Schwergewichte zurück in der Stiftskirche

Mit vereinter Muskelkraft schaffen 14 Backnanger Ehrenamtler die Kirchenbänke und das Chorgestühl wieder an ihren angestammten Platz. Im Rahmen der Generalsanierung waren die Sitzmöbel demontiert und aufgearbeitet worden.

Schwergewichte zurück in der Stiftskirche

Viele Hände, schnelles Ende: Nur mit ausreichend Manpower lassen sich die schweren Bänke wieder zurück in die Backnanger Stiftskirche hieven, nachdem sie im Rahmen der Generalsanierung des Gotteshauses ausgelagert werden mussten. Fotos. J. Fiedler

Von Heidrun Gehrke

BACKNANG. Der nächste Schritt zur Generalsanierung der Backnanger Stiftskirche ist geschafft. Die Kirchenbänke stehen nach einem Großputz wieder in Reih und Glied auf dem komplett erneuerten Bankspiegel.

Die Frage taugt als Eine-Million-Euro-Frage: Wie viel wiegt eine Kirchenbank der Stiftskirche Backnang? In Ermangelung eines holzkundigen Handwerkers oder geeigneter Berechnungsformeln – auch ein Publikumsjoker kann auf die Schnelle nicht organisiert werden – kann nur vermutet werden: Zwischen 150 und 200 Kilogramm. So zumindest schätzt Kurt Wörner, Mitglied im Kirchbauverein. Bis zu einer halben Tonne reichen die Angaben in der Runde der Helfer, die das schwere Trumm im gemeinsamen „Schulter(-Muskel)-Schluss“ die Treppenstufen hinaufwuchten. „Ich sag’s oifach mal schwäbisch: Ganz schee schwer“, ruft einer, und am Lachen ist zu merken: Darauf können sich die sieben Herren einigen, deren Muskelschmalz es braucht, um eine Bank zu bewegen. „Vor, vor, vor, bissle no, gut, jetzt ablassen“, lautet die Anweisung. Vor dem nächsten Anheben holt Viktor Sinner Luft. Er ist sich seines Muskelkaters sicher: „Ich spüre die Folgen jetzt schon im Rücken“, sagt der 64-Jährige und zieht geschwind ein leidendes Gesicht.

Dann aber lacht er und schaut bewundernd die Kirche an. „Es ist ein schönes Gebäude. Da will ich gern helfen. Ich seh’s als Nachbarschaftshilfe.“ Nach zwei Jahren muss das Inventar wieder rein. 14 ehrenamtliche Helfer haben 26 Bänke und das Chorgestühl aus dem Lager in der Fabrikstraße in die Stiftskirche transportiert. Jede Bank an einem Stück und nicht auseinandernehmbar, ohne Seilwinde, Laufkatze und Kran, zunächst vom Lastwagen hinab, dann in kleinen Trippelschrittchen eine Treppe hoch zurück ins Kirchengebäude.

Auf den Einsatz von Hubwagen wurde verzichtet, weil das dem neuen Boden geschadet hätte.

An der Fabrikstraße stehen vier Helfer und laden auf. Es ist eine andere Hausnummer als die Waschmaschine verrücken im Rahmen eines Wohnungsumzugs: „Da weiß man abends, was man gschafft hat“, sagt Manuel Wörner vom Kirchbauverein. Dank gut überlegter Tragetechnik tue man sich etwas leichter als beim ersten Mal, als Rollwagen im Einsatz waren: „Wir heben die Bänke mit Rahmenschenkeln unter den Sitzflächen an“, erklärt Manuel Wörner. Jeweils zwei Träger halten die Enden des Kantholzes fest. Wenn alle zugleich ihre Kanthölzer anheben, ist es von der Haltung her (fast) wie beim Getränkekistentragen.

Das Gewicht verlagere sich besser, sagt Manuel Wörner und pustet sich die Brillengläser staubfrei. Die Rollwagen würden zudem die Muschelkalkplatten des neuen Bodens und den von einem professionellen Parkettleger komplett erneuerten Bankspiegel beschädigen, sagt Kurt Wörner. Die Einrichtung musste während der Renovierung aus dem Kirchengebäude raus, ist unter anderem zwei Baggern gewichen, die fleißig bis tief ins Erdreich vorgedrungen sind, um die Fußbodenheizung zu verlegen. Die Ehrenamtlichen haben die Bänke mit Marseiller Seife gewaschen – auf Empfehlung eines Experten hätten sie auf die rein pflanzliche Seife gesetzt, so Kurt Wörner.

Anschließend wurde die Oberfläche mit Leinölfirnis bestrichen. Das erklärt den harmonischen, matt schimmernd nussbraunen Holzton. Kurt Wörner hatte jede der 700 Schrauben in der Hand, mit denen die Bänke am Bankspiegel festgeschraubt waren. Weitere 300 Schrauben habe er oben auf der Empore rausgedreht, um die dortigen Bänke zu lösen, die zur Reinigung im Kirchenschiff dort verblieben waren.

Mit großer Motivation sind drei Geflüchtete aus dem Treff 18 dabei. „Wir sind Nachbarn. Alle Menschen, wir alle helfen einander“ sagt der 21-jährige Shirawan. „Uns wird viel geholfen im Treff, wir bieten gerne Hilfe an“, sagen Fayad (21 Jahre) und Fouad (33 Jahre) über die körperliche Leistung, die für sie besonders schwer wiegen dürfte: Sie haben seit den Abendstunden nichts im Magen. Als Muslime verzichten sie bis zum Ende des Ramadan nahezu ganztägig auf Essen und Getränke.

Für alle anderen gibt’s als Belohnung warme Leberkäswecken. Motivation genug für den nächsten Arbeitseinsatz, wenn das Festschrauben und Reinigen der Bänke ansteht – jene auf der Empore eingeschlossen. Kurt Wörner darf dann die 700 Schrauben ein zweites Mal in die Hand nehmen oder, sofern sich ein paar Helfer finden, auf mehrere Schraubendreher verteilen.

Schwergewichte zurück in der Stiftskirche

Nicht zum Mitfahren gedacht: Mit einem 7,5-Tonner wurden die Sitzmöbel herangefahren.