Sicherheit geht vor Schnelligkeit

Hauchdünne Mehrheit für ein zweijähriges 5-G-Moratorium beim Mobilfunkausbau – Mobilfunkvorsorgekonzept vertagt

Sicherheit geht vor Schnelligkeit

Die 5-G-Mobilfunktechnik stößt nicht bei allen auf Begeisterung. Archivfoto: A. Palmizi

Von Hans Pöschko

SCHORNDORF. Der Oberbürgermeister wählte, um es mit CDU-Fraktionschef Hermann Beutel zu sagen, „mal wieder eine relativ große Flughöhe“, um im Gemeinderat eine Mehrheit für den CDU-Antrag zu verhindern, wonach beim Mobilfunkausbau zunächst einmal ein zweijähriges Moratorium für die neue Mobilfunkgeneration 5G verhängt werden sollte. Matthias Klopfer verwies auf die 5-G-Offensive der Bundeskanzlerin, berief sich auf den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, der 5G ebenfalls voranbringen wolle, und gab zu bedenken, dass sich die Europäische Union sogar schon mit 6G befasse, während, so Beutels Interpretation dieses Plädoyers, sich in Schorndorf die Kommunalpolitiker dem Fortschritt entgegenstellten. Mit Erfolg, wenn man es denn so sehen will: Als es zum Schwur kam, hat sich der Gemeinderat mit 16:15 Stimmen denkbar knapp für ein zweijähriges Moratorium für den von Matthias Klopfer als „Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts“ bezeichneten 5-G-Mobilfunkstandard ausgesprochen, das bis Februar 2022 gelten soll.

„Sicherheit geht hier vor Schnelligkeit“, hieß es im CDU-Antrag, in dem darauf verwiesen wurde, dass 5G auch nach Einschätzung des Umweltministeriums bezüglich möglicher gesundheitlicher Risiken noch nicht genügend erforscht sei und dass auch in der Schweiz verschiedene Kantone die Zulassung von 5-G-Antennen verschoben hätten. Und weil Klopfer die Europäische Union ins Feld geführt hatte, erinnerte der CDU-Fraktionschef daran, dass es auch in Brüssel einen Streit über 5G gebe, weil dafür eine Änderung der bislang geltenden Grenzwerte nötig wäre. Außerdem, so der auch mit mangelnder Datensicherheit und unverhältnismäßig hohem Energieverbrauch argumentierende Beutel, verliere Schorndorf durch diesen Beschluss auch keine Zeit, weil der 5-G-Ausbau zunächst ohnehin vorrangig in den Ballungszentren vorgesehen sei. Für FDP/FW-Fraktionschef Gerhard Nickel bedeutet das im Umkehrschluss, dass es, wenn mit 5G vorläufig ohnehin nicht zu rechnen ist, auch kein Moratorium braucht. Ganz davon abgesehen, dass es gesicherte Erkenntnisse gebe, dass beim Mobilfunk das Schlimmste das sei, was sich innerhalb der eigenen vier Wände abspiele. Gegen den vor allem von der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen unterstützten CDU-Antrag sprach sich auch GLS-Stadtrat Werner Neher aus, der meinte, es sei nicht Aufgabe des Gemeinderats, die Diskussion über 5G zu führen.

In einem Punkt immerhin waren sich auch Matthias Klopfer und Hermann Beutel einig: „Jedes Funkloch ist eines zu viel.“ Die Schlussfolgerungen daraus sind freilich nicht nur bezüglich 5G völlig konträr, wie sich bei der Diskussion über das ebenfalls von der CDU- und der Grünen-Fraktion geforderte Mobilfunkvorsorgekonzept zeigte, dessen Wirksamkeit nach Einschätzung der Verwaltung keineswegs erwiesen ist, während Hermann Beutel und andere Befürworter der Meinung sind, dass gerade so ein Vorsorgekonzept geeignet sein könnte, Funklöcher zu identifizieren und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie sie wiederum mit möglichst geringen Auswirkungen auf die Gesundheit geschlossen werden könnten. „Wir wollen maximalen Empfang bei minimaler Strahlung“, meinte Beutel, der sich in diesem Fall zunächst einmal nicht durchsetzen konnte, weil die Entscheidung durch einen mit elf (gegen 19) Stimmen angenommenen Antrag auf 2. Lesung vertagt wurde – gebraucht hätte es nur sieben Stimmen. Dabei hatte es nach der Vorberatung im Technischen Ausschuss ganz so ausgesehen, als sei die Zustimmung zu einem Mobilfunkvorsorgekonzept nur noch Formsache, nachdem bei der Probeabstimmung außer dem Oberbürgermeister nur SPD-Stadtrat Marcel Kühnert gegen ein Vorsorgekonzept gestimmt hatte.

Die SPD-Fraktion war jetzt aber auch der Auslöser dafür, dass über ein Mobilfunkvorsorgekonzept nicht abschließend entschieden wurde. Allerdings zog SPD-Fraktionschef Thomas Berger den Antrag auf 2. Lesung, den er vor allem mit dem unbefriedigenden beziehungsweise einseitigen Informationsstand des Gemeinderats bezüglich der Wirksamkeit eines solchen Konzepts begründet hatte, nach längerer Diskussion wieder zurück, weil er den Eindruck gewonnen hatte, dass es im Gremium mehrheitlich keine Bereitschaft gebe, sich den Vorbehalten gegen ein Mobilfunkvorsorgekonzept anzuschließen. Was FDP/FW-Stadträtin Sabine Brennenstuhl „schade“ fand, weil sie sich – im Gegensatz zu ihrem Fraktionschef Nickel – dem SPD-Antrag gerne angeschlossen hätte. Also machte Sabine Brennenstuhl den SPD-Antrag auf 2. Lesung kurzerhand zu ihrem eigenen. Weil sie der Meinung war, dass der Gemeinderat ohnehin nur ordnungspolitisch unterwegs sei, dass er aber keine Gesundheitspolitik in Form einer Verhinderungspolitik machen könne.