Schutz gegen Rückstau aus der Kanalisation

Starkregen bringt die Abwasserkanäle auch im Raum Backnang an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit und sorgt für Überschwemmungen in den Kellern. Experten können mit dem Einbau von Rückstauklappen für Abhilfe sorgen. Viele Betroffene warten viel zu lange mit der Investition.

Schutz gegen Rückstau aus der Kanalisation

Auch wenn es nur wenige Zentimeter sind: Wasser aus der Kanalisation braucht kein Mensch im Keller. Foto: Adobe Stock/Robert Kneschke

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Das Phänomen Starkregen tritt immer häufiger auf. Es bedeutet, dass innerhalb kürzester Zeit extrem viel Niederschlag fällt. So sind 50 oder gar 100 Liter Regen pro Quadratmeter aufgrund des Klimawandels kein Ding der Unmöglichkeit mehr. Und selbst wenn solch ein Starkregen regional sehr begrenzt auftritt, so sorgt er doch dort für massive Probleme. Anwohner ärgern sich dann häufig über vollgelaufene Keller. Nur in seltenen Fällen läuft das Wasser über Kellerabgänge, Türen oder Fenster direkt in die Kellerräume. Viel häufiger kommt die schlammige, dreckige und stinkende Überraschung aus der Kanalisation. Nämlich immer dann, wenn die Kanäle im Untergrund randvoll sind und sie die Regenmenge nicht mehr abführen können. Nach dem Prinzip der kommunizierenden Röhren läuft dann das Wasser in die Gebäude zurück.

In Backnang war dies zum Beispiel am Montag, 28. Juni, dieses Jahres der Fall. Lars Kaltenleitner, der Leiter des Backnanger Tiefbauamts, berichtet von mehreren Bürgern, die zu ihrem Leidwesen erleben mussten, wie im Untergeschoss ihrer Gebäude plötzlich Abwasser aus den Bodeneinläufen, Waschbecken, Toiletten oder Duschen ausgetreten ist und zu Überflutungen dieser tieferliegenden Räume geführt hat. Laut Kaltenleitner gingen an diesem Montagabend innerhalb von einer halben Stunde rund 50 Liter Regen pro Quadratmeter im Backnanger Stadtgebiet nieder. „Solch große Wassermengen in einer so kurzen Zeit bringen Kanalisationssysteme grundsätzlich an ihre Belastungsgrenzen. Teilweise kann das sogar so weit führen, dass diese Grenzen kurzzeitig erheblich überschritten werden.“

Untergeschosse könnten bis auf die Höhe des Straßenniveaus geflutet werden

Abwasser im Keller können Hausbesitzer verhindern, indem sie eine Rückstauklappe einbauen lassen. Diese sorgt dafür, dass das Abwasser nicht mehr aufgrund eines Rückstaus aus der Kanalisation zurück in den Keller des Gebäudes gelangt. Dazu kann es nämlich kommen, wenn die Kanalisationssysteme bei stärkeren Regenereignissen die anfallenden Wassermengen nicht schnell genug ableiten können und dadurch der Wasserspiegel in den Kanälen und Schächten ansteigt. Abhängig von der Stärke des Regens steigt das Wasser in der Kanalisation bis zur Straßenoberkante beziehungsweise Geländeoberfläche. Da die Entwässerung der Grundstücke mit dem Kanalisationssystem verbunden ist und kommuniziert, können bei einem fehlenden Schutz die Untergeschosse von Gebäuden bis auf Höhe des Straßenniveaus geflutet werden.

Wolfgang Sigrist ist einer jener Handwerker, die sich voll und ganz auf den Einbau der verschiedensten Rückstaukomponenten und Gebäudeabdichtungen im Erdreich spezialisiert haben. Während viele seiner Flaschnerkollegen sich nur so nebenbei um den Rückstauschutz kümmern, widmet sich der 54-Jährige ausschließlich diesem Thema und zudem vor allem den Problemfällen. Seine Erfahrung ist, dass die meisten Hauseigentümer die Vorsorge schleifen lassen. Wenn sich das Wasser erstmals in den Keller ergießt, denken sie, „das war Pech, das passiert nicht noch einmal“. Sigrist kennt viele Fälle, „die saufen dreimal ab, bevor sie etwas machen lassen“. Unlängst kümmerte er sich um das Gebäude eines Mannes in der Nähe von Ulm. Der hatte sofort nach einem Hochwasserschaden eine neue Heizung einbauen lassen. Sechs Wochen später stand der Keller wieder einen Meter unter Wasser, die nagelneue Heizung erlitt großen Schaden. In einem anderen Fall bat ein Mann um Hilfe, der erklärte, er sei nun schon zehnmal abgesoffen. Sigrist dazu: „Dass jemand so lange zuwartet, das verstehe ich nicht. Manche haben schon einen langen Atem.“ Ursprünglich ist Sigrist gelernter Maurer. Der Experte aus Backnang-Strümpfelbach hat die Erfahrung gemacht, dass der Bedarf an Rückstauschutz seit Jahren stetig steigt.

