Spielerisches Miteinander auf Distanz

Um Brücken in Zeiten des Lockdowns zu schlagen und musikalische Anregungen zu geben, richtet der Blasmusikverband Rems-Murr im März für seine Mitgliedsvereine eine Challenge aus. Die Mitstreiter freuen sich über das Angebot, aktiv zu werden.

Spielerisches Miteinander auf Distanz

Den Mitgliedern der Trachtenkapelle Bürgerverein Ebersberg aus Auenwald hat es sichtlich Spaß gemacht, sich und den Vereinsnamen kreativ zu präsentieren. Foto: privat

Von Anja La Roche und

Christine Schick

MURRHARDT. Der Blasmusikverband Rems-Murr hat 50 Mitgliedsvereine und vermutlich stehen alle vor demselben Problem. „Nach fast einem halben Jahr Lockdown ist bei vielen die Luft raus, gleichzeitig möchte man eigentlich nicht mehr vor dem Computer sitzen“, sagt Florian Ladenburger, der im Vorstand des Blasmusikverbands engagiert ist. „Wir hoffen auf eine allmähliche Öffnung, warten sehnsüchtig darauf, als Musiker wieder gemeinsam spielen zu können.“ Was also tun in dieser Zwischenzeit? Um die Vereine zu unterstützen, zu motivieren und ihnen Anregungen zu geben, auch langsam wieder in Richtung Proben – wenn auch noch getrennt – Schritte zu machen, hat sich ein Team zusammengesetzt und eine Challenge entwickelt: „Fit für den Probenstart nach Corona“. Die Aufgaben des Wettbewerbs sollen Anlass bieten, innerhalb der Vereine Kontakt aufzunehmen und etwas gemeinsam zu gestalten, gleichsam die Vereine füreinander und damit letztlich auch gegenseitig im Sinne des Verbands sichtbar werden zu lassen.

„Es geht da nicht um einen harten Wettkampf“, erklärt Florian Ladenburger. Die Aufgaben sind so gestaltet, dass auch die jüngeren Musiker problemlos teilnehmen können. „Es war uns besonders wichtig, die Jugend einzubinden.“ Den Erfolgreichsten (erste drei Plätze) winken zur Belohnung Notengutscheine. Die Challenge geht über den gesamten März und teilt sich in vier wöchentliche Aufgaben und eine, für die der komplette Monat Zeit ist. Nicht umsonst, denn bei Letzterer sollen die Musiker sich – wenn auch virtuell – wieder im Verbund präsentieren.

Sie haben die Noten zu den beiden Stücken „Im Märzen der Bauer“ und „Es tönen die Lieder“ erhalten und nun heißt es, die Stimmen einzeln einzuspielen, zu einem klangvollen Gesamtwerk zusammenzufügen und dem Verband zukommen zu lassen. In Bezug auf Montage und Gestaltung soll den Vereinen so viel Freiheit wie möglich gelassen werden, gleichzeitig will man die technischen Hürden auch nicht zu hoch setzen. Insofern zählt einfach das Engagement: Je mehr Mitglieder mitspielen, desto mehr Punkte, was prozentual gemessen wird, damit kleine Vereine die gleichen Chancen haben. Bei den Wochenaufgaben geht es auf einer zweiten Ebene spielerisch zu, um das Miteinander zu stärken.

Aufgaben mit viel Spielraum und ohne zu große technische Hürden.

Beispielsweise waren die Vereine aufgerufen, ihren Namen bildlich darzustellen, coronakonform, versteht sich, oder bei einem virtuellen Treffen ein Quiz mit Fragen aus Theorie und Praxis rund um die Blasmusik zu beackern. Wo sitzt der Fehler in der Tonleiter, welches Stück wird hier einfach nur rückwärts gespielt und wer erkennt das Bild eines modernen Komponisten, der sonst immer nur mit seinem Namen im Notenheft auftaucht? Florian Ladenburger freut sich über die Resonanz und Rückmeldungen. Von den 50 Mitgliedsvereinen sind 27 bei der Challenge dabei. Er berichtet begeistert von den vielen Fotos und Collagen, die bei ihm via Dropbox eingetroffen sind und in denen die Musiker den Vereinsnamen mit pfiffigen Ideen Stück für Stück zusammengesetzt haben. Er hofft, dass die Aktion ein kleines Licht auf die Amateurmusik richten kann.

