Schulleitungen im Rems-Murr-Kreis verzweifelt gesucht

Immer häufiger müssen Schulen ohne Schulleiter in das neue Schuljahr starten, im Rems-Murr-Kreis sind es vier Grundschulen. Es gibt immer weniger Bewerbungen für den Leitungsposten, auch weil die Arbeit umfangreicher wird und der Ausgleich, auch finanzieller Art, zu gering ist.

Schulleitungen im Rems-Murr-Kreis verzweifelt gesucht

Christian Engelhard, Katja Haisch und Moritz Hofstetter übernehmen gemeinsam die Schulleitung in Kirchberg. Foto: Alexander Becher

Von Kristin Doberer

Rems-Murr. Das neue Schuljahr startet wie immer mit viel Organisationsarbeit für die Schulleitungen: Konferenzen organisieren, Stundenpläne erstellen, Gottesdienste und die Einschulung der Erstklässler planen, Statistiken erstellen und vieles mehr. Einige Schulen allerdings müssen in diesem Jahr ohne Schulleiter in das neue Schuljahr starten. Nicht nur Lehrerinnen und Lehrer werden nämlich händeringend gesucht, immer häufiger bleibt auch der Posten des Schulleiters unbesetzt.

So zum Beispiel in Kirchberg an der Murr. Im vergangenen Jahr ist der langjährige Schulleiter Alfred Stephan in den Ruhestand gegangen. Bereits vor etwa einem Jahr wurde die Stelle ausgeschrieben, besetzt wurde sie bis heute nicht. Kaum Bewerbungen gingen für die Leitung der kleinen Grundschule mit etwa 160 Schülerinnen und Schülern ein – und die wenigen Bewerber, die es gab, sprangen wieder ab.

Meist springt der dienstälteste Lehrer ein

Nur wenige Wochen vor Schuljahresende war dann auch für das Kollegium klar: Für das Schuljahr 2022/23 wird es keine neue Schulleitung geben. Wie es in so einem Fall üblich ist, hat das Schulamt dann den dienstältesten Lehrer gebeten, die Leitung kommissarisch zu übernehmen. In Kirchberg war das Christian Engelhard. „Ich habe mich überreden lassen“, meint der 63-Jährige. In den vergangenen Jahren ist er hin und wieder mal im Krankheitsfall eingesprungen, aber eine tatsächliche Leitungsrolle wollte er eigentlich nie. „Da hat man so viel mit Verwaltung und Organisation zu tun, aber ich wollte immer mit den Kindern arbeiten“, sagt Engelhard.

Dass er den Posten nun doch kommissarisch übernimmt, lieg nur daran, dass er das nicht alleine tut. Gemeinsam mit Katja Haisch und Moritz Hofstetter gibt es in Kirchberg nun ein Schulleitungsteam. Die Schulleitungsstunden und Aufgaben teilen sie auf: Hofstetter übernimmt die Planung der Stundenpläne, Haisch die Vertretungspläne. „Aber wir wollen immer alles zu dritt besprechen“, betont Engelhard. Die Absprachen und Rückversicherungen seien allen drei besonders wichtig. Auch der ehemalige Rektor Stephan will beratend aushelfen, schließlich ist vieles neu für das Schulleitungsteam. Schülerstatistiken, Vertretungspläne, Lehrerkonferenzen, eben die ganze Verwaltungsarbeit. Richtig gut vorbereiten konnten sie sich nicht auf die neue Rolle. „Es blieb dann nur wenig Zeit am Ende des vergangenen Schuljahres“, sagt Moritz Hofstetter.

Die Schule am Laufen zu halten ist vorerst die Bestrebung des Teams

„Kaltes Wasser lässt grüßen“, ergänzt Engelhard. In den ersten Monaten des neuen Schuljahres wollen sich die drei deshalb vor allem darauf konzentrieren, alles am Laufen zu halten. „Wir müssen nun erst mal den Alltag bewältigen“, sagt Haisch, schließlich komme vermutlich auch wieder ein Coronaherbst auf die Schulen zu – und damit eine Masse an immer wieder wechselnden Verordnungen.

„Wir haben noch Glück, dass wir eine gute Sekretärin haben, die uns unglaublich viel vor- und aussortiert. Das haben andere kleine Schulen so nicht mehr, da muss dass auch noch die Schulleitung machen“, weiß Engelhard. Dabei ist eine weitere Aufgabe der Schulleitung ja auch die Weiterentwicklung der Schule, geht das überhaupt als kommissarische Leiter? „Wir wollen das Thema Schulentwicklung dann eventuell zum Ende des ersten Halbjahres angehen“, meint Engelhard.

Warum wollen viele Lehrerinnen und Lehrer keine Schulleiter mehr werden?

In diesem Jahr starten im Bezirk des Backnanger Schulamts vier Grundschulen ohne Führung in das neue Schuljahr; neben der Grundschule Kirchberg auch die Grundschule Unterbrüden/Oberbrüden, die Hofgarten-Grundschule in Welzheim und die Grundschule Beutelsbach. Etwa ein Jahr bevor ein Schulleitungsposten frei wird, schreibt das Kultusministerium des Landes die Stelle aus. Gibt es passende Bewerberinnen und Bewerber für den Posten, dauert es laut Schulamt etwa drei bis vier Monate, bis der Posten auch besetzt werden kann, denn zunächst müssen verschiedenen Stellen den neuen Schulleiter oder die neue Schulleiterin auch absegnen.

