Steigende Corona-Zahlen setzen Land weiter unter Druck

dpa/lsw Stuttgart. Tag für Tag werfen die Experten in den Rathäusern sorgenvolle Blicke auf den Lagebericht des Landesgesundheitsamtes mit den jüngsten Corona-Zahlen. Ist eine Grenze überschritten, drohen Auflagen. Das ist jetzt zunehmend der Fall. Und es ist kein Ende in Sicht.

Steigende Corona-Zahlen setzen Land weiter unter Druck

Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Foto: Marijan Murat/dpa/Archivbild

Mit der Zahl der Corona-Infizierten in Baden-Württemberg steigt auch der Druck auf Land und Kommunen, Konsequenzen zu ziehen und Auflagen zu verschärfen. Mehrere Städte und Kreise sind inzwischen zu neuen Einschränkungen gezwungen, weil die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung in ihrer Region größer ist als erlaubt.

Rathäuser und Landratsämter nehmen zunächst die privaten Feiern ins Visier. Nach Mühlacker, dem Kreis Esslingen und Mannheim schränkt auch Stuttgart die Teilnehmerzahlen ein. Dort sind Feiern in privaten Räumen von Freitag an und für die kommenden zwei Wochen nur noch erlaubt, wenn weniger als 25 Menschen zusammenkommen. In der Öffentlichkeit oder in angemieteten Räumen liegt die Grenze bei 50 Teilnehmern, wie die Stadt am Mittwoch mitteilte. Ähnliche Einschränkungen haben auch die anderen Kommunen und der Kreis erlassen.

Zuvor hatte nach dem Kreis Esslingen auch die Landeshauptstadt die sogenannte Vorwarnstufe erreicht. Während die Lage im benachbarten Kreis Esslingen mit 45,4 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und innerhalb von sieben Tagen (Stand 6.10., 16.00 Uhr) besonders kritisch ist, lag sie zuletzt in der Landeshauptstadt bei 35,4 neuen Fällen und somit ebenfalls über der kritischen Marke von 35. Mannheim hatte die vom Land definierte „Vorwarnstufe“ am Wochenende überschritten, lag am Dienstag aber mit einem Wert von 34,1 wieder knapp darunter.

Mit der Verschärfung folgen die Kreise und Kommunen der Empfehlung der Bund-Länder-Kommission von Ende September, die insbesondere der Verbreitung von Infektionen im Rahmen von Feierlichkeiten im Familien- und Freundeskreis vorbeugen soll. Bei mehr als 50 Fällen pro 100 000 Einwohner können in betroffenen Gegenden Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen verschärft werden.

Bereits am Dienstag hatte die baden-württembergische Landesregierung wegen der steigenden Infektionszahlen die zweite von drei möglichen Corona-Warnstufen ausgerufen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sprach von einer Habt-Acht-Stufe. Die Pandemiestufe zwei gilt, wenn die landesweite sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz von 10 Fällen je 100 000 Einwohner überschritten wird und zusätzlich das Infektionsgeschehen diffus ansteigt oder sich die landesweiten wöchentlichen Fallzahlen innerhalb von zwei Wochen verdoppeln.

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) nannte die neue Auflage in der Landeshauptstadt am Mittwoch „zielgerichtet und angemessen“. Es gehe darum, das öffentliche Leben so weit es geht aufrechtzuerhalten. „Wir wollen einen weitreichenden Lockdown verhindern. Damit Kinder in die Kita oder in die Schule gehen und Geschäfte offenbleiben können, schränken wir private Zusammenkünfte ein, so wie es auch andere Kommunen gemacht haben.“

Nach Angaben des Leiters des Stuttgarter Gesundheitsamts, Stefan Ehehalt, lassen sich Corona-Ausbrüche in ganz Deutschland vermehrt auf Feiern und Partys zurückführen. „Überall dort, wo Menschen auf engem Raum zusammenkommen, laut reden, sich locker austauschen, verbreiten sich Viren. Wenn wir Infektionen nachverfolgen und Ketten durchbrechen wollen, müssen wir den Hebel hier ansetzen“, sagte Ehehalt.

Um Infektionen aus anderen gefährdeten Teilen Deutschlands zu verhindern, soll bundesweit zudem ein Beherbergungsverbot für Urlauber aus inländischen Gebieten mit hohen Corona-Infektionszahlen gelten. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Berlin am Mittwoch aus Teilnehmerkreisen nach einer Schaltkonferenz der Chefs der Staatskanzleien der Länder mit Kanzleramtschef Helge Braun (CDU).

Zentrales Kriterium beim Krisenmanagement ist, ob es in einer Region mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen gibt. Anhand dieser Schwelle stuft die Bundesregierung auch andere Staaten als „Risikogebiete“ für deutsche Urlauber ein. Im Inland haben Bund und Länder vereinbart, dass ab dieser Marke in „besonders betroffenen Gebieten“ örtliche Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Baden-Württemberg hatte Einreiseverbote und zusätzliche Quarantäneauflagen für Reisende aus dem Inland eigentlich zunächst nicht in Betracht gezogen. Im Südwesten gilt jedoch schon seit längerem ein Beherbergungsverbot für Besucher aus Stadt- oder Landkreisen mit erhöhtem Infektionsgeschehen für Hotels, Herbergen, Campingplätze und andere ähnliche Einrichtungen.

Bundesweit hat die Zahl der Neuinfektionen wieder einen Höchstwert seit der zweiten Aprilhälfte erreicht. In Fellbach wurden unter anderem 41 Geflüchtete in einer Unterkunft unter Quarantäne gestellt, nachdem sich vier Bewohner mit dem Coronavirus angesteckt hatten. In der Stadt sind außerdem mehrere Schulklassen in Quarantäne.