Strobl oder Eisenmann?

In der Südwest-CDU droht ein Streit über die Spitzenkandidatur – das ist für die Partei gefährlich

Von Arnold Rieger

Baden-Württembergs CDU versucht den Schwung des Herbstes ins neue Jahr zu retten. Ende Mai stehen Europa- und Kommunalwahlen an, und auch die Landtagswahl 2021 erscheint am Horizont. Offiziell hält die Partei die Frage nach der Spitzenkandidatur zwar unter der Decke, um damit nicht die aktuelle Kampagne zu befrachten. Doch in den Hinterzimmern gewinnt die Debatte, wer die CDU gegen Grünen-Übervater Winfried Kretschmann in den Wahlkampf führen soll, an Fahrt. Warum so früh? Das hat mit der Furcht vieler Christdemokraten zu tun, dass diese Aufgabe automatisch und direkt auf den Landesvorsitzenden Thomas Strobl zuläuft.

Noch ist keineswegs sicher, ob Kretsch-mann tatsächlich eine dritte Amtszeit anstrebt. Er wird sich die Entscheidung so lange wie möglich offenhalten. Die CDU muss aber damit rechnen, dass ihr die Grünen diese harte Nuss erneut servieren. Wäre sie davon überzeugt, dass Strobl sie knacken kann, könnte sie gelassen zumindest noch dieses Jahr abwarten. Doch wer in die Partei hineinhört, muss nach Dränglern und Zweiflern nicht lange suchen. Nicht, dass der frühere Bundestagsabgeordnete, der die Partei nach dem Wahldebakel 2016 in ruhiges Fahrwasser zurückführte, den Rückhalt verloren hätte. Als Landesvorsitzender genießt Strobl hohes Ansehen. Und doch ist es ihm bisher nicht gelungen, sich als Herausforderer zu empfehlen. Dieses Manko rührt weniger von den Fehlern, die ihm als Innenminister unterlaufen. Die gibt es zwar, etwa bei der Reform des Polizeigesetzes, aber sie sind nicht entscheidend.

Die Zweifel, ob Strobl dem Amtsinhaber Paroli bieten kann, beziehen sich vielmehr auf Habitus und Auftreten: Er sei zu oberflächlich, zu glatt, zu unprofiliert, lautet ein oft gehörter Vorwurf. Argwohn weckt auch, dass er sich mit Kretsch­mann gut versteht. Für das Land mag das von Vorteil sein, denn so kann die Koalition sachbezogen arbeiten. Doch nicht wenige Christdemokraten sähen gern mehr Nadelstiche gegen den älteren Herrn in der Villa Reitzenstein. So wächst also der Wunsch nach einer Führungspersönlichkeit, die ein genaues Gegenmodell zu Kretsch­mann darstellt – in Alter, Typus und Geschlecht.

Genau dies trifft auf Susanne Eisenmann zu. Die 54-Jährige gilt vielen als ideale Kandidatin – dabei hat sie sich noch gar nicht erklärt. Mit dem Kultusressort verantwortet sie auch nicht gerade ein Ressort, mit dem man sich in der Öffentlichkeit Freunde macht. Doch gerade weil sie sich in dieses Haifischbecken stürzt und darin lustvoll mitbeißt, hat sie eine so große Fan-Gemeinde. So überzogen die Erwartungen an sie auch sein mögen, Strobl kann sie nicht einfach ignorieren. Denn sie spiegeln den Grundkonflikt: Die Partei hat Strobl viel zu verdanken, denn er hat sie stabilisiert und modernisiert. Und doch fehlt ihm der Rückhalt, der für einen motivierten Wahlkampf notwendig ist.

Dabei war von vornherein klar, dass der Bundestagsabgeordnete mit der Absicht nach Stuttgart kam, Ministerpräsident zu werden. 2014 zog er gegen den damaligen Kontrahenten Guido Wolf den Kürzeren, doch nochmals wird er sich die Spitzenkandidatur nicht nehmen lassen. Deshalb ist die Vorstellung, dass er sich mit Eisenmann zusammensetzt, um frei von Eitelkeiten zu entscheiden, wer gegen Kretschmann die besseren Karten hat, ein frommer, aber unrealistischer Wunsch. Das Dilemma lässt sich nur lösen, indem erneut die Mitglieder entscheiden. Oder aber Eisenmann bricht dem Palaver die Spitze, indem sie sagt: Ich stehe nicht zur Verfügung! Momentan aber braut sich ein Konflikt zusammen, der die CDU empfindlich schwächen kann.

arnold.rieger@stzn.de