Schwieriger Neustart der deutsch-amerikanischen Beziehungen

Von Von Michael Fischer und Can Merey, dpa

dpa Berlin/Washington. Nach dem Wahlsieg von Joe Biden will die Bundesregierung auf einen schnellen Neustart der schwer angeschlagenen deutsch-amerikanischen Beziehungen hinarbeiten. Es gibt aber zwei Probleme.

Schwieriger Neustart der deutsch-amerikanischen Beziehungen

Die Bundesregierung hofft durch den Sieg von Joe Biden auf eine Verbesserung der deutsch-amerikanischen Beziehungen. Foto: Matt Slocum/AP/dpa

In kaum einem Land dürfte die Freude über den Sieg von Joe Biden bei der US-Präsidentenwahl so groß sein wie in Deutschland. In Umfragen wünschte sich die große Mehrheit der Bundesbürger einen Machtwechsel im Weißen Haus, nur jeder Zehnte setzte auf Amtsinhaber Donald Trump.

In den knapp vier Jahren seit dessen Vereidigung sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf einen Tiefpunkt abgestürzt. Der „America First“-Präsident hat die stärkste Wirtschaftsmacht Europas nicht wie einen Verbündeten, sondern wie einen Gegner behandelt, den er gerne in einem Atemzug mit China und Russland nannte und sogar mit Sanktionen traktierte.

Entsprechend groß ist die Erleichterung nun im politischen Berlin über die Parteigrenzen hinweg. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wünschte Biden am Samstag „von Herzen Glück und Erfolg“, und Außenminister Heiko Maas (SPD) warb für einen Neustart der schwer angeschlagenen Beziehungen zu den USA. „Wir wollen in unsere Zusammenarbeit investieren, für einen transatlantischen Neuanfang, einen New Deal.“

Ganz einfach wird das aber nicht. Es gibt zwei Probleme: Biden wird die US-Politik gegenüber Deutschland wahrscheinlich weniger radikal ändern, als man sich das in Berlin wünscht. Und die Bundesregierung ist sich uneins, wo sie in den transatlantischen Beziehungen eigentlich hin will.

WAS SICH UNTER BIDEN ÄNDERN WIRD

Eines wird sich unter Biden in den deutsch-amerikanischen Beziehungen ganz sicher sofort ändern: der Umgang miteinander. Zuletzt gab es kaum noch Kommunikation auf höherer Ebene, vom geplanten US-Truppenabzug erfuhr die Bundesregierung aus den Medien, und Deutschland zählte international zu den Lieblingszielen von Trumps Twittertiraden.

„Der Tag, an dem Joe Biden zum Sieger erklärt wird, wird der Tag sein, an dem die Beziehungen beginnen werden, sich zu verbessern“, sagte der demokratische Ex-Kongressabgeordnete Michael Capuano bereits vor der Wahl. „Das bedeutet nicht, dass wir alle nur Händchen halten und uns lieben werden. Aber das heißt, dass wir zu normalen Standards von Debatten und Diskussionen und auch Auseinandersetzungen unter Freunden zurückkehren werden.“

Die zweite wesentliche Veränderung: Anders als der Nationalist Trump bekennt sich Biden zur internationalen Zusammenarbeit und den zugehörigen Institutionen - allen voran zu den Vereinten Nationen, für die Trump vor allem Verachtung übrig hat. Der erfahrene Außenpolitiker Biden - der Vizepräsident unter Trump-Vorgänger Barack Obama war und als Senator dem Auswärtigen Ausschuss vorsaß - verspricht unter anderem, den Rückzug der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und aus der Weltgesundheitsorganisation WHO zu revidieren. Während Trump mit einem Ausstieg aus der Nato drohte, will Biden das Bündnis stärken.

WAS SICH UNTER BIDEN NICHT ÄNDERN WIRD

Viele konkrete Streitpunkte zwischen Deutschland und den USA aus der Ära Trump werden aber auf dem Tisch bleiben.

- Nord Stream 2: Die Kritik an der Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland ist in den USA parteiübergreifend. Im Kongress haben sowohl Republikaner als auch Demokraten Sanktionen unterstützt, um das Projekt zu stoppen. Noch als US-Vizepräsident nannte Biden die Pipeline „einen fundamental schlechten Deal für Europa“.

- Verteidigungsausgaben: Die USA drängen Deutschland schon lange, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Das war schon vor Trump unter Präsident Obama und Vizepräsident Biden schon so und wird sich sicher jetzt auch nicht ändern. Die Bundesregierung hat bisher nur 1,5 Prozent bis 2024 zugesagt.

- US-Truppen: Das Biden-Team hat im Wahlkampf eine Überprüfung des von Trump angekündigten Abzugs von einem Drittel der in Deutschland stationierten Soldaten versprochen. Ganz rückgängig gemacht wird die Entscheidung aber wohl nicht. Nach einer Umfrage des Chicago Council on Global Affairs sind auch fast zwei Drittel der Demokraten dafür, die US-Truppenstärke in Deutschland wie von Trump angekündigt oder sogar noch weiter zu reduzieren.

WAS DIE BUNDESREGIERUNG WILL

In der Bundesregierung laufen schon lange Vorbereitungen auf den Tag X einer Amtsübergabe. Bundesaußenminister Maas warb Ende Oktober in einem Beitrag für die „Welt am Sonntag“ für eine diplomatische Offensive zur Wiederbelebung der Beziehungen zu den USA: „Nach vier schwierigen Jahren ist es Zeit für einen Neuanfang in der transatlantischen Partnerschaft. Denn die Profiteure unserer Differenzen sitzen in Peking und Moskau, aber auch in Teheran und Pjöngjang“, schrieb er.

Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) hat ihrerseits kurz vor der Wahl in einer Grundsatzrede ein Angebot zur Stärkung der transatlantischen Partnerschaft mit vier konkreten Punkten entworfen:

- Weitere Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben.

- Aushandlung eines Abkommens zwischen EU und USA zum Abbau aller Handelshemmnisse als Signal an den gemeinsamen Konkurrenten China.

- Entlastung der USA als Ordnungsmacht durch stärkeres militärisches Engagement Deutschlands in Europa und seiner Nachbarschaft.

- Bekenntnis zur deutschen Beteiligung an der atomaren Abschreckung gegenüber Russland.

Gerade die militärischen Komponenten dieses Vorschlags kommen bei der SPD nicht so gut an. Bundestagsfraktionschef Rolf Mützenich hat sich erst vor wenigen Monaten mit Unterstützung der Parteispitze für einen Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland ausgesprochen. Kurz nach der Wahl forderte er eine stärkere Abkoppelung Deutschlands von den USA. Das sorgte bei der Union für Empörung. Der für Außenpolitik zuständige Fraktionsvize Johann Wadephul nannte die Äußerung „unverantwortlich“, „abenteuerlich“ und „undurchdacht“.

Der Koalitionsstreit über die Zukunft der transatlantischen Beziehungen ist also schon da. Und die Bereitschaft in Union und SPD, sich in strittigen Fragen zu einigen, wird in den nächsten Monaten schwinden. Denn nach dem US-Wahlkampf steht der Bundestagswahlkampf in Deutschland vor der Tür. Da werde es „eine klare Auseinandersetzung zu dieser Frage geben: Wie stellen wir uns das transatlantische Verhältnis vor“, ist sich Wadephul sicher.

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