Kevin Perri, der die Jugendleitung bei der Stadtkapelle Murrhardt innehat, hält die Challenge für eine sehr gute Idee und sie hilft ihm, seine Kids zu motivieren. Nach langer Zeit habe es so beispielsweise durch das Quiz Gelegenheit gegeben, sich in größerer Runde via Skype zu treffen und zusammen an den Lösungen zu knobeln. Auch die Vereinsdarstellung in Einzelbuchstaben hat für die jungen Musiker prima funktioniert. Neben klassischem Stift und Papier kamen auch die eigenen Instrumente und die Musiker selbst zum Einsatz. Zwar haben Andrea und Stefan Eitel früh alles daran gesetzt, damit der Unterricht in der vereinseigenen Musikschule der Stadtkapelle online weiterläuft, und alle Dozenten haben mitgezogen, aber trotzdem sei es nicht immer einfach, für alle die Motivation ganz selbstverständlich aufrechtzuerhalten, erzählt er. Die Kontakte im Blasorchester seien sehr zurückgegangen, „die regelmäßigen Proben fehlen für die Gemeinschaft“. Die lasse sich nicht ersetzen, trotzdem bietet die Challenge Anlass, wieder aneinander anzuknüpfen. Während die Jüngeren sich den Wochenaufgaben widmen, nimmt sich der komplette Verein die Monatsaufgabe vor. Damit das Stück im Zusammenschnitt harmoniert, hat Perri schon einige Vorbereitungen getroffen, und hofft, dass auch fleißig geübt wird.

„Was uns bisher an den Aufgaben gefällt, ist, dass sie etwas Spielraum zur Umsetzung lassen und somit die Kreativität anregen“, berichtet Mathias Frisch, Vorsitzender des Musikvereins 1880 Sulzbach an der Murr. Auf regen Ideenaustausch folgte die Umsetzung – Darstellung des Vereinsnamens – als kleine coronagerechte Performance und Videoaufnahme. Auch beim Quiz seien die Vereinsmitglieder Feuer und Flamme gewesen. Die Monatsaufgabe soll ebenso als Clip und Zusammenschnitt der Einzelstimmen gestaltet werden. „Wir haben hier schon etwas Erfahrung, da wir beim ersten Lockdown und zur Weihnachtszeit bereits in Eigenregie in dieser Weise Lieder aufgenommen haben.“ Die Challenge ist für ihn eine gute Sache, findet Anklang im Verein und „das Ziel, wieder mehr in Kontakt zu kommen und auch das Instrument wieder in die Hand zu nehmen, sehe ich als absolut erfüllt an“.

Torsten Vollbrecht, Jugendleiter beim Städtischen Blasorchester Backnang, sagt mit Blick auf das Online-Treffen, um die Quizaufgaben gemeinsam zu lösen: „Das war ein schöner Anlass, wieder mit den Kollegen Kontakt aufzunehmen.“ Und er verrät auch schon die Strategie für die Monatsaufgabe: Die zwei Stücke, die von den Musikern alleine gespielt und aufgenommen werden sollen, seien bereits verteilt. Damit alle das gleiche Tempo haben, werden sich die Musiker an einer Videoaufnahme des Dirigenten orientieren. „Diese Aufgabe wollen wir auf jeden Fall alle gemeinsam – trotz Trennung – meistern“, sagt Vollbrecht. „Und das ist auch der Hauptgedanke, der uns dazu bewegt hat, an der Challenge teilzunehmen.“

„Wir haben uns sehr über die Initiative des Blasmusikverbands Rems-Murr gefreut. Endlich mal wieder gemeinsam, wenn auch nur virtuell, verabreden und treffen, Ideen sammeln und entwickeln, Videos und Fotos machen, musizieren, einfach Spaß haben, Neues auszuprobieren“, stellt Sascha Ebinger, Vorstandssprecher der Trachtenkapelle Bürgerverein Ebersberg fest. Die Mitglieder nahmen den Vorschlag, sich beim Wettbewerb mit einzureihen, begeistert auf. Um auch Zweifler zu überzeugen, hat Ebinger sich als Teamkapitän der Challenge mit selbst gedrehten Motivationsvideos ins Zeug gelegt. Gespannt ist er auf den aufwendigsten Part des Wettbewerbs – die Produktion der Einzelvideos für „Im Märzen der Bauer“ und dem anschließenden Schneiden und Übereinanderlegen der Stimmen, sodass sich für den Zuhörer beziehungsweise Zuschauer ein Gesamtbild ergibt. Das heißt ganz klar: üben, Takt halten und Höhe, Stimmung und Harmonien im Blick behalten. „Eine tolle Sache“, so Ebinger, auch wenn sie das persönliche Zusammenspiel und die Liveprobe nicht ersetzen kann.