Steter Einsatz für eine andere Mobilität

Unermüdlich scheint ihr Engagement zu sein: Hans Walker, Klaus Jenne und Heinz Brenner wollen den Verkehrslärm in der Gemeinde Burgstetten reduzieren. Die drei sammelten erfolgreich Unterschriften und erarbeiten jetzt alternative Vorschläge.

Steter Einsatz für eine andere Mobilität

Letztlich ist es auch Klaus Jenne, Heinz Brenner und Hans Walker (von links) zu verdanken, dass Burgstetten eine von 15 Modellkommunen im Kompetenznetz „Klima mobil“ ist. Foto: A. Becher

Von Hans-Christoph Werner

BURGSTETTEN. Auch „Wasser“ wäre ein lohnendes Thema. Wo doch der Grundwasserspiegel zurückgeht und der dritte Sommer in Folge sehr trocken war. Wie Menge und Qualität des Wassers sicherstellen? Oder „Landwirtschaft“. Die Devise, immer größer, immer besser, was die Betriebsgröße angeht, habe sich als fataler Irrtum herausgestellt. Durch die tonnenschweren Traktoren würde der Boden immer mehr verdichtet, sodass das Wasser darüber hinweg fließt. Wobei wir wieder beim ersten Thema wären. Aber weder „Wasser“ noch „Landwirtschaft“ haben die drei Unentwegten aus Burgstetten gewählt, sondern das Thema „Mobilität“. Während Hans Walker, Klaus Jenne und Heinz Brenner über ihre Bemühungen in dieser Sache erzählen, hört man den Verkehr wie eine ständige Begleitmusik rauschen.

Alle drei Unentwegten haben ihre aktive Berufslaufbahn hinter sich.

Das Haus von Walker, am westlichen Ortsrand Erbstettens, ist keine 50 Meter von der Ortsdurchfahrt entfernt. Hier, Richtung Burgstall, fällt die Straße ab und führt schnurgerade aus dem Ort heraus. Was viele Autofahrer offensichtlich als Einladung sehen, tüchtig auf das Gaspedal zu treten. Zwar gilt bis zum Ortsende wegen der nahen Schule Tempo 30. Aber die entsprechenden Schilder tragen ja diesen zusätzlichen Hinweis, dass das nur bis 18 Uhr gelte. Und so wird das vor allem nachts, erzählt Jenne, wie eine Einladung verstanden, den Wagen tüchtig röhren zu lassen.

Alle drei Unentwegten haben ihre aktive Berufslaufbahn hinter sich, sind mittlerweile 67 oder 69 Jahre alt. Jenne ist Biologe und arbeitete im kriminaltechnischen Institut. Walker und Brenner waren Lehrer, haben also Schülern ins Leben geholfen. Überhaupt die, die nach uns kommen, unsere Kinder und Enkel, die bewegen alle drei. Was für eine Welt hinterlassen wir den nachfolgenden Generationen? Brenner sagt: „Ich will meinen Nachkommen eine Umwelt hinterlassen, die lebenswert ist.“

Walker war dabei, als in der Gemeinde Burgstetten vor 25 Jahren „Akku“ gegründet wurde, die „Aktion Klima und Umwelt“. An Umweltfragen Interessierte aus der ganzen Gemeinde fanden sich zusammen. Damals war „Energie“ das Thema. Um Erfahrung zu sammeln und unter Beweis zu stellen, dass da etwas zu verändern ist, montierten sich die Engagierten in Eigenarbeit Fotovoltaikmodule aufs Dach. Dann ließ zwar der Eifer in der Akku-Gruppe etwas nach. Aber spätestens seit „Fridays for Future“ und Greta Thunberg ist der alte Schwung wieder da.

