„Standortvielfalt von top bis kritisch“

Gemeinderat von Aspach lässt sich von Revierleiter Benno Picard und Förster Stefan Grätsch den Wald erklären

Der Wald ist im Umbruch. Und zugleich die Menschen, die ihn betreuen. Bei goldenem Herbstwetter lernte der neue Gemeinderat von Aspach durch Revierleiter Benno Picard den gemeindeeigenen Wald und die Arbeitsweise der Förster kennen. Mit von der Partie war Förster Stefan Grätsch, der die Betreuung ab 1. Januar übernehmen soll.

„Standortvielfalt von top bis kritisch“

Von Ute Gruber

ASPACH. Am Wanderparkplatz zieht der Förster erst einmal eine große Karte hervor. Auf dieser zeigt er den 20 Waldfreunden aus Verwaltung und Gemeinderat, wo die 220 Hektar Gemeindewald überhaupt liegen. Farblich sind die Wälder in Typen unterteilt: „Wir haben hier eine Standortvielfalt von top bis kritisch“, erläutert Picard. Blau bedeutet Eichen-dominiert: „Im Allmersbacher Wald, da geht dem Forstmann das Herz auf.“ Grün heißt: Buche herrscht vor. Auch Kiefer-/Lärchenstandorte gibt es und „hier hinten, Einöd, das ist forstlich gesehen sozusagen der Magerrasen“. Sprich: Hier wächst nichts Rechtes.

Und schon geht es mitten hinein in den Fautenhau, den Bürgermeisterin Sabine Welte-Hauff als das Gemeinde-Schatzkästchen bezeichnet. Die mächtigen Eichen, die hier in Försters Wohlfühlwald stehen, sind rund 200 Jahre alt und stammen aus einer Zeit, als das Vieh auch in den Wald getrieben wurde, um zu fressen: Kühe, Schafe und Ziegen das Gras und die zarten Keimlinge der Bäume, Schweine deren Früchte, also Eicheln und Bucheckern. Jahre mit reichlicher Fruchtbildung – etwa alle drei Jahre – bezeichnet man heute noch als Mastjahr. Diese Wälder, in denen Vieh gehütet wurde, glichen somit eher einer Parklandschaft mit einzelnen, großen Bäumen. Der Nachwuchs hatte keine Chance.

Die Eichen aus diesen ehemaligen Hutewäldern, die inzwischen freilich dicht sind, sind heute Gold wert: mehrere Tausend Euro kann ein einzelner Stamm bei der jährlichen Versteigerung, der Holz-Submission in Urbach, erlösen. „So viel wie sonst 20 mittelstarke Fichten“, zieht Picard den Vergleich. Kein Wunder schwärmt die Rathauschefin und sorgt sich um die Bäume. Der Forstmann plant indes schon weiter: „Wir nutzen das, was unsere Vorfahren angelegt haben“, erläutert Stefan Grätsch das Prinzip der nachhaltigen Waldbewirtschaftung, welche in Baden-Württemberg schon seit rund 150 Jahren üblich ist, „deshalb müssen wir auch eine Basis legen für die Generationen nach uns.“ Im Aspacher Forst baut man dabei auf Naturverjüngung, also auf von selbst aufgegangene Jungpflanzen. „Die sind einfach robuster als Pflanzgut.“

An einer gewaltigen Eiche, auf die ein Keil aufgemalt ist, wird die Methode des Keilhiebs erläutert. Unter diesem Mutterbaum nämlich steht ein ganzer Teppich aus hoffnungsvollen, einjährigen Eichenkindern – 2018 war ein Mastjahr. „Die brauchen jetzt Licht, sonst gehen die ein“, erklärt Picard, der seither im Auftrag den Aspacher Wald betreut. Keilförmig Richtung Südwesten, der Hauptsonnenrichtung, sind einige knorrige Hainbuchen rot angezeichnet: „Die müssen weg.“ Und zu Grätsch, der wegen der Forstreform ab 2020 zuständig ist, da Picard dann nur noch Staatswald bearbeitet: „Wenn’s nicht reicht, dann die nächsten da auch noch.“ Die Selektion unter den unzähligen Eichenbäumchen überlässt man dann der Natur.

Hier schon meterhohe Jungbäume, jenseits des Zauns Brombeeren

Das funktioniere aber nur unter einer Bedingung: „Der Wildbesatz muss angepasst sein.“ Dies sei in der Vergangenheit leider nicht der Fall gewesen. Ohne Wildschutzzaun hatten die vielen Rehe die Rolle der früheren Ziegen übernommen – keine Chance für kleine Bäumchen. An einer Lichtung demonstriert Picard zum Beweis sein Experiment: „Hier stand eine große Buche, die der Sturm geworfen hat. Nur die eine Seite haben wir eingezäunt. Sonst haben wir nichts gemacht.“ Der Unterschied sticht selbst den Laien ins Auge: hier schon meterhohe Jungbäume, Eichen, Buchen, sogar Kirschen dicht an dicht. Jenseits des Schutzzauns: meterhoch Brombeeren. Punkt.