In den vorherigen Schuljahren sei es im Rems-Murr-Kreis eigentlich fast immer gelungen, die freien Schulleitungsposten auch wieder zu besetzen, so die Schulamtsleiterin Sabine Hagenmüller-Gehring. Das liege auch daran, dass man sich besonders dafür einsetzt, an der Leitung interessierte Lehrkräfte anzusprechen und weiterzubilden. „Einmal im Jahr sprechen wir mit allen unseren Schulleitern die Personalsituation durch. Dabei geht es auch darum, welche Lehrkräfte Interesse an den Schulleitungsposten zeigen“, so Hagenmüller-Gehring. Mit diesen werde dann frühzeitig das persönliche Gespräch gesucht und Fortbildungen wie zum Beispiel „Fit für Führung“ angeboten. „Dadurch werden die Hürden für eine Bewerbung als Schulleitung kleiner.“ Häufig würden die Schulleitungen interessierte Lehrkräfte auch mit in die Leitung einbinden, sie seien die eigentlichen „Personaler“ in einer Schule.

Grundschulleitung: viele Aufgaben, wenig Bezahlung

Dass nun in diesem Schuljahr ausgerechnet vier Grundschulen kommissarisch geführt werden müssen, könnte verschiedene Gründe haben. Zwar könne man das nicht verallgemeinern, so die Schulamtsleiterin, doch einen Grund vermutet sie in der Bezahlung. Diese sei bei Leitern von Grundschulen geringer, das Aufgabengebiet sei aber trotzdem sehr breit. „Grundschulleiter müssen neben der Verwaltung ja auch unterrichten, je kleiner die Schule, desto mehr Stunden. Außerdem gibt es fürs Sekretariat oft nur wenige Stunden. Sie haben aber den gleichen Umfang an Aufgaben.“ Das sehen auch die kommissarischen Leiter in Kirchberg so: „Der Job ist vielfältiger geworden, dafür müsste eigentlich ein vernünftiger Ausgleich her“, sagt Hofstetter. Zum Beispiel durch weniger Unterrichtsstunden und einen finanziellen Anreiz. Aber auch die viele Verwaltungs- und Organisationsarbeit sehen sie als einen Hinderungsgrund. „Man müsste die Schulleiter etwas von der Verwaltungsarbeit entlasten“, meint auch Engelhardt. Erste Versuche, den Job wieder attraktiver zu machen, gab es bereits vor der Pandemie (siehe Infokasten).

Trotzdem finden sich nicht immer Lehrer der Schule, welche die Leitung kommissarisch übernehmen. Es kann auch passieren, dass ein Schulleiter einer anderen Schule zusätzlich einspringen muss. Das versucht das Schulamt aber zu vermeiden. Wird eine Schule nur kommissarisch von Lehrern aus dem bestehenden Kollegium geführt, kann das andererseits schwierig für den Umgang im Kollegium sein, erklärt Hagenmüller-Gehring. Der Schulleiter brauche ein gewisses Standing, das sei nicht immer einfach, wenn klar ist, dass derjenige die Rolle nur für eine gewisse Zeit übernimmt. Dieses Problem sehen die drei kommissarischen Schulleiter in Kirchberg bisher noch nicht auf sich zukommen, im Gegenteil. Sie hoffen, dass die Kommunikation mit dem Kollegium ganz ohne Hürden und das Gefühl einer „Obrigkeit“ funktionieren kann.

Es bieten sich auch Chancen für die Lehrerinnen und Lehrer

Obwohl auf die kommissarischen Leitungen nun deutlich mehr Arbeit zukommen wird, gibt es auch positive Aspekte an der Situation. Man habe zum einen mehr Einfluss darauf, was in der Schule umgesetzt und wie das Schulleben gestaltet wird, von neuen Projekten bis zu AGs. „In der Rolle können wir neue Ideen einbringen und alte Vorgehensweisen überdenken“, meint Haisch. Sie und Moritz Hofstetter nutzen das Schuljahr nun auch, um auszuprobieren, ob eine Leitungsposition in der Zukunft für sie infrage kommen würde. Ob sich nämlich für das nächste Schuljahr jemand für die Grundschule in Kirchberg bewerben wird, ist bisher kaum abzusehen.

Rektorenmangel

Baden-Württemberg An 276 von etwa 4500 Schulen in Baden-Württemberg ist der Posten der Rektorin oder des Rektors nicht besetzt. Im Juli vergangenen Jahres waren es noch 178.

Gegensteuern Bereits 2019 hat das Kultusministerium ein Programm zur Entlastung von Schulleitern angekündigt. Dazu gehört unter anderem, dass mehr Stellen für Konrektoren geschaffen wurden, dass Zuschläge für kommissarische Schulleitungen eingeführt wurden und dass Fortbildungs- und Beratungsangebote aus- und weiterentwickelt werden sollen.