Senior knöpft Ehepaar fast 30.000 Euro ab

Selbsttäuschung oder Betrug? Der 65-Jährige wird vom Amtsgericht Backnang zu neun Monate Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.

Senior knöpft  Ehepaar fast 30.000 Euro ab

Der Fall ist vor dem Amtsgericht Backnang verhandelt worden. Archivfoto: Edgar Layher

Von Jutta Rieger-Ehrmann

Backnang. Hat der Angeklagte sich selbst und auch anderen etwas vorgemacht? Vermutlich beides. Das Urteil des Richters im Betrugsfall vor dem Backnanger Amtsgericht lautete: Neun Monate Haftstrafe mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren sowie der Wertersatzeinziehung und einer Geldstrafe von 2.500 Euro, zahlbar in Raten von 100 Euro. Der Angeklagte trägt zudem die Kosten des Verfahrens.

Dem 65-Jährigen, dessen Einspruch verhandelt worden ist, wurde vorgeworfen, in den letzten neun Jahren ein Ehepaar um insgesamt 28.500 Euro gebracht zu haben. Der Versicherungsberater hatte den beiden versprochen, ihr Geld, einmal 4.000, einmal 8.000 und einmal 15.000 Euro, gewinnbringend anzulegen. Die Beträge wurden teilweise bar übergeben, teilweise überwiesen. Es erfolgte jedoch weder eine Geldanlage noch die Rückgabe des Gelds.

Der Betrag von 1500 Euro war als Reservierungsprämie für zwei Autos gedacht, die der 65-Jährige, der selbst viele Jahre in einem Autohaus gearbeitet hatte, bei einem ihm bekannten Autoverkäufer für das Ehepaar zurückstellen ließ. Allerdings sei dieser dann plötzlich „über alle Berge“ gewesen und damit auch das Geld. Eine Quittung dafür habe er nicht.

In seiner ersten Vernehmung sagte er aus, er habe das Geld angelegt

Und wo blieben die anderen Gelder? Zu diesem Punkt gibt es mehrere Versionen des Angeklagten. In seiner ersten Vernehmung sagte er aus, er habe das Geld angelegt, in der zweiten, er habe es auf ein Sperrkonto einbezahlt und in seiner Einlassung in der Verhandlung sprach er davon, er habe das Geld in zwei Säckchen bei sich zu Hause und „noch woanders“, als „eiserne Reserve“ quasi. Das Geld könne jederzeit abgeholt oder abgerufen werden.

Die Geschädigte, die als Zeugin aussagte, erklärte jedoch, dass sie trotz mehrfacher Bitten das Geld nicht zurückbekommen habe. Sie seien „mit immer neuen Geschichten hingehalten worden“. Auch ihre Unterlagen habe der 65-Jährige nicht wieder herausgegeben. „Warum haben Sie das Geld dann heute nicht direkt mitgebracht, als Wiedergutmachung?“, fragte der Richter den Angeklagten. Er wollte mit dem Geld einfach nichts mehr zu tun haben, denn er möchte nicht mit Schwarzgeld in Verbindung gebracht werden, da die Geschädigte seiner Aussage nach vorhatte, das Geld schwarz als Anzahlung für eine Eigentumswohnung zu verwenden.

Überhaupt sei es ein chaotisches Hin und Her gewesen. Er werde nie mehr aus Freundschaft eine Beratung übernehmen, er habe darüber hinaus auch sonst sehr viel für das Ehepaar getan.

Recht unübersichtlich blieben indessen auch die detailreichen, stellenweise widersprüchlichen Schilderungen des Angeklagten. Bestätigt wurde aber, zum einen durch die Zeugenaussage einer mit dem Fall befassten Polizeibeamtin, zum anderen durch die Aussage eines Vertreters des Arbeitgebers des Versicherungsberaters, dass die finanzielle Situation des 65-Jährigen recht angespannt sei. Bei einer Hausdurchsuchung habe man Kontoauszüge sichergestellt, auf denen Lastschriftenrückgaben und Pfändungen zu sehen gewesen seien. Bei dem sogenannten Sperrkonto handele es sich um sein gesperrtes Provisionskonto. Gesperrt deshalb, weil man immer einen gewissen Prozentsatz für den Fall von Stornierungen einbehalte.

Einige Zehntausend Euro auf dem Konto

Ein zweiter Grund seien bei diesem Vorgang allerdings Ungereimtheiten im Zusammenhang mit den Verträgen des geschädigten Ehepaars gewesen. Gleichwohl befinden sich auf dem Konto einige Zehntausend Euro, die nach einer Vereinbarung zwischen dem Kontoinhaber und seinem Chef freigegeben und für die Entschädigung des Ehepaars verwendet werden könnten.

Im Bundeszentralregister hat der 65-jährige Familienvater und Großvater keine Einträge. Obwohl auch der Rechtsbeistand des Angeklagten erklärte, dass die Angelegenheit aufgrund, wie man neuerdings sage, seiner unterschiedlichen „Narrative an einigen Stellen den bösen Schein atme“, plädierte er auf Freispruch, verbunden mit einem „Denkzettel“, da eine Täuschungsabsicht und ein Schädigungswille aus seiner Sicht nicht eindeutig nachzuweisen seien.

Die Staatsanwältin sah dies anders. Die Vorwürfe des vierfachen Betrugs seien bestätigt worden. Das letzte Wort hatte der Angeklagte. Er fühle sich zwar schuldig, doch die Sache sei sehr kompliziert gewesen. So verurteilte der Richter den Angeklagten letztendlich nicht nur zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten und den weiteren Maßnahmen, sondern verband dies auch mit dem Appell, an der Schadenswiedergutmachung aktiv mitzuwirken.

In seiner Urteilsbegründung betonte der Richter, dass der 65-Jährige zum einen die Vorgänge nicht ordnungsgemäß dokumentiert habe, zum Beispiel in Form von Quittungen, und dass sein Verhalten doch recht auffällig gewesen sei. Man könne ja nicht in seinen Kopf hineinschauen, es sei aber nicht nachvollziehbar, warum er in der gesamten Zeit nichts getan habe, weder im Hinblick auf die Rückgabe des Bargelds noch auf die Freigabe seines Kontos, um das Geld zurückzuzahlen. Gegen das Urteil können Rechtsmittel eingelegt werden.