Mogelpackungen bei Aldi, Penny und Co.

So vertuschen Hersteller höhere Preise

Verbraucher aufgepasst: Supermärkte und Discounter tricksen mit versteckten Preiserhöhungen. Darauf sollte man beim Einkauf achten.

So vertuschen Hersteller höhere Preise

Um beim Einkauf zu sparen, reicht es nicht aus, nur aufs Preisschild zu schauen.

Von Imelda Flaig

Vieles ist teurer geworden, ob Sprit oder Lebensmittel, die Inflationsrate ist mit zuletzt 7,5 Prozent weiter hoch. Doch nicht immer sind die Teuerungen für Verbraucher ersichtlich. Den Preis vieler Lieblingsprodukte kennen sie, die genaue Füllmenge aber nicht. Viele Hersteller und Händler greifen zu Tricks, indem sie versteckt die Preise erhöhen nach dem Prinzip: weniger Inhalt, gleicher Preis.

„Dafür gibt es den Begriff Shrinkflation“, sagt Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf, wenn Hersteller die Füllmenge schrumpften (Englisch „shrink“) und so indirekt die Preise erhöhten (inflationieren). Dieses Phänomen werde weiter zunehmen, ist er sich angesichts steigender Herstellungskosten aufgrund höherer Rohstoff- und Energiepreise sicher. Das sei kein kurzfristiges Thema, sondern werde die Branche Monate oder gar Jahre beschäftigen.

„Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“

„Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht“, sagt auch Armin Valet, Experte für Lebensmittel der Verbraucherzentrale Hamburg. Vor allem mit Blick auf steigende Energiekosten rechnet er Ende des Jahres und Anfang 2023 mit weiteren versteckten Preiserhöhungen. Weil die alten Verpackungen aufgebraucht und neue Etiketten gedruckt werden müssten, brauche das einen gewissen Vorlauf.

Bei dem Verbraucherschützer sind in den vergangenen Wochen verstärkt Beschwerden zu versteckten Preiserhöhungen eingegangen. Waren bislang vor allem Markenartikel betroffen, sind es nun immer öfter auch die günstigen No-Name-Produkte des Handels und damit auch die Eigenmarken der Discounter. Im ersten Halbjahr waren 25 Prozent der bei der Verbraucherzentrale Hamburg gemeldeten Fälle Handelsmarken, zuvor waren es 14 Prozent. Zugenommen hätten auch die doppelten Preiserhöhungen, wenn die Füllmenge reduziert werde und der Handel noch zusätzlich den Preis erhöhe. Bislang waren das weniger als 20 Prozent der Fälle, jetzt seien es 38 Prozent. „Der Druck ist wohl so groß, dass eine versteckte Preiserhöhung allein nicht ausreicht“, sagt Valet.

Versteckte Preiserhöhungen bei Aldi, Penny & Co

Die Verbraucherzentrale Hamburg führt seit Jahren eine Liste mit den dreistesten Mogelpackungen. Der Großteil der Preiserhöhungen liege derzeit zwischen elf und 33 Prozent, wobei die Teuerungen auch deutlich höher seien, so Valet. Einige Beispiele: Der Discounter Aldi reduzierte den Inhalt des „Jack’s Farm Lammsteaks gesalzen“ von 400 auf 300 Gramm. Der Preis von 6,99 Euro blieb jedoch gleich. Das entspricht einer versteckten Preiserhöhung von 33,3 Prozent. Aldi begründete die veränderte Füllmenge und den höheren Preis mit der „aktuellen Verknappung der Ware“ sowie gestiegenen Kosten.

Rund 35 Prozent beträgt die Teuerung bei der „Naturgut Steinofen-Pizza mit Mozzarella, Spinat & Feta“ vom Discounter Penny. Die Pizza schrumpfte von 460 auf 410 Gramm, wobei der Preis von 2,49 Euro auf 2,99 Euro stieg. Der Mutterkonzern Rewe Group erklärte unter anderem, dass man bei der Penny-Pizza „zugunsten von Qualität und Geschmack auf einen neuen Lieferanten umgestellt“ habe und führte zudem stark gestiegene Rohstoffpreise an.

Teurer wurde auch „Olivano’s Linsen-Bulgur-Salat Pikant“ von der Edeka-Discounttochter Netto. Die Füllmenge wurde zunächst von 250 auf 200 Gramm reduziert. Wenig später stieg dann der Preis von 0,89 Euro auf 0,99 Euro. Das entspricht einer Preiserhöhung von 39 Prozent.

„Win-win-Situation für Hersteller und Händler“

Auch Markenartikler drehen an der Preisschraube. Der Inhalt eines Bechers Rama von Upfield ist von 500 auf 400 Gramm geschrumpft, der Preis des Streichfetts blieb bei vielen Händlern mit 2,19 Euro konstant, was einer verdeckten Preiserhöhung von 25 Prozent entspricht. Wie alle Hersteller begründet auch Upfield dies mit „dramatischen Kostensteigerungen“ in der gesamten Lieferkette, einschließlich der Rohstoffe. Beispiele wie diese gibt es zuhauf. Unterm Strich bekommen Verbraucher weniger fürs Geld – egal ob bei Ültje Erdnüssen, Haribo Goldbären oder Dr. Oetker Original Pudding Vanille-Geschmack, der statt vier Päckchen zu je 37 Gramm (bisheriger Preis 0,89 Euro) nur noch drei Päckchen zu je 37 Gramm (für 0,99 Euro) enthält, was einer Preiserhöhung um 48,3 Prozent entspricht.

Besonders häufig komme die Schrumpfung der Packungen bei Genussartikeln vor, seltener bei Grundnahrungsmitteln, sagt Valet. „Die Preiserhöhung soll ja versteckt werden. Bei Milch und Butter wissen die Menschen aber, wie viel in einer Packung drin ist.“ Von den Tricksereien profitierten Hersteller und Händler gleichermaßen, sagt Valet und spricht von einer Win-win-Situation. Die Hersteller sparten Kosten und verbesserten die Marge, weil sie die Füllmenge reduzierten, der Handel, der eine große Marktmacht habe und meist am längeren Hebel sitze, wolle seine Schwellenpreise beispielsweise von 1,99 Euro oder 2,99 Euro halten. „Die Verbraucher zahlen letztlich die Zeche“, sagt der Verbraucherschützer.

Der Handel habe Angst, bestimmte Preisschwellen zu überschreiten, sagt auch Experte Fassnacht. „Die deutschen Verbraucher sind sehr preissensibel. Sie reagieren sensibler auf Preiserhöhungen als auf Mengenreduzierungen“, so seine Einschätzung. Der deutsche Handel wolle nicht als teuer wahrgenommen werden, das hänge auch mit der enormen Wettbewerbsintensität in der Branche zusammen.

„Es geht um Fairness und Vertrauen“

Um das Verbrauchervertrauen nicht zu verspielen, rät Fassnacht Herstellern und Händlern – also bei deren Eigenmarken –, durch kleinere Verpackungen deutlich zu machen, dass weniger drin sei. Weniger Inhalt bei gleicher Verpackung – das funktioniere mittelfristig nicht. „Es geht um Fairness und Vertrauen“, sagt er. „Verbraucher sind realistisch genug, dass die Kosten steigen, sie spüren das ja überall im Alltag, ob beim Tanken oder im Restaurant.“

Tricks mit Luft und Übergrößen

Mogelpackung Um mehr Inhalt vorzugaukeln, umgeben Lebensmittelhersteller ihre Produkte oftmals mit unverhältnismäßig viel Luft, operieren mit doppelten Böden, großen Deckeln oder überdimensionierten Verpackungen. Laut Mess- und Eichgesetz sind solche Täuschungsmanöver verboten. Doch im Gesetz fehlen konkrete Bestimmungen, ab wann eine Mogelpackung vorliegt. Lediglich ein Anhaltswert einer Verwaltungsrichtlinie gibt vor, dass nicht mehr als 30 Prozent Luft in der Packung sein sollten. Die Chipstüte lässt grüßen. Auch ist nicht jede übergroße Verpackung verboten.

Schrumpfprinzip Oft reduzieren Hersteller die Füllmenge, statt 100 Gramm Schokolade nur 90 Gramm oder eben weniger Kekse oder Teebeutel, der Preis bleibt aber gleich, was eine versteckte Preiserhöhung bedeutet. Oder sie argumentieren mit einer veränderten Rezeptur.

Mehr-drin-Trick XXL-Packungen oder eine größere Füllmenge suggerieren Verbrauchern ein Schnäppchen. Dabei übersehen sie oft, dass der Preis überproportional gestiegen ist. Die Schokoriegel beispielsweise sind mitunter zehn Gramm leichter als üblich. Dreist ging laut Verbraucherzentrale Hamburg Lidl vor: Bei einer Aktion verkaufte der Discounter die „XXL-Packung Floralys Toilettenpapier“. Zwar blieb die Anzahl der Blätter pro Klopapierrolle mit 200 Stück unverändert, doch die Größe der einzelnen Blätter schrumpfte im Vergleich zur Normalpackung deutlich. Verbraucher hatten laut Verbraucherzentrale drei Meter weniger Papier pro Rolle. Bei der XXL-Packung handele es sich um eine einmalige spezielle Großpackung. Eine versteckte Preiserhöhung gehe damit im Vergleich zu einer Standardpackung nicht einher, argumentierte Lidl.