„Wir wollen hier nicht alle Rehe abschießen“, stellt der Förster klar, „aber es muss ein Gleichgewicht da sein.“ Mit dem neuen Jagdpächter sei ein angepasster Abschussplan besprochen worden, den dieser auch erfülle. „Aber da müsst ihr nächstes Jahr mal einen gemeinsamen Waldbegang machen, ob’s so passt“, bereitet der Revierleiter auch hier den Stabwechsel vor. Die Zuhörer sind schwer beeindruckt vom strategischen Vorgehen der Forstleute.

Trotz grüner Krone fällt überall in großen Stücken die Rinde ab

Weiter drinnen im Wald steht ein dichter, dunkler Fichtenbestand, etwa 70-jährig. In der milden Backnanger Bucht mit ihren ausgeprägten Laubwäldern eher untypisch. Trotz grüner Krone fällt überall auf halber Höhe in großen Stücken die Rinde ab und legt ein filigranes Gangmuster frei. Der Borkenkäfer hat zugeschlagen. Der Förster zeigt den Gemeinderäten und -mitarbeitern die nur drei Millimeter großen, tödlichen Käferchen. „Kann man da denn nichts dagegen machen?“, fragt besorgt eine Naturliebhaberin. „Doch, Vitamine“, erwidert trocken ein Ratskollege, „BASF.“

Bester Boden und trotzdem Käfer – „wir können uns im Aspacher Wald von der Fichte verabschieden“, konstatiert Picard das Schicksal des so wunderbar wüchsigen und vielseitig verwertbaren, aber hitzeempfindlichen Nadelbaums. „Die hat hier durch die Klimaveränderung keine Zukunft.“

Auf frei werdenden Flächen sollen in Zukunft angepasstere Baumarten angepflanzt werden: Traubeneiche, Baumhasel, Spitzahorn sind im Gespräch, vielleicht auch Tulpenbaum. Bei den Nadelbäumen: Atlaszeder und die von Naturschützern in der Vergangenheit stets als auch nicht einheimisch verteufelte Douglasie – was bleibt schon anderes übrig? Selbst die tiefwurzelnden Eichen zeigen teilweise schon recht schütteres Laub in der Krone. 1000 Bäume will Bürgermeisterin Welte-Hauff auf den frei werdenden Flächen setzen. „1000 Bäume für 1000 Kommunen“ heißt das Programm.

Der Wald als Wirtschaftsbetrieb scheint einer Gemeinderätin (noch) fremd. Vielleicht sagen ihr die Refugien mehr zu, die im gemeindeeigenen Wald bereits angelegt wurden und zuletzt besichtigt werden: An einer sumpfigen Stelle wurde der Wasserabfluss unterbunden. Unter Erlen und Pappeln ist ein Lebensraum für Kröten und Molche entstanden. Diese Stelle wurde seinerzeit als Ausgleichsfläche für den Bau der Mechatronik-Arena renaturiert.

Zwei weitere Refugien wurden unlängst prophylaktisch angelegt. Auf diesen Flächen wird keine Nutzung betrieben, dennoch entstehen Kosten für die Gemeinde. Zum Beispiel, wenn morsche Bäume wegen der Verkehrssicherheit gefällt werden müssen. Das Holz bleibt dann einfach liegen und verrottet. Auch die Neuanlage eines Walds mit angepassten Arten kann über die Jahre einige Tausend Euro je Hektar kosten. Wieso also die Möglichkeit der Finanzierung dieser Kosten durch Holzverkauf nicht nutzen, merkt der Förster an.

Als vorgezogenes Abschiedsgeschenk bekommt Revierleiter Benno Picard von der Verwaltung zum Schluss ein Tröpfchen aus dem gemeindeeigenen Weinberg überreicht – von den Mitarbeitern eigenhändig gelesen. Wie es scheint, war die Zusammenarbeit eine gute.

Info
Fakten zur Forstreform

Die Betreuung von Staats- und Privatwald durch Förster wird ab 1. Januar 2020 personell getrennt (Forstreform).

Im Rems-Murr-Kreis wird es ab nächstem Jahr zehn Staatsreviere, vier kommunale mit eigenem Förster und neun Kreisreviere geben. In der Summe sind dies drei Reviere weniger als jetzt.

War ein Revierleiter seither für eine bestimmte geografische Fläche zuständig und hatte dabei teils Staatswald, teils private oder kommunale Waldbesitzer zu betreuen, wird er sich in Zukunft auf eines von beiden beschränken. Um die gleiche Betreuungsfläche zu erreichen, wird dann jedoch der Radius deutlich größer. Stefan Grätsch wird ab Januar neben den bisherigen Privatflächen im Revier Oberbrüden den Privatwald in Backnang, Aspach, Erbstetten, Oppenweiler, Kirchberg betreuen. „Für mich sind das extrem viele neue Flächen“, sagt er.