Starke Vorbehalte in der Union gegen allgemeines Dienstjahr

dpa Berlin. Die Jugend soll sich mehr in die Gesellschaft einbringen - als Pflicht- oder Freiwilligendienst. Kramp-Karrenbauer neigt zum Pflichtjahr. Schwierig: dazu müsste die Verfassung geändert werden.

Starke Vorbehalte in der Union gegen allgemeines Dienstjahr

Ein junger Mann, der ein Freiwilliges Soziales Jahr absolviert, hilft einer Bewohnerin einer Wohngemeinschaft für Demenzkranke. Foto: Friso Gentsch/dpa

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stößt mit ihrer Vorstellung eines verpflichtenden Dienstjahres für junge Frauen und Männer auf Vorbehalte auch in den Reihen von CDU und CSU.

Nach einem Werkstattgespräch der CDU am Donnerstag in der Parteizentrale in Berlin zu einer allgemeinen Dienstpflicht sagten mehrere Teilnehmer, sie hätten bewusst offen gelassen, ob ein solches Dienstjahr verpflichtend oder freiwillig sein solle. Auch bei der CSU stößt eine allgemeine Dienstpflicht für Schulabgänger auf Ablehnung.

Vor allem verfassungsrechtliche Bedenken werden gegen eine Verpflichtung zu einem Dienstjahr für Schulabgänger in einem gesellschaftlich relevanten, gemeinnützigen Bereich ins Feld geführt. Kramp-Karrenbauer hat dabei neben der Bundeswehr auch den Pflegebereich oder die Feuerwehr im Blick.

Eine solche Dienstpflicht wäre nicht ohne Grundgesetzänderung möglich. Und die dafür nötige Zwei-Drittel-Mehrheit ist derzeit weder im Bundestag noch im Bundesrat absehbar, argumentierten mehrere Teilnehmer des Werkstattgesprächs.

Kramp-Karrenbauer ließ erkennen, dass sie einem Pflichtjahr den Vorzug geben würde. Sie sagte aber auch, man solle sich jetzt nicht an der Frage verpflichtend oder freiwillig festbeißen. Aus ihrer Sicht spreche für ein verpflichtendes Jahr, dass man bei Freiwilligkeit verschiedene gesellschaftliche Gruppen nicht erreichen könne. „Das ist ein Potenzial, das wir liegen lassen.“ Im Übrigen sollten nicht nur junge Menschen die Möglichkeit eines solchen Dienstjahres bekommen, sondern auch ältere, die gerade aus dem aktiven Arbeitsleben in die Ruhephase hinein gehen.

2011 war in Deutschland die allgemeine Wehrpflicht und damit auch der Zivildienst abgeschafft worden. Quasi als Ersatz für den Zivildienst wurde der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Zurzeit engagieren sich in diesem Dienst nach Angaben des Bundesfamilienministeriums jährlich rund 40.000 Menschen, nicht nur Jugendliche. Dabei sei das Interesse weitaus größer. Es fehlten aber finanzierte Stellen.

Etliche Teilnehmer des Werkstattgesprächs unterstrichen, dass solche Dienste, ob freiwillig oder verpflichtend, finanziell besser ausgestattet werden müssten. Solange es kein Pflichtjahr gebe, müsse die Freiwilligkeit gestärkt werden, etwa durch ein Anreizsystem bei der Studienplatzvergabe oder mit Rentenpunkten. Zudem müsste die Bereitschaft von Arbeitgebern gestärkt werden, Freiwillige auch tatsächlich zu beschäftigen.

Caritas-Präsident Peter Neher erklärte: „Es gibt viele gute Gründe darüber nachzudenken, wie man in unserer Gesellschaft den Zusammenhalt fördern kann und Menschen dazu bringt, sich zu engagieren. Eine Dienstpflicht erscheint uns dafür aber nicht der richtige Weg.“ In seinem Sozialbereich mache man „sehr gute Erfahrungen“ mit Freiwilligen. „Dass diese Stellen auskömmlich finanziert sind und die Dienstleistenden Anerkennung finden, muss Priorität haben vor Überlegungen zu einem verpflichtenden Dienst.“

Die Grünen-Abgeordnete Anna Christmann kritisierte: „Es ist abstrus, dass Frau Kramp-Karrenbauer weiter von einer Dienstpflicht spricht, während in der Realität im Haushalt um jeden einzelnen Platz in den Freiwilligendiensten gekämpft werden muss.“ Und: „Ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr wäre um ein vielfaches teurer und noch dazu kontraproduktiv.“

Der stellvertretende CSU-Generalsekretär Florian Hahn sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Die CSU setzt weiterhin auf ein freiwilliges und attraktives Deutschlandpraktikum. Eine allgemeine Dienstpflicht wäre heute militärisch nicht mehr hilfreich, viel zu teuer und verschärft den Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt.“ Und weiter argumentierte Hahn: „Wir wollen bei der jungen Generation Begeisterung für gemeinnütziges Engagement auslösen, und nicht Frust.“ Für einen solchen Zwangsdienst erhalte man nur Applaus von denen, die ihn nicht mehr leisten müssten.

Der familienpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Sönke Rix, sagte: „Das Engagement junger Menschen soll auch weiterhin freiwillig und selbstbestimmt sein. Die Variante "verpflichtend und fremdbestimmt" von Frau Kramp-Karrenbauer lehnt die SPD-Bundestagsfraktion ab.“ Um die Notstände bei der Bundeswehr und in der Pflege zu beheben, stünden vor allem die Verteidigungsministerin und der Gesundheitsminister in Verantwortung und nicht die jungen Menschen.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner sprach sich ebenfalls gegen ein solches Pflichtjahr aus. Der Staat „soll Freiheit garantieren und nicht als Vormund oder Erzieher auftreten“, sagte er der dpa. Der FDP-Chef fügte hinzu: „Ein ganzes Lebensjahr junger Menschen würde verstaatlicht, nur damit die CDU sich parteipolitisch profilieren kann. Aus unserer Sicht verstößt eine Dienstpflicht gegen das Grundgesetz. Sie wäre auch volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung angesichts von Fachkräftemangel und demografischem Wandel.“

Nach Angaben Kramp-Karrenbauers sollen die Ergebnisse des Werkstattgespräches nun gesammelt und unterschiedliche Modelle entwickelt werden. Im nächsten Jahr sollten sie dann breit in der Partei diskutiert werden. Sie erhoffe sich eine belastbare Grundlage, um damit noch in dieser Legislaturperiode „zielführende politische Diskussionen“ führen oder das Thema in ein Wahlprogramm aufnehmen zu können, sagte sie zum Auftakt des Werkstattgesprächs.

Starke Vorbehalte in der Union gegen allgemeines Dienstjahr

Betreuung im Klassenzimmer einer Gemeinschaftsschule. Foto: Inga Kjer/dpa

Starke Vorbehalte in der Union gegen allgemeines Dienstjahr

In der CDU ist die Begeisterung über die Vorschläge von Parteichefin Kramp-Karrenbauer zu einem verpflichtenden Dienstjahr überschaubar. Foto: Kay Nietfeld/dpa