Nach dem tödlichen Schuss bei einer Polizeifahndung am Dienstagmorgen in Stuttgart-Ost wird wegen des Verdachts der Körperverletzung mit Todesfolge ermittelt.
Von Wolf-Dieter Obst
Stuttgart - Nach dem tödlichen Schuss auf einen Verdächtigen bei einer Polizeifahndung in Stuttgart-Ost am Dienstagmorgen ermittelt nunmehr die Stuttgarter Staatsanwaltschaft wegen des Anfangsverdachts einer Körperverletzung mit Todesfolge gegen den betreffenden Polizeibeamten. Dies erklärte Staatsanwaltssprecherin Stefanie Ruben auf Anfrage unserer Zeitung.
Außerdem soll, wie generell bei Tötungsdelikten, ein Gerichtsmediziner feststellen, was zum Tod des 18-Jährigen geführt hat. „Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat beim zuständigen Amtsgericht einen Obduktionsbeschluss erwirkt“, so Sprecherin Ruben. Die Obduktion soll voraussichtlich am Donnerstag stattfinden. „Wann konkrete Ergebnisse der Obduktion vorliegen und kommuniziert werden können, lässt sich derzeit nicht absehen.“
Nach einem blutigen Streit in einem Lokal in der Ostendstraße im Stuttgarter Osten am frühen Dienstagmorgen war ein 18-jähriger Tatverdächtiger bei einer anschließenden Fahndung von einer Polizeikugel tödlich getroffen worden. Der junge Mann soll Minuten zuvor einem 29-Jährigen schwere Verletzungen am Hals zugefügt haben – mit einem, so die Polizei, „scharfen Gegenstand“. Der Hintergrund des Streits ist bisher nicht bekannt. Auch bei der möglichen Tatwaffe gibt es bisher nicht bestätigte Informationen. Die Polizei macht aus ermittlungstaktischen Gründen keine Angaben.
Dem Landeskriminalamt liegt ein Video der Situation um die tödlichen Schüsse vor. Dieses werde nun „akribisch aufbereitet und ausgewertet“, heißt es beim LKA, das wegen des dienstlichen Schusswaffengebrauchs ermittelt. Dabei ist zu sehen, dass ein Polizeibeamter einen Verdächtigen in einem Kleingarten aufspürt und auffordert, die Hände hinter den Rücken zu nehmen. Als der junge Mann über einen niedrigen Maschendrahtzaun springt, fällt ein Schuss. Der 18-Jährige fällt zu Boden und stirbt noch an Ort und Stelle. Es ist der sechste Tote durch eine Dienstwaffe in Baden-Württemberg in diesem Jahr. Laut Innenministerium ist bisher achtmal unmittelbar gegen Personen geschossen worden.
Polizeibeamte sind vor allem im Streifendienst immer wieder starken psychischen Belastungen ausgesetzt. Es gebe aber bei der Stuttgarter Polizei ein Netzwerk von Hilfen, betont Polizeisprecher Stephan Widmann. Eine „Koordinierungsstelle Mitarbeiterberatung“ sei rund um die Uhr bei „polizeilichen Extremereignissen“ erreichbar. Dabei stehen zwei hauptamtliche sowie sechs nebenamtliche psychosozial Beratende zur Verfügung. Außerdem könne man auf Polizeiseelsorger, Polizeiärzte und -ärztinnen sowie auf Polizeipsychologen an der Hochschule für Polizei zurückzugreifen.
Mit welchem Gegenstand die Schnittwunde bei dem 29-Jährigen herbeigeführt wurde, ist nicht bekannt. Es müsse nicht unbedingt ein Messer gewesen sein, heißt es bei der Polizei. Ob die Ermittler überhaupt eine Waffe gefunden haben, dazu gibt es keine Angaben. Bei der Spurensicherung spielte auch eine scharfkantige Glasscherbe eine Rolle. Die Hintergründe der Auseinandersetzung an der Gaststätte sind unklar. In einem Internetforum erklärt eine Person, die behauptet, ein Cousin des Getöteten zu sein, dass der Cousin sich gegen den 29-Jährigen nur gegen einen Raub gewehrt habe. Auf Englisch schildert der Hinweisgeber, dass er dabei eine gebrochene Glasflasche verwendet habe. Er habe Deutsch weder sprechen noch verstehen können. Alle Angaben lassen sich nicht verifizieren. Der 18-jährige Algerier ist nach Behördenangaben erst seit wenigen Tagen in Deutschland.
Unter welchen Umständen sich die Situation vor dem Schuss zugespitzt hat, muss in den nächsten Wochen und Monate erst noch umfänglich ermittelt werden. Allein aus dem Video, das dem LKA vorliegt, lässt sich nicht nachweisen, dass der im Bild befindliche Beamte auch geschossen hat.