Unser Foto zeigt das Kohlekraftwerk der EnBW in Heilbronn, das – anders als ein Atomkraftwerk – keinen nuklearen Abfall produziert. Um den hoch radioaktiven Abfall aus Kernkraftwerken zu deponieren, wird gerade ein geeigneter Standort für ein Endlager gesucht. Foto: B. Romanowski
Von Bernhard Romanowski
Rems-Murr. „Standort für eine Million Jahre gesucht“: Mit dieser Zeitvorgabe würde sich wohl kein vernünftiger Mensch auf die Suche nach einer Immobilie oder einem Autostellplatz machen. Aber die Bundesgesellschaft für Endlagerung, kurz BGE, denkt offenkundig in anderen Zeitdimensionen. Und das, wofür sie einen Standort sucht, hat es in sich: Es geht nämlich um Atommüll, also den radioaktiven Abfall aus den in Deutschland betriebenen Atomkraftwerken. Auf dieser Suche nach einem Endlager für diesen nuklearen Abfall, die bis zum Jahr 2031 abgeschlossen sein soll, hat die BGE ein Gebiet ins Auge gefasst, zu dem auch der Rems-Murr-Kreis gehört.
„Standortauswahlprozess für Endlager von hoch radioaktiven Abfällen im Gebiet der Bundesrepublik“ nennt die Bundesanstalt für Endlagerung ihre operative Aufgabe offiziell. Dazu gibt es bereits einen ersten „Teilgebiete“ betitelten Zwischenbericht, demzufolge rund 54 Prozent der Fläche Deutschlands eine für die Endlagerung geeignete Geologie aufweisen. Nun will die BGE neue Methoden in bestimmten Teilgebieten zur Anwendung bringen, um einen geeigneten Standort für den Atommüll zu finden. Für den Rems-Murr-Kreis ist das insofern von Belang, als er zu einem Teilgebiet gehört, das wiederum zum Saxothuringikum gehört, einer geotektonischen Einheit, die sich über die Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen erstreckt.
Was dieses Teilgebiet für die Untersuchungen des BGE interessant macht, ist das sogenannte kristalline Wirtsgestein, das die tieferen Schichten des besagten Gebiets durchzieht. Als „Kriterium zur Bewertung des Schutzes des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs durch das Deckgebirge“ spielt es eine besondere Rolle bei der Standortsuche für das Atommüllendlager, wie man auf der Homepage der BGE nachlesen kann. Es geht also um eine geeignete Ummantelung der radioaktiven Stoffe und darum, dass dieser Mantel für das Endlager nicht beispielsweise durch Sackung von Gesteinsschichten oder wasserbedingte Erdschichtbewegungen oder durch mechanische Beeinträchtigungen geschwächt wird. Denn er soll ja eine Million Jahre halten.
Die Suche nach einem Standort ist in drei Phasen unterteilt. In Phase I wird im Ausschlussverfahren eine Reihe von Gebieten durch Auswertung der Geodaten ermittelt, die für die Zwecke der BGE in die engere Wahl kommen. In Phase II werden diese potenziellen Standortregionen oberirdisch untersucht, um festzulegen, welche von ihnen hernach „untertägig“ untersucht werden sollen. Phase III bildet dann die Erkundung unter Tage an mindestens zwei Standorten, was dann in der Festlegung auf den bestmöglichen Standort münden soll.
„Dies bedeutet nicht, dass dieses Teilgebiet für ein Endlager besonders geeignet ist. Auch eine Vorfestlegung auf eine Standortregion ist damit nicht verbunden“, teilt die Landkreisverwaltung Rems-Murr indessen in einer Vorlage mit, die schon Gegenstand im Ausschuss für Umwelt und Verkehr des Kreises war, dort aber zumindest im öffentlichen Teil nicht weiter debattiert wurde. Vielmehr wurde auf die Infoveranstaltungen verwiesen, die nun von der Bundesgesellschaft für Endlagerung zu dem Thema in allen betroffenen Regionen durchgeführt werden (siehe Infokasten).
Für die schwach und mittel radioaktiven Abfälle gibt es in Deutschland bereits ein genehmigtes Endlager, wie die BGE derweil auf ihrer Homepage mitteilt, und zwar das Endlager Konrad in Salzgitter, das 2027 in Betrieb gehen soll. Für den hoch radioaktiven Atommüll aber werde noch ein Endlagerstandort gesucht. Das Standortauswahlgesetz, das die Endlagersuche regelt, schreibe vor, dass es der Standort sein muss, der die bestmögliche Sicherheit für eine Million Jahre gewährleistet. „Für diesen langen Zeitraum sollen Mensch und Umwelt vor der gefährlichen Strahlung geschützt werden“, schreibt die BGE. Der hoch radioaktive Atommüll – vor allem verbrauchte Brennelemente aus Kernkraftwerken – macht laut BGE nur etwa fünf Prozent der Gesamtmenge der in Deutschland anfallenden radioaktiven Abfälle aus, dafür+ aber 99 Prozent der Strahlung. „Frühere Versuche, einen Endlagerstandort für diese Abfälle zu finden, sind gescheitert. 2013 wurde die Endlagersuche deshalb wieder auf null gesetzt“, erklärt die BGE.
Auskunft von Experten Die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) hat für Ende März angekündigt, einen Arbeitsstand ihrer Methodik zu veröffentlichen und acht Wochen lang online zur Diskussion zu stellen. Eine Reihe von Veranstaltungen, bei denen die Expertenschaft der BGE das Vorgehen erläutert und erste Fragen beantwortet, soll die Möglichkeit, sich online auf der Homepage www.bge.de zu informieren, sowie die Möglichkeit zur Einreichung von Stellungnahmen ergänzen.
Regionale Infotermine Demnach wird es für jedes der Gebiete zur Methodenentwicklung eine eigene digitale Informationsveranstaltung geben. Mit diesen Veranstaltungen sollen die Lokal- und Kommunalpolitik, die Presse sowie die regionalen gesellschaftlichen Interessensgruppen angesprochen werden.
Rems-Murr-spezifisch Die für den Rems-Murr-Kreis relevante Informationsveranstaltung wird am Donnerstag, 31. März, von 18 bis 20 Uhr stattfinden.
Einführung In Vorbereitung auf diese gebietsspezifischen Veranstaltungen bietet die BGE je eine digitale Einführungsveranstaltung pro Gebiet zur Methodenentwicklung für Einsteiger und Einsteigerinnen an. Diese digitale Veranstaltung mit Bezug auf den Rems-Murr-Kreis findet am morgigen Mittwoch von 16 bis 17 Uhr statt.
Über Zoom Beide Veranstaltungen finden digital über das Konferenztool „Zoom“ statt. Der jeweilige Link hierfür wird am entsprechenden Veranstaltungstag unter www.bge.de/de veröffentlicht. Zudem werden die Veranstaltungen auf Youtube im Livestream übertragen.
Abschluss im Juni Im Juni wird die BGE dann abschließend in einer weiteren öffentlichen Veranstaltung berichten, welche Hinweise und Empfehlungen sie im Zuge der öffentlichen Fachdebatte und der Diskussion erhalten hat, und das weitere Vorgehen aufzeigen.