Steinmeier: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit

dpa/lsw Heidelberg. Demokratie muss immer wieder neu gestärkt und gegen antidemokratische Tendenzen verteidigt werden. Das hat der Bundespräsident jetzt Studenten und Doktoranden in Heidelberg mit auf den Weg gegeben.

Steinmeier: Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier spricht in der Alten Aula der Universität. Foto: Uwe Anspach

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich für mehr Wertschätzung der Demokratie und demokratischer Verfahren ausgesprochen. Demokratie sei keine Selbstverständlichkeit, sagte er am Mittwoch bei der Sommerakademie der Begabtenförderungswerke in Heidelberg. Vor 200 jungen Menschen erinnerte er an die konfliktreiche Geschichte Europas und aktuelle rechtsstaatliche Mängel in Polen und Ungarn. Bedenklich seien auch populistische Strömungen in Westeuropa wie in Frankreich und den Niederlanden. „Wir werden verhindern müssen, dass das das Modell der Zukunft wird“, betonte Steinmeier in der Alten Aula der Heidelberger Universität.

Deshalb stelle sich die Frage: „Wie schaffen wir, dass unter veränderten Umständen eine liberale Demokratie eine Zukunft hat?“ Und Demokratie müsse liberal sein, sonst sei sie keine, sagte der 63-Jährige in einer Diskussion mit Stipendiaten. Dies sei ein Vorbild, nach dem es die Menschen in Moskau und Hongkong dürste.

Steinmeier ist Schirmherr der einwöchigen Veranstaltung. Er und seine Frau haben selbst in ihrer Jugend von der Unterstützung der Förderwerke profitiert. Diese unterstützen derzeit rund 34 000 junge Frauen und Männer in Deutschland bei Studium oder Promotion, von denen 200 an der Akademie teilnehmen. Neben der finanziellen Hilfe durch Stipendien spielt die ideelle Förderung eine wichtige Rolle. In deren Zentrum steht nach Angaben der Hans-Böckler-Stiftung das klare Bekenntnis zur Demokratie. Die Stipendiaten sollen sich nicht nur den Werten des Grundgesetzes verpflichtet fühlen, sondern auch auf dessen Basis diskutieren lernen.

Der Student Bruno Wipfler unterstrich, es gebe gute Gründe für Europa einzustehen: Frieden, Freizügigkeit und gemeinsame Werte. Dennoch sehe er in der EU und in Deutschland Tendenzen zu nationalstaatlichen Regelungen. Steinmeier warb angesichts der Konflikte zwischen China, den USA und Russland für ein geeintes Europa. Denn das Einzige, das die Kontrahenten verbinde, sei der Wunsch nach einem zersplitterten Europa. Aber nur ein geeintes Europa könne eine Rolle auf der Weltbühne spielen.

Kritik von Stipendiaten an einer vermeintlich zugunsten von Wirtschaftsbossen voreingenommenen Justiz in Deutschland wies Steinmeier deutlich zurück. Er und seine Frau Elke Büdenbender, eine Verwaltungsrichterin, betonten, dass die deutsche Justiz unabhängig und faktenbasiert arbeite.

Recht gab der Vater einer Tochter hingegen einer jungen Frau, die sich über die Abkehr vom Prinzip der Spitzenkandidaten für die Wahl des EU-Kommissionspräsidenten beklagte. Steinmeier betonte, das dürfe nicht noch einmal passieren, sonst leide die Glaubwürdigkeit der Politik. Bei der Wahl des Präsidenten war keiner der Spitzenkandidaten zum Zug gekommen, sondern die damalige Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU).

Büdenbender plädierte dafür, nicht nur Eliten Zugang zu europäischen Bildungsprogrammen zu eröffnen. Der Kreis der Begünstigten müsse auf Auszubildende ausgeweitet werden.