SPD-Chefs relativieren ihr 30-Prozent-Ziel

dpa Berlin. Wohl im Überschwang der Freude nach ihrer Wahl hatten die neuen SPD-Vorsitzenden angekündigt, die Zustimmungswerte ihrer Partei innerhalb eines Jahres zu verdoppeln. Nun wollen sie davon so konkret nichts mehr wissen.

SPD-Chefs relativieren ihr 30-Prozent-Ziel

Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans wollen ihre Partei aus dem Umfragetief führen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Die SPD-Vorsitzenden Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken haben ihre Äußerung relativiert, die SPD innerhalb eines Jahres wieder auf mindestens 30 Prozent Zustimmungswerte bringen zu können.

„Niemand von uns hat gesagt, dass wir 30 Prozent schon bei der nächsten Bundestagswahl holen“, sagte Walter-Borjans den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Erst einmal geht es darum, wieder eine Mehrheit anführen zu können.“

Daran ist allerdings nur der zeitliche Bezug zur Bundestagswahl formal richtig. Tatsächlich hatten sie in einem Doppelinterview der Parteizeitung „Vorwärts“ Anfang Dezember das Ziel bereits weit vor dem regulären Wahltermin 2021 erreichen wollen. Auf die Frage „Was sind denn die Ziele, die Sie bis Ende 2020 erreichen wollen?“ hatte Esken vor einem Monat noch geantwortet: „Zustimmungswerte für die SPD von 30 Prozent und vielleicht mehr.“

Tatsächlich ist die SPD in den Umfragen unter der neuen Führung bisher nicht aus dem Keller gekommen und rangiert weiter bei 13 bis 15 Prozent.

Im aktuellen Interview sagte Esken nun: „Wir wollen kein Strohfeuer erzeugen. Lieber stetig und Schritt für Schritt mit klarem Kurs Vertrauen zurückgewinnen!“ Walter-Borjans sagte: „Diese Zahl haben wir ja nicht aus der Luft gegriffen. Umfragen zeigen, dass über 30 Prozent der Bürger sozialdemokratische Werte teilen. Das muss wieder glaubhaft mit der SPD verbunden werden. So etwas geht nicht auf einen Schlag.“

Auch in einem anderen Punkt erinnerte er sich allerdings nicht ganz richtig. Er äußerte Verständnis für die Entscheidung der Hamburger Sozialdemokraten, den Wahlkampf zur Bürgerschaftswahl im Februar ohne die neuen Parteichefs zu führen, und sagte: „Das ist überhaupt nicht ungewöhnlich. Das war auch 2015 und 2011 so, als Sigmar Gabriel Parteichef war.“ Er nahm damit wohl Bezug auf Hamburgs SPD-Bürgermeister Peter Tschentscher, der sich in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur ähnlich geäußert hatte. Tatsächlich war Gabriel aber sowohl 2011 als auch 2015 bei den Wahlkampf-Abschlüssen der Hamburger SPD aufgetreten.

Walter-Borjans erklärte, Tschentscher stelle landespolitische Themen in den Mittelpunkt, „und das ist auch richtig so“. Die Hamburger SPD sei immer sehr eigenständig gewesen. Auf die Nachfrage, ob er sich nicht ausgeladen fühle, antwortete er: „Überhaupt nicht. Wir stehen miteinander in Kontakt.“ Ziel sei, dass die SPD stärkste Kraft werde und Tschentscher seine Arbeit als Bürgermeister fortsetzen könne.

Der Sieger des Rennens um den Parteivorsitz machte auch deutlich, dass er sich von seinem damaligen Konkurrenten, Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD), unterstützt fühlt. „Wir haben doch Beschlüsse gemeinsam verfasst, etwa zur Vermögenssteuer“, sagte Walter-Borjans. „Für uns ist klar, dass wir auch auf die Unterstützer von Olaf Scholz, auf die Skeptiker, zugehen. Diese Partei wird ihre Stärke nur wiedergewinnen, wenn wir geschlossen handeln.“