Pflegemisere

Soziale Gerechtigkeit – hier findet der eigentliche Kulturkampf statt

Kommentar: Solidarität oder Egoismus Die Situation der Pflege ist eine tickende gesellschaftliche Zeitbombe, sagt unser Berliner Korrespondent Norbert Wallet.

Von Norbert Wallet

Berlin - Und wieder mal macht eine Meldung die Misere der Pflege in Deutschland überdeutlich. Diesmal geht es um die extrem steigenden Pflegekosten für Heimbewohner, die längst schon unzumutbare Höhen erreicht haben und noch immer weiter nach oben gehen. Aber das ist ja nur ein – wenn auch besonders bedrückender – Aspekt der Pflegesituation. Es ist so vieles hinzudenken: Dass weit über 80 Prozent der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege betreut werden und deren Angehörige, die die Last oft ganz alleine tragen, unter riesigem Druck stehen. Dass die Zahl der Pflegebedürftigen von fünf Millionen im Jahre 2021 auf rund 6,8 Millionen im Jahre 2055 ansteigen wird. Dass es beim Pflegepersonal eine Lücke gibt, die je nach Modell auf bis zu 690 000 Fachkräfte anwachsen wird.

Es stimmt hinten und vorne nicht mehr. Aber die Politik handelt, als sei diese Notlage irgendein Alltagsproblem, das mit üblichen Routinen behandelt werden kann. Dabei ist die Pflegemisere eine tickende gesellschaftliche Zeitbombe. Der wahre Kulturkampf, den auszutragen wir gar nicht vermeiden können, wird nicht über Gendersternchen oder Ernährungsgewohnheiten geführt. Er wird entlang einer klaren Konfliktlinie ausgefochten werden müssen: Solidarität oder Egoismus? Sind die großen Lebensrisiken von der Solidargemeinschaft abzusichern oder muss der Einzelne das Risiko tragen? Schützt der Staat die Schwachen oder sichert er den Freiraum für die Starken ab?

Berlin - Die steigenden Pflegekosten für Heimbewohner haben längst unzumutbare Höhen erreicht und gehen weiter nach oben. Aber das ist nur ein Aspekt der Pflegesituation. Man muss hinzudenken, dass weit über 80 Prozent der Pflegebedürftigen in häuslicher Pflege betreut werden und deren Angehörige, die die Last oft alleine tragen, unter gewaltigem Druck stehen. Dass die Zahl der Pflegebedürftigen von 5 Millionen im Jahre 2021 auf rund 6,8 Millionen im Jahre 2055 ansteigen wird. Dass es beim Pflegepersonal eine Lücke gibt, die auf bis zu 690 000 Fachkräfte anwachsen wird. Aber die Politik handelt, als sei das irgendein Alltagsproblem, das mit den üblichen Routinen behandelt werden kann. Dazu zählen die gestaffelten Zuschüsse, die von der Ampel eingeführt wurden, deren Wirkung aber wegen der rasanten Verteuerungen verpufft. Dazu gehört das Darlehen, das die neue Regierung der Pflegeversicherung gewährt und dazu gehört auch die Kommission, die von Ministerin Warken eingerichtet wurde.

Die Pflegemisere ist eine gesellschaftliche Zeitbombe. Der wahre Kulturkampf, den auszutragen wir nicht vermeiden können, wird nicht über Gendersternchen oder Ernährungstrends geführt, sondern entlang einer Konfliktlinie: Solidarität oder Egoismus? Sind die Lebensrisiken von der Solidargemeinschaft abzusichern oder muss der Einzelne das Risiko tragen? Schützt der Staat die Schwachen oder sichert er den Freiraum für die Starken ab?