Jetzt eben das Thema Mobilität. Wie überall im ganzen Land nimmt der Autoverkehr überhand. Und weil immer mehr Autos zu immer mehr Staus führen, weichen Autofahrer aus. Auf die Strecken, wo noch ein Durchkommen ist. So ist Erbstetten längst zur Umfahrungsalternative geworden. Wenn sich der Bundesstraßenverkehr rund um Backnang staut, geht noch was, wenn man über Erbstetten und Nellmersbach oder Kirschenhardthof beziehungsweise Weiler zum Stein in Richtung Bundesstraße fährt. Nahezu doppelt so viel Durchgangsverkehr muss Erbstetten im Vergleich zum benachbarten Burgstall ertragen. Und viel Verkehr bedeutet viel Lärm, viele Abgase und viele Gefahren. Letzteres hat das Trio veranlasst, die Gefahrenstellen aufzulisten und in einem Einwohnerantrag dem Gemeinderat vorzulegen (wir berichteten). Schönes Ergebnis der ganzen Sache ist, dass Burgstetten eine von 15 Modellkommunen im Kompetenznetz „Klima mobil“ wurde. Zusammen mit einem Berliner Planungsbüro sollen jetzt bis nächstes Jahr Vorschläge erarbeitet werden, wie Mobilität menschenfreundlich gestaltet werden könnte. Im darauffolgenden Jahr können dann die Vorschläge umgesetzt werden. Große Hoffnungen setzen die drei Akku-Kämpfer in die Zusammenarbeit mit dem auswärtigen Planungsbüro. Denn Auswärtige könnten mit anderer Autorität sprechen. Durch eine andere Mobilität könnte die Lebens- und Wohnqualität für alle Einwohner steigen.

Freilich kann man Änderungen nicht von oben dekretieren. Man muss die Menschen mitnehmen. So bemühen sich Walker, Jenne und Brenner, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Schon die Auflistung der Gefahrenstellen war damit verbunden, dass man dazu Unterschriften sammelte. Auch von sich aus würden die Leute mittlerweile auf sie zukommen, so erzählen die drei.

„Ich akzeptiere nicht die Haltung: Da kann man nichts machen.“

Unüberhörbar ihr Optimismus, mit ihren Bemühungen etwas bewirken zu können. Denn nichts zu tun, ist keine Alternative. Walker sagt: „Ich akzeptiere nicht die Haltung: Da kann man nichts machen.“ Und Jenne pflichtet bei: „Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Jeder muss überlegen, was er für die Umwelt tun kann.“

Die größte Veränderung, davon sind die drei Erbstettener überzeugt, muss in den Köpfen stattfinden. Wir müssen wegkommen, so sagen sie, von dem autofixierten Denken. Als in den letzten Monaten die Zufahrt für den am Ortseingang Burgstall entstehenden Rewe-Markt gebaut wurde, war autozentriertes Planen ausschlaggebend. Abbiegespur und Autozufahrt optimal. Die Überquerungshilfe für Fußgänger oder Radfahrer sei dagegen bescheiden ausgefallen. Ein Fahrrad passe so gerade von der Länge auf die Verkehrsinsel inmitten der Straße. Aber jeder Radfahrer, der mit Kinderanhänger kommen sollte, müsse mit dem Anhänger auf der Fahrbahn halten.

Weiter zurück liegt die Umgestaltung des Bahnhofsvorplatzes in Burgstall. Riesige Parkflächen für Autos sind entstanden. Für die, die Bus und S-Bahn benutzen, wäre es sinnvoller gewesen, die Bushaltestelle für beide Fahrtrichtungen in die unmittelbare Nähe des Bahnsteigs zu verlegen. So aber hält der aus Erbstetten kommende Bus an der Straße. Fahrgäste müssen auf die andere Straßenseite wechseln. Wegen der Unübersichtlichkeit der an dieser Stelle liegenden Fahrbahnkurven ein lebensgefährliches Unterfangen. Von dem auto-zentrierten Denken müsse man dahin kommen, alle Verkehrsteilnehmer gleichermaßen zu beteiligen. Die drei Unentwegten halten es für keinen Unsinn, auf allen Straßen einen Radfahrstreifen zu markieren. Die Fahrbahn für Pkw und Lkw würde enger. Aber so würde den Autofahrern signalisiert: Da sind noch andere unterwegs.

Jenne ist es wichtig, nicht etwas zu fordern, was man nicht mit eigenem Verhalten unterstreicht. In seinen Stuttgarter Berufsjahren hat er es so gehalten: Mit dem Fahrrad ging es morgens von der Haustür zur S-Bahn-Haltestelle in Maubach. Und abends in der gleichen Weise zurück. Manchmal hat er bei der Rückfahrt angehalten, weil ein Naturschauspiel oder ein Sonnenuntergang ihn so faszinierte. So lebenswertvoll kann eine andere Mobilität sein.

Es wird noch etwas dauern, bis solche und andere Beispiele Schule machen und von der überwiegenden Mehrheit praktiziert werden. Die drei engagierten Bürger werden alles daransetzen, den Wandel mit zu bewirken.