etwas optimistisch gab sie als Ziel aus, „vielleicht stehen wir morgen bei 190000 Euro.“

Das marode, 80 Jahre alte Freibad soll laut einem einstimmigen Grundsatzbeschluss des Gemeinderats saniert werden. Die Gesamtkosten betragen 1,8 Millionen Euro. Jeweils 500000 Euro soll es aus Eigenmitteln, über einen Kredit und als Landeszuschuss geben. Der Rest soll über Spenden und Eigenleistung finanziert werden.