Subtil hat Urlaub

Schwäbisches Kabarett mit Alois und Elsbeth Gscheidle in der Dorfhalle Steinbach

Subtil hat Urlaub

Das schwäbische Dauergezänk von Alois und Elsbeth Gscheidle brachte die Zuschauer in der voll besetzten Dorfhalle Steinbach zum Toben. Foto: A. Becher

Von Renate Schweizer

BACKNANG. Schon mal warmlachen, bevor es in die fünfte Jahreszeit geht, das war und ist wohl das Motto der Premiere der Gscheidles in der Steinbacher Dorfhalle. Ihr neues Programm präsentieren die schwäbischen Kabarettisten nämlich gerne als Erstes dem Backnanger Karnevals-Club (BKC). Dieses Mal heißt es „naseweiß“ und das Publikum in der brechend vollen Halle bekommt schon am Eingang einen weißen Klecks auf die Nase verpasst.

Sie kommen, nein, nicht wirklich zu spät – alle anderen sind halt schon da. Sagen wir also: Sie kommen in letzter Sekunde und gleich fangen sie an, sich ziemlich rücksichtslos nach vorne durchzudrängeln, lautstark auf den jeweils anderen schimpfend, erstens, um allen klar zu machen, dass nicht sie an diesem späten Eintreffen schuld sind, sondern der andere, und zweitens, um sich gleich mal Verbündete zu suchen – wie ältere Ehepaare das manchmal so tun, im ewigen Krieg, zu dem ihre Partnerschaft in den letzten 25 Jahren geworden ist.

Im wahren Leben wäre das eine eher unangenehme Situation für unbeteiligte Zuschauer. Hier, in der Dorfhalle Steinbach, ist es schwäbisches Kabarett mit den Gscheidles und ein Riesenspaß. Alois und Elsbeth haben ihr Publikum im Sack, bevor sie auch nur in die Nähe der Bühne kommen. Ihr Dauergezänk in breitestem Schwäbisch – später wird sich herausstellen, dass „Alois“ auch noch andere Rollen und Zungenschläge auf der Pfanne hat – ist eine Salve schneller Pointen, subtil ist keine davon. Subtil hat Urlaub. Stattdessen: Ein Klischee nach dem anderen wird genussvoll aufgespießt und das in dieser wunderbaren Sprache, die der Alteingesessene in vollen Zügen genießt und der Reig’schmeckte bestaunt.

Ein Beispiel: Elsbeth beklagt sich über die Verstoffelung ihres Mannes nach der Hochzeit. „Friar isch des so a neddr Dengr gwä.“ Man sieht, wie die Zuschauer um den Bruchteil einer Sekunde zeitversetzt reagieren. Wer aus Norddeutschland kommt, also sagen wir mal nördlich von Heilbronn, dessen Hirn muss das erst übersetzen. Bis dahin ist das Lamento der Schwertgosch aber längst weitergegangen, was unweigerlich zu einer zