Neuer Prozess gegen Ex-Starkoch

Schuhbeck, der Prozess und der Krebs

Das zweite Verfahren gegen den einstigen Starkoch könnte rasch enden. Der 76-Jährige gesteht, und es wird bekannt, dass er offenbar unheilbar erkrankt ist.

Schuhbeck, der Prozess  und der Krebs

Alfons Schuhbeck betritt am Dienstag den Gerichtssaal des Landgerichts München.

Von Patrick Guyton

Staatsanwältin Stephanie Bachmeier unterbricht ihren Vortrag nur kurz, um einen Schluck Wasser zu trinken. Ansonsten liest sie vor im Gerichtssaal B 173 des Münchner Strafjustizzentrums, etwas über zwei Stunden lang.

Es ist die Anklageschrift gegen den Mann, der ihr wenige Meter gegenüber sitzt: Alfons Schuhbeck, den sie als „Koch, Fernsehkoch und Unternehmer“ bezeichnet. Der einst so bayerisch-charmant auftretende, vom Volk und von der High Society geliebte Schuhbeck steht wieder vor Gericht. Im Oktober 2022 ist er wegen Steuerbetrugs zu drei Jahren und zwei Monaten Haft verurteilt worden. Diesmal geht es um Betrug, Subventionsbetrug und Konkursverschleppung.

Schon im ersten Verfahren wirkte der jetzt 76-Jährige tief gefallen, hatte gesagt, sein „Lebenswerk liegt in Trümmern“. Dieser Dienstag nun wird ein längerer, äußerst ereignisreicher Tag im Fall Schuhbeck. Ein Tag zwischen Verbrechen und Tragik. Denn sein Anwalt Norbert Scharf gibt bekannt: Schuhbeck ist an Krebs erkrankt, unheilbar.

Es sind die Lymphknoten, fortgeschrittenes Stadium. Deshalb wird er schon seit Monaten behandelt, seine Haftstrafe in der JVA Rothenfels bei Andechs ist bis mindestens September ausgesetzt. Laut Berichten lebt er derzeit in seiner Wohnung am Münchner Platzl – sie liegt im gleichen Haus oberhalb seines einstigen Feinschmecker-Tempels Orlando, das wie fast alles von Schuhbeck pleite gegangen ist.

Zwei Stunden dauert das Vorlesen der Anklageschrift

Doch zurück zu Staatsanwältin Bachmeier. Diese rattert runter, was die Anklage Schuhbeck alles vorwirft. Der Mann hatte ein recht undurchsichtiges Imperium aufgebaut mit verschiedensten Firmen: das Orlando, das Platzl, ein Partyservice, eine Kochschule, ein Gewürzhandel und einiges weitere.

Erster Anklagepunkt ist die Insolvenzverschleppung. Je mehr die Staatsanwältin ins Detail geht, umso klarer wird: Praktisch alles von Schuhbeck war ab Anfang 2017 pleite. Die Insolvenz für die Firmen hat er aber erst 2021 angemeldet, mehr als vier Jahre später. So konnte er sich weiter Geld leihen, das er nicht zurückzahlen würde. Er orderte viele Waren und ignorierte die Rechnungen. Mindestens einer seiner Geschäftspartner musste deshalb selbst Insolvenz anmelden.

Der zweite große Komplex ist Betrug und Subventionsbetrug mit unberechtigten Corona-Hilfen. Schuhbeck hat laut Anklage in 212 Fällen keine Krankenversicherung für seine Angestellten abgeführt und 267 Mal erst verspätet. Macht einen Schaden von einer knappen Million Euro.

Und dann das Corona-Geld. Für alle Firmen hat er es beantragt und meist auch bekommen – obwohl diese nicht miteinander verwoben sein durften, was sie in seinem Fall aber waren. Und weil die Unternehmen de facto insolvent waren, hätte Schuhbeck das Geld auch nicht beantragen dürfen. Mal spricht die Staatsanwältin von 30 000 Euro, die ihm nach einem Online-Antrag überwiesen wurden, mal von 50 000. Teils zahlte der Freistaat Bayern, teils der Bund. Es ging um Soforthilfen, um die November- und die Dezember-Hilfe, um die Überbrückungshilfen II und III. Unrechtmäßig eingestrichenes Geld: 460 000 Euro.

Die Anklage macht sehr deutlich, dass Schuhbeck nicht wegen Corona wirtschaftlich in die Knie gezwungen worden war, diese Legende hatte er selbst immer wieder gestreut. Sondern dass seine Firmen schon zuvor zahlungsunfähig waren. Mit dem Corona-Geld bezahlte er mal seine Miete, mal verschob er es zwischen den Unternehmen. Er habe aus „grobem Eigennutz“ gehandelt, so Stephanie Bachmeier. Den Behörden habe er „bewusst wahrheitswidrige“ Angaben gemacht.

Alfons Schuhbeck selbst ist gezeichnet. Er erscheint in schwarzem Anzug mit Einstecktuch und dunkelblauem Hemd. Seine Haut ist blass, fast durchsichtig, das Gesicht eingefallen, das Haar dünn. Er ist schmal geworden und wirkt gebrechlich. Nach der Anklageverlesung beschließen Staatsanwaltschaft, Gericht und Verteidigung eine Verständigung, einen so genannten Deal: Für ein volles, glaubhaftes Geständnis werden Schuhbeck eine Strafe zwischen vier Jahren und vier Jahren und acht Monaten zugesichert. Das ist eine Gesamtstrafe – die erste Verurteilung ist dabei mit eingerechnet. Auch der Krebs, so sagt es der Anwalt Scharf, habe seinen Mandanten bewogen, dem zuzustimmen.

Schuhbeck selbst liest dann sein Geständnis vor. „Ich räume den Sachverhalt der Anklage ein“, sagt er. Und: „Ich entschuldige mich dafür.“ Den Schaden und die Nöte seiner Gläubiger bereue er zutiefst. „Das Leben hat mich weit nach oben geführt und nun wieder nach ganz unten.“ Er habe hart gearbeitet, aber „den Überblick verloren“ und geglaubt, er werde wieder aus den Schulden rauskommen.

Das mag man glauben. Beim ersten Prozess aber hatte sich durchaus ein taktisches Verhältnis von Alfons Schuhbeck zur Wahrheit gezeigt. Er war verurteilt worden, weil er unzählige Male abends in die Kassen seiner Restaurants Orlando und Südtiroler Stuben gegriffen hatte. Er entnahm das Bargeld und buchte im System Rechnungen in der jeweiligen Höhe aus – so wurden Steuern hinterzogen.

Er kochte für die Queen und den FC Bayern

Erst strickte sein Verteidiger an der Legende vom großen Unbekannten, der das getan habe – Schuhbeck sei möglicherweise nicht Täter, sondern Opfer. Als die Vorwürfe kaum mehr zu bestreiten waren, gestand Schuhbeck die Taten, aber nur im Orlando. Am nächsten Verhandlungstag kamen die Südtiroler Stuben hinzu.

Der Mann aus Traunstein, der aus einfachen Verhältnissen stammt, wollte in der Glitzerwelt der Prominenten Everybody’s Darling sein. Er kochte für die britische Queen und für den FC Bayern München, stand in unzähligen TV-Sendungen vor der Kamera. Mit dem Teatro hatte er ein Gourmet-Varietézelt geschaffen, er hat auch ein „Sexgewürz“ kreiert. Und abends in den Lokalen Gitarre gespielt und gesungen.

Vier Tage ist für das Verfahren vorgesehen

Während des Prozesses suchte Schuhbeck, der alle kannte, händeringend nach Freunden, die ihm Geld gaben. So hätte er einen Teil des Schadens begleichen und auf eine etwas niedrigere Strafe hoffen können. Aber es fand sich niemand.

Schuhbeck, der sich derzeit als „vermögenslos, ohne Einnahmen“ bezeichnet und nach eigenen Angaben auch keine Altersvorsorge hat, sagt jetzt vor Gericht, er wolle arbeiten – und das Geld, das er schuldet, irgendwie zurückzahlen. Er habe „in der Haft ein neues Kochbuch geschrieben, damit die Einnahmen aus dem Verkauf an den Insolvenzverwalter gehen können“, sagt er. „Ein zweites Buch ist fast fertig.“

Vier Tage waren für das jetzige Verfahren vorgesehen, das Urteil sollte gemäß der Planung des Gerichts am 14. Juli erfolgen. Nun dürfte es schneller gehen. Und wenn Alfons Schuhbeck schon jetzt wegen Krankheit haftunfähig ist, dann wird er möglicherweise nie mehr ins Gefängnis zurück müssen.