Im oberen Teil der Elbinger Straße in Backnang wohnt Hildegard Klein in einem kleinen Häuschen, und das schon seit 1974. Die 80-Jährige berichtet, dass ihr Keller in den zurückliegenden Jahren schon x-Mal überflutet war. Und zwar zuletzt immer häufiger. Sie erklärt sich dies dadurch, dass sich die Verhältnisse verändert hätten. So wurde ein sehr großes Gebäude weiter oberhalb ihrer Straße errichtet und zudem das Wasser eines Waldwegs in die Kanalisation eingeleitet. Mit der Folge, dass jeder starke Regen den Kanal an seine Grenzen bringt.

Vor vier Jahren sagte sich Klein, „jetzt ist Schluss“. Sie ließ sich in den Keller eine Rückschlagklappe einbauen. Seitdem hat sie Ruhe. Übrigens auch an jenem 28. Juni, den Tiefbauamtsleiter Kaltenleitner erwähnt hat. Als sie damals den heftigen Regen bemerkte, ging sie in den Keller und beobachtete, wie die Sensoren den Rückfluss meldeten und rote Lampen aufblinkten. Die Klappe schloss sich, der Keller blieb trocken. Kurz darauf vernahm sie von den Nachbarn, dass diese wieder Probleme beziehungsweise ganz konkret Wasser im Keller hatten.

Hildegard Klein ist nach all dem Ärger und der Mühe sehr zufrieden mit ihrer Investition. Auch wenn das Wasser selten hoch im Keller stand, so war es doch jedesmal eine große Sauerei. Und das nicht nur im Heizraum, sondern auch in zwei Nebenräumen. Diese Sauerei gehört jetzt der Vergangenheit an.

Passives Ventil oder aktive Hebeanlage bringen Sicherheit

Störung Ein Rückstau kann auch aufgrund betrieblicher Störungen wie zum Beispiel einer Verstopfung in den öffentlichen Kanälen entstehen.

Technik Im Wesentlichen gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten, sich gegen Rückstau zu schützen. Die Rückstausicherung kann entweder passiv durch eine Rückschlagklappe oder aktiv durch eine Hebeanlage erfolgen.

Ventil Rückstauverschlüsse in Form einer Klappe oder eines Schwimmers funktionieren wie ein Ventil. Das Wasser kann in Richtung Kanalisation problemlos hindurchfließen. Wenn das Wasser jedoch von der anderen Seite, also vom öffentlichen Hauptkanal kommt, sorgen sie dafür, dass kein Wasser an dieser gesicherten Stelle zurückfließen kann. Solche Klappen sind für Räume von untergeordneter Nutzung und für Gebäude mit einem kleinen überschaubaren Benutzerkreis geeignet. Denn solange sie geschlossen sind, kann auch kein Abwasser vom Gebäude abfließen.

Hebeanlage Eine automatisch arbeitende Hebeanlage stellt für einen Grundstückseigentümer den sichersten Schutz dar. Sie pumpt auch bei einem Rückstau das anfallende Abwasser in die öffentliche Kanalisation. Somit bleibt die Entwässerung der Gebäude im vollen Umfang betriebsfähig.

Kanäle zu klein Wenn nach einem Regenereignis Keller überflutet wurden und dadurch Schäden entstanden sind, geben viele Bürger den in der Straße verlegten Kanälen die Schuld, weil sie nach ihrer Meinung zu klein bemessen sind. Als weiterer Schluss wird hieraus gezogen, dass eine geeignete Abhilfe nur durch die Verlegung neuer und größerer Kanäle zu schaffen ist, um die anfallenden Wassermengen zukünftig schadlos ableiten zu können.

Bemessungsgrenzen Kanalisationsnetze werden nach den anerkannten Regeln der Technik so bemessen, dass das Wasser aus normalen Regenfällen in der Regel problemlos abgeführt werden kann. Für Wohngebiete werden neu herzustellende Kanäle für ein dreijährliches und für Gewerbegebiete für ein fünfjährliches Regenereignis ausgelegt.

Starkregen Bei dem Starkregen vom 28. Juni handelte es sich bezüglich der Bemessung des Kanals um ein Regenereignis, wie es einmal in 100 Jahren vorkommt. Tiefbauamtsleiter Lars Kaltenleitner hierzu: „Aus technischen und auch wirtschaftlichen Gründen ist und kann eine Kanalisation nicht so ausgelegt werden, dass jede noch so große Wassermenge zügig abgeführt werden kann.“

Information Bei Fragen zum Thema Rückstau können sich Interessierte mit der Stadtentwässerung Backnang in Verbindung setzen. Unter Telefon 07191/ 894-275 steht Markus Dohmann für Fragen zur Verfügung.