Stadt organisiert Straßenfest wieder selbst

Nach dem überraschenden Tod des langjährigen Organisators Jürgen M. Häfner soll künftig ein Eventteam im Kulturamt das Traditionsfest planen. Der Gemeinderat verspricht sich davon auch inhaltlich neue Akzente.

Stadt organisiert Straßenfest wieder selbst

Zuletzt bestimmten auf dem Straßenfest vor allem kommerzielle Anbieter das Bild. Einige Stadträte würden künftig gerne den Backnanger Vereinen und Organisationen wieder mehr Raum geben. Archivfoto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Dass das 50. Backnanger Straßenfest auch in diesem Sommer nicht stattfinden wird, steht schon seit Monaten fest. Die Coronapandemie macht eine solche Großveranstaltung weiterhin unmöglich. Doch selbst ohne Corona wäre es wohl schwierig gewesen, das Fest wie gewohnt auf die Beine zu stellen. Denn im Dezember war überraschend der Organisator Jürgen M. Häfner gestorben. Seit den 90er-Jahren hatte der selbstständige Eventmanager aus Allmersbach im Tal das Straßenfest im Auftrag der Stadt auf die Beine gestellt. Er schloss die Verträge mit Standbetreibern und Dienstleistern, er wählte die Bands aus und organisierte das Bühnenprogramm. Und während das Fest lief, war er fast rund um die Uhr vor Ort, um nach dem Rechten zu sehen. Häfner erledigte seinen Job stets zuverlässig, allerdings weitgehend alleine. Auch das städtische Kulturamt, in dessen Zuständigkeitsbereich das Straßenfest fällt, war in die Abläufe nicht tiefer eingebunden.

So stand Johannes Ellrott, der das Kulturamt seit Januar leitet, nach Häfners Tod vor einem Rätsel. „Wir mussten erst mal Licht ins Dunkel bringen“, berichtete Ellrott nun im Gemeinderat. Was allerdings nur zum Teil gelang, weil das Wissen, das sich Häfner über Jahrzehnte aufgebaut hatte, größtenteils gar nicht dokumentiert ist. Von den Partnern, mit denen der Organisationschef in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat, signalisierten zwar einige, dass sie auch künftig gerne beim Straßenfest dabei wären, aber keiner wollte wie Häfner die alleinige Verantwortung übernehmen und auch das finanzielle Risiko tragen. Und eine Eventagentur anzuheuern, die Backnang und das Straßenfest gar nicht kennt, erscheint Ellrott ebenfalls riskant.

Stadt will zwei Eventmanager und einen Praktikanten einstellen.

Für den Kulturamtsleiter gibt es deshalb nur eine Lösung: Die Stadt muss das Fest künftig wieder selbst organisieren. „Das Wissen muss in der Stadtverwaltung bleiben und wachsen“, erklärte Ellrott. Und zwar unabhängig von einzelnen Personen. Schließlich kann es auch ohne Todesfall passieren, dass der oder die Verantwortliche im nächsten Jahr nicht mehr zur Verfügung steht.

Für Ellrott gibt es aber noch weitere Gründe, die für ein eigenes Eventteam im Kulturamt sprechen. „Wir werden dadurch flexibler, denn heute weiß noch keiner, wie Großevents künftig aussehen werden.“ Mit eigenen Mitarbeitern könne man leichter verschiedene Szenarien planen, um zum Beispiel kurzfristig von einer großen Massenveranstaltung auf ein dezentrales Konzept mit kleineren Events an verschiedenen Standorten umzuschwenken. Dass das Straßenfest in diesem Jahr ohnehin ausfallen muss, sieht Ellrott deshalb auch als einmalige Chance, um die Organisation jetzt auf neue, solidere Füße zu stellen.

