Stadt Backnang dreht dem Dorfbrunnen in Steinbach den Hahn zu

Steinbacher Bürger sind stinksauer. Aus ihrem Dorfbrunnen am Lindenplatz plätschert kein Wasser mehr. Die Stadt Backnang hat es ohne Vorankündigung abgestellt. Nicht Sparmaßnahmen sind der Grund. Ortsfremde haben sich zu großzügig bedient und so den Verkehr behindert.

Stadt Backnang dreht dem Dorfbrunnen in Steinbach den Hahn zu

Ihre Gießkannen müssen leer bleiben: Die Steinbacher Martin Femiak, Jürgen Feucht und Gerhard Skrobek (von links). Foto: Florian Muhl

Von Florian Muhl

Backnang. „Ich kann am Dorfbrunnen kein Gießwasser mehr holen. Die Stadt hat das einfach abgedreht. Ohne Vorwarnung. Das ist doch eine Frechheit“, echauffiert sich Martin Femiak. Der 71-Jährige, der in Sichtweite sein Zuhause hat, stand am Wochenende plötzlich vor einem leeren Brunnen. Der Stopfen war draußen, der Brunnentrog leer. Ebenso seine Gießkannen, die er ungefüllt wieder mitnehmen musste.

Femiak berichtet von Schildern, die aufgestellt worden seien, dann wieder weg waren, dann wieder aufgestellt, schließlich wieder verschwunden. Er hat sie fotografiert: „Kein Wasser am Dorfbrunnen im besten Deutschland aller Zeiten“, war darauf schwarz auf weiß zu lesen. Und darunter in Rot: „Willkür und Demokratie lässt grüßen.“ Unterschrieben mit: „Ihre Steinbacher!!!“ Der Rentner spricht von zwei Lagern im Ort und von „Wasserkrieg“. Einem Bekannten, der im Auto langsam vorbeifährt, ruft er zu: „Jetzt musst in Bartenbach Wasser holen, hier gibt’s nix!“

„Aus meiner Sicht ist das eine Unverschämtheit, hier das Wasser abzustellen“, ereifert sich Jürgen Feucht, der sich zum spontanen Vor-Ort-Termin mit unserer Zeitung dazugesellt. Der 57-jährige „Ursteinbacher“ ist im Dorf geboren worden, aufgewachsen, hat all die Jahre hier gelebt und wird hier auch sterben, wie er sagt. Er ist auf das Brunnenwasser nicht angewiesen, weil er Wasserrechte am nahe gelegenen Bach hat. Aber Feucht vertritt die Meinung: „Unser Staat oder die Gemeinde darf das niemandem entziehen.“ Für ihn gebe es nur folgende zwei Möglichkeiten: „Da wir alle sowie alle Gemeinden vor dem Gesetz gleich sind, muss gelten: entweder alle Brunnen in der Stadt Backnang an oder alle aus, auch der Gänsebrunnen.“

„Jetzt ist die Trockenheit da, jetzt ist die Zeit zum Wasserholen“

Auch Nachbar Gerhard Skrobek kommt spontan zum Brunnen gelaufen: „Jetzt ist die Trockenheit da, jetzt ist die Zeit zum Wasserholen. Das Abstellen ist einfach Willkür.“ Abgesehen davon sei hier der Pilgerweg, da kämen Pilger vorbei, die sich gern erfrischen würden, und dann läuft kein Wasser, gibt der 53-Jährige zu bedenken.

Aber es gibt auch andere Meinungen im Ort. „Was soll denn der Scheiß?“, fragt ein weiterer Steinbacher, der die Brunnengruppe auf mittlerweile fünf Personen erweitert. „Tätet ihr nicht mit den Wahnsinnsfässern kommen, dann wär das gar kein Thema. Ich sau hier nur mit meinen Gießkannen her.“ Zuvor hatte Femiak gegenüber der Zeitung bekannt: „Ich bin ehrlich, ich bin mit meinem Traktor gekommen, ich hab zwei Fässer auf meinem Hänger, in jedes gehen über 200 Liter rein. Ich musste im Frühjahr, als das Wetter schlecht war und niemand da war, dreimal fahren, um mein 1000-Liter-Fass zu füllen.“ Aber der 71-Jährige, der den Brunnen im Auge hat, sagt auch: „Zwei Drittel von denen, die hier das Wasser holen, sind keine Steinbacher gewesen, eher vielleicht sogar drei Viertel.“

In den vergangenen Tagen häuften sich Beschwerden über auswärtigen Wassertourismus

Die Diskussion am Brunnen wird mehr und mehr emotional geführt. „Warum beschwerst du dich dann nicht, wenn das abgestellt ist? Das Wasser ist doch für uns alle da, dann musst du es denen, die von Backnang kommen, verbieten, nicht mir“, wendet sich Skrobek an den neu hinzugekommenen Anwohner. „Willst du einen Schutzmann da hinstellen oder was?“, fragt der zurück. „Es geht da einfach um die Größenordnung, man hat’s einfach übertrieben.“ „Aber ich doch nicht!“ „Aber das sagt doch keiner! Aber du reißt die Gosch uff und hängst’s Täfele da na.“ Der Wortwechsel kommt immer mehr in Schwung.

Ein weiterer Passant schlendert vorbei: „Haben Sie ihn endlich leer gemacht? Das ist ja auch illegal, da Wasser abzuzapfen.“ Er habe in der Zeitung gelesen, dass man öffentliche Wasserquellen nicht zum privaten Gebrauch abzapfen darf, wegen Wasserknappheit. Auf Anfrage teilt Christian Nathan, Pressesprecher der Stadt Backnang, mit: „Tatsächlich wurde das Wasser am Dorfbrunnen in Steinbach am Samstagvormittag abgestellt.“ Die Wasserentnahme aus dem Steinbacher Dorfbrunnen sei seit Jahren ein wiederkehrendes Thema. „Da es sich hierbei um einen öffentlichen Brunnen handelt, der sich aus Grundwasser speist, ist eine Wasserentnahme prinzipiell zulässig“, so Nathan. Aber: „In den vergangenen Tagen häuften sich Beschwerden über auswärtigen Wassertourismus und Schlangenbildung am Dorfbrunnen. Da hiervon eine verkehrsrechtliche Gefahrenstelle ausging, hat sich die Stadtverwaltung dazu entschieden, den Brunnen bis zum Ende der Sommerferien abzustellen.“ Und weiter erklärt der Pressesprecher: „Da dies alles kurzfristig erfolgt ist, war eine Ankündigung nicht möglich.“

„Keiner hat was dagegen, wenn sich jemand zwei Gießkannen holt“

Andreas Rupp ist in dieser Sache hin- und hergerissen, wie er auf Anfrage sagt. Der Steinbacher Ortsvorsteher kann diejenigen Bürger verstehen, die das Wasser für den Garten brauchen: „Keiner hat was dagegen, wenn sich jemand zwei Gießkannen holt.“ Die Stadtverwaltung habe immer zu ihm gesagt: „Laufen lassen, laufen lassen!“ Aber die Wasserholerei habe überhandgenommen. Immer mehr Autos mit Anhänger und 1000-Liter-Fässern seien gekommen. „Leider kam es vorletzte Woche zu einem Verkehrsunfall aufgrund der Fahrzeuge, die am Brunnen halten. Das war wohl der Auslöser für die Entscheidung der Stadtverwaltung, den Brunnen für drei Wochen – bis zum Ende der Ferien – abzuschalten.“