Sorge und Wut über rechtsextreme Umtriebe

Nach der Razzia in Sachsenweiler demonstriert das Bündnis „Zusammen gegen Rechts“ auf dem Backnanger Marktplatz und vor Ort.

Sorge und Wut über rechtsextreme Umtriebe

Kundgebung in Sachsenweiler: rund 30 Demonstranten, aber kaum Zaungäste. Foto: J. Fiedler

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Etwa 50 Menschen haben den Aufruf des Bündnisses „Zusammen gegen Rechts Rems-Murr“ zum Anlass genommen, am Samstag auf dem Backnanger Marktplatz gegen rechtsextreme Umtriebe eindeutige Position zu beziehen. Auslöser waren die 19 Hausdurchsuchungen in Baden-Württemberg und Bayern, bei denen zahlreiche Waffen und Kriegsgerät gefunden wurden (wir berichteten). Vor allem der Fund in Sachsenweiler mobilisierte zahlreiche Demonstranten. Der Initiator der Kundgebung, Tim Neumann, war mit der mäßigen Resonanz trotzdem zufrieden und erklärte: „Aufgrund der pandemischen Lage stehen bei vielen Bürgern andere Themen als die Arbeit gegen Rechts im Vordergrund.“ Er erinnerte aber auch daran, dass das Bündnis vor zwei Jahren immerhin 250 Menschen mobilisieren konnte.

Die Teilnehmer setzten sich aus verschiedenen antifaschistischen Gruppen und Initiativen, von den Gewerkschaften und dem DGB und von der Linkspartei und der Linksjugend sowie einzelnen Grünen zusammen. Nachdem in diesem Jahr schon mehrere rechte Umtriebe im Landkreis aufgedeckt wurden, sorgte sich Neumann, dass das Backnanger Hinterland „als Rückzugsort für Rechte genutzt wird“. Die Teilnehmer lud er ein, nach der Kundgebung nach Sachsenweiler vor das Haus des Beschuldigten zu ziehen. Und er rief ihnen zu: „Wir lassen uns nicht einschüchtern. Wir gehen weiter gegen Faschismus auf die Straße.“

Daria Stümke von der Linksjugend erklärte in ihrer Ansprache, sie verspüre nicht nur Sorge über die rechtsextreme Gefahr hier vor Ort, sondern auch Wut darüber, dass all die Nachrichten zu diesem Thema „fast schon Teil unserer Normalität geworden sind“. Den Rems-Murr-Kreis nannte sie „eine Hochburg für rassistisches Gedankengut“. Rechte Tendenzen in der Bevölkerung hätten ein „gefährliches Ausmaß angenommen“ und würden trotzdem immer wieder heruntergespielt. Sie erinnerte an die „Gruppe S“, die im Februar nach ihrer Gründung im Raum Alfdorf aufgedeckt wurde. Bei Hausdurchsuchungen wurden damals Sprengstoff, Tränengas und Munition gefunden. Laut Stümke hatte die Gruppe Angriffe auf Politiker, Migranten und Antifaschisten vor.

Ein Sprecher des offenen antifaschistischen Treffens Waiblingen kritisierte ebenfalls in einer gemeinsamen Erklärung: „Es ist nicht normal, Lkw-Ladungen voller Waffen und Wehrmachtsuniformen zu horten und mit diesen einen herbeigesehnten Bürgerkrieg zu trainieren. Und es ist genauso wenig normal, dass man bei solch einem Fund die Vorfälle kleinredet und als Filmemacherei verharmlost. Wir alle sind dafür verantwortlich, dass dies auch nicht zur Normalität wird.“

Die Entwicklung von bedenklichen Einstellungen hin zur Normalität geißelte auch Kai Schmidt. Dabei spann er den Bogen von Paraden mit Panzern über die Forderung nach mehr öffentlichen Paraden und Vereidigungen, rechten Umtrieben bei der Bundeswehr oder die Heroisierung des Militärs bis hin zu Wehrsportgruppen. Schmidts Fazit: „Menschen, die sich in Wäldern treffen und geheime Schießübungen in SS-Uniform abhalten, sind ganz bestimmt keine einfachen Rollenspieler, sondern Menschen, die sich von der voranschreitenden Militarisierung und dem ehemaligen Heldenbild der NS-Zeit beeinflussen lassen, um Kriegsfantasien vorzubereiten und auszuleben.“

Der Backnanger Max Schlühmann hob besonders darauf ab, dass „Wehrmachtfans“ in Backnang zwei Vertreter im Gemeinderat sitzen hätten. Schlühmann erklärte auf dem Marktplatz: „Die AfD in Backnang steht am äußersten rechten Rand der rechten Partei.“ Die Partei würde zudem den gesamten Diskurs immer weiter nach rechts verschieben. Die Hoffnung vieler, der AfD durch Anpassung zu schaden, habe sich nicht erfüllt. Schlühmann: „Die Grenze des Sagbaren wird immer weiter verschoben. Im Kontext damit auch die Grenze des Wagbaren.“

Nach einer guten Stunde machte sich die Versammlung auf nach Sachsenweiler, wo die Kundgebung fortgesetzt wurde. Etwa 30 Mitstreiter machten sich auf den Weg und zogen kurz nach 12 Uhr mit Sprechchören vor das Haus des Beschuldigten. Dabei skandierten sie Parolen wie „Ob auf der Straße oder im Betrieb – Nazis bekämpfen, jetzt oder nie!“ oder „Staat und Nazis Hand in Hand – organisiert den Widerstand!“. Nach einer weiteren kurzen Ansprache von Tim Neumann, bei der er die Forderungen nochmals wiederholte, sollte der Abschluss der Kundgebung der optische Höhepunkt werden. Dazu hatten die Demonstranten Pappschilder mitgebracht, jedes mit einem großen Buchstaben versehen. Die Aufstellung in der richtigen Reihenfolge war zwar eine schwere Geburt, dann aber konnte man lesen: „Rechter Terror hat System!“ Besser gesagt, man hätte lesen können. Denn das Interesse bei der Nachbarschaft hielt sich in engen Grenzen. Nicht einmal eine Handvoll Zaungäste konnte beobachtet werden. Der Presse gegenüber wollte niemand Stellung beziehen. Und so war die Veranstaltung nach wenigen Minuten schon wieder Geschichte.

Die Polizei hatte sich in der Innenstadt stets im Hintergrund gehalten und hatte auch in Sachsenweiler einen ruhigen Mittag. Gegenproteste gab es keine. Am betreffenden Haus waren alle Rollläden heruntergelassen.