Sicherheitsbranche: Vorschriften verschärfen die Krise

Von Von Roland Losch, dpa

dpa München/Berlin. Wenn die Security am Flughafen nicht gebraucht wird, kann sie jetzt doch einfach im Supermarkt oder Flüchtlingsheim arbeiten? Weit gefehlt. Wenn die Politik nicht rasch ein paar Vorschriften lockert, wird es eng, warnt die Branche.

Sicherheitsbranche: Vorschriften verschärfen die Krise

Ein Mitarbeiter läuft vor den menschenleeren Stuhlreihen im Sicherheitsbereich des geschlossenen Allgäu-Airports. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Keine Passagierkontrollen an den Flughäfen, keine Fußballspiele, weniger Geldtransporte: Den deutschen Sicherheitsdienstleistern brechen gerade ganze Geschäftszweige weg - und zugleich fehlt Personal an anderer Stelle. Laut Branchenverband BDSW ist jeder dritte Mitarbeiter krank gemeldet.

Aber Vorschriften machten es schwer, die Beschäftigten flexibel einzusetzen. Marktführer Securitas hat jetzt einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und alle Ministerpräsidenten geschrieben und Abhilfe gefordert.

Wer die vielen Ordner vor Supermärkten, Drogeriefilialen oder Krankenhäusern sieht, könnte meinen, die Sicherheitswirtschaft gehört eher zu den Gewinnern der Krise. Mit 267.000 Beschäftigten machte sie vergangenes Jahr 9,3 Milliarden Euro Umsatz. Allerdings erwirtschaftet sie gerade mal 4 Prozent der Umsätze im Einzelhandel - aber 50 Prozent im Objektschutz, 11 Prozent an Flughäfen und 7 Prozent mit Geldtransporten.

„Am dramatischsten ist die Lage bei der Luftsicherheit“, sagt Securitas-Sprecher Bernd Weiler. Wo nicht mehr geflogen wird, müssen auch keine Passagiere und Beschäftigten kontrolliert werden. „Wir sprechen mit den Betriebsräten jetzt über Kurzarbeit. Wie es danach weitergeht, hängt von der Dauer dieser Krise ab.“

„Wir bekommen mehr Aufträge vom Lebensmittelhandel. Aber den Einbruch des hochwertigen Aviation-Geschäfts kann das nicht ausgleichen. Das lindert nur den Schmerz“, sagt Ernst Steuger, Geschäftsführer der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft, die zu den Top Ten der Branche zählt. „Die ersten Lebensmittel-Unternehmen fahren das auch schon wieder zurück, weil sie sagen, es ist zu teuer oder auch gar nicht notwendig.“ Und dann gibt es noch ein Problem: „Wir versuchen Mitarbeiter anderswo einzusetzen, aber wir sind da blockiert, weil wir nicht umschulen können“, sagt Steuger.

Luftsicherheitsassistenten sind zwar hoch qualifiziert, von Verfassungsschutz und Bundespolizei überprüft. „Aber wir dürfen sie nicht zum Beispiel in einem Flüchtlingsheim oder anderem Objekt einsetzen“, sagt Weiler. „Denn die Gewerbeordnung Paragraph 34 a schreibt vor, dass sie bei der IHK eine Sachkunde-Unterweisung oder -Prüfung absolviert haben. Und in vielen IHKs gibt es jetzt keine Lehrgänge und keine Prüfungen.“

Von Bund und Ländern fordert die Securitas nun rasch eine Übergangslösung. Damit die Mitarbeiter trotz Kontaktsperren an ihre Einsatzorte gehen können und ihre Kinder in die Kita-Notbetreung dürfen, müsse die Politik die Branche als systemrelevant anerkennen.

Existenzbedrohend sei die Lage auch bei den Geld- und Wertransporten, sagt BDSW-Sprecherin Silke Zöller. Einzelhandel und Gasthäuser sind geschlossen. „Viele Kunden in Supermärkten und Drogeriemärkten zahlen jetzt kontaktlos mit Karte. Die Anbieter von elektronischen Bezahlverfahren haben schnell ihre Chance gewittert und bieten dem Handel jetzt beispielsweise Flatrates für Kartenzahlungen an.“ Zudem sei das Limit für Zahlungen ohne Pin-Eingabe erhöht worden.

Marktführer bei Geldtransporten ist die Firma Prosegur - 4000 Mitarbeiter befüllen Geldautomaten, liefern Wechselgeld und holen die Tageseinnahmen ab. Zu Beginn der Krise sei die Nachfrage nach Bargeld stark gestiegen. Aber jetzt „beobachten wir natürlich einen Rückgang des Services im Handelsbereich“, sagt Geschäftsführer Jochen Werne. Noch reichen Überstundenabbau und Kurzarbeit. „Unser absolutes Ziel ist es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.“

Die Security bei Konzerten, Hauptversammlungen, Messen oder Fußballspielen wird im Augenblick nicht gebraucht. „Zum Beispiel machen wir alle Heimspiele von Schalke und Bayer Leverkusen, das fällt jetzt alles komplett weg“, sagt Weiler. „Auch Museen haben geschlossen. Und wenn ganze Verwaltungen ins Homeoffice umgezogen sind, braucht man am Firmensitz auch am Empfang jetzt weniger Leute.“

Ob Mitarbeiter anderswo eingesetzt werden könnten, „ist auch regional ganz verschieden“, sagt Zöller. „Da ist zum Beispiel ein Sicherheitsunternehmen, das bräuchte Leute für zehn Filialen einer Supermarktkette vor Ort, findet sie aber nicht.“ Der Krankenstand in der Branche liege sonst im Durchschnitt bei 6, jetzt bei 30 Prozent. Auch wenn die meisten nur vorsichtig seien und niemanden infizieren wollten: „Die Krankschreibung für 14 Tage einfach per Anruf beim Arzt trägt zweifellos dazu bei.“