Ellrotts Vorschlag: Im Kulturamt werden zwei neue Stellen geschaffen, eine für eine erfahrene Eventmanagerin oder einen Eventmanager, eine für eine Nachwuchskraft. Hinzu kommen soll noch eine Stelle für einen Freiwilligendienst im Bereich Kultur. Die Personalkosten liegen nach Ellrotts Berechnung bei insgesamt 160000 Euro pro Jahr. Der bisherige Zuschuss von knapp 100000 Euro pro Straßenfest kommt noch dazu. Wobei das neue Eventteam neben dem Straßenfest mittelfristig auch andere städtische Veranstaltungen auf die Beine stellen soll, etwa das Murrspektakel. „Das wird unserer Stadt einen unheimlichen Mehrwert bringen“, ist Ellrott überzeugt.

Mit seinem leidenschaftlich vorgetragenen Plädoyer hatte der Kulturamtsleiter den Gemeinderat schnell überzeugt: Einstimmig genehmigte das Gremium die neuen Stellen. „Es bleibt uns gar nichts anderes übrig, als uns etwas Neues zu überlegen“, stellte SPD-Fraktionschef Heinz Franke fest. Willy Härtner findet es richtig, die Organisation wieder im Kulturamt zu verankern: „Die Basiskompetenz sollte nicht bei einem privaten Unternehmen liegen“, erklärte der Vorsitzende der Grünen-Fraktion.

Zurück zu den Wurzeln: Stadträte wünschen sich weniger Kommerz.

Mehrere Stadträte machten allerdings deutlich, dass sie sich von der organisatorischen auch eine inhaltliche Neuausrichtung versprechen. Früher sei das Straßenfest ein Fest von Backnangern für Backnanger gewesen, stellte Heinz Franke fest. Inzwischen habe es sich aber zu einem kleinen Volksfest mit vielen kommerziellen Anbietern entwickelt. Nun habe man die Chance, wieder ein Stück zurück zu den Wurzeln zu gehen. Auch Ute Ulfert (CDU) wünscht sich, „dass die Vereine beim Straßenfest künftig wieder stärker vorkommen“. Mustafa Gül (Grüne) forderte, auch die Migrantenvereine besser einzubinden, um so die Vielfalt Backnangs darzustellen.

Johannes Ellrott versprach den Stadträten ein neues Straßenfest-Konzept, „das noch andere Aspekte berücksichtigt als Kommerz und Umsatz“. Nun muss der Kulturamtsleiter aber erst einmal das neue Organisationsteam zusammenstellen. „Dafür brauchen wir erfahrene und sehr kompetente Leute“, stellte Ellrott fest. Doch der Zeitpunkt sei günstig: Wegen der Coronakrise seien zurzeit viele Eventmanager auf Jobsuche.

Stadt organisiert Straßenfest wieder selbst

Der verstorbene Jürgen M. Häfner hatte bisher alle Fäden in der Hand. Archivfoto: E. Layher

Kommentar
Alte Sünden

Von Kornelius Fritz

Die Fehler der Vergangenheit holen die Stadt Backnang jetzt ein. Die Organisation des Straßenfests an einen privaten Unternehmer zu vergeben, war für die Verwaltung schön bequem. Das komplette Know-how der Festorganisation nur bei einer einzigen Person zu bündeln, war jedoch grob fahrlässig. Dass Jürgen M. Häfner auch mal ausfallen könnte, daran hat offenbar keiner gedacht. Dabei kam Häfners Tod im Dezember zwar überraschend, der Organisationschef war da allerdings auch schon über 70.

So steht der neue Kulturamtsleiter Johannes Ellrott nun vor einer schwierigen Aufgabe. Er soll das beliebte Fest weiterführen, ohne auf die Kontakte und das Wissen des langjährigen Organisationsleiters zurückgreifen zu können. Da ist es fast schon ein Glücksfall, dass die Coronapandemie das Jubiläums-Straßenfest auch dieses Jahr unmöglich macht. So bleibt immerhin ein Jahr Zeit, um ein neues Eventteam aufzubauen und zukunftsfähige Strukturen zu schaffen. Dass der Gemeinderat dafür trotz leerer Kassen, ohne mit der Wimper zu zucken, zwei neue Vollzeitstellen genehmigt hat, ist aber wohl auch nur in Backnang möglich. In dieser Stadt wird notfalls überall gespart – aber nicht beim Straßenfest.

k.fritz@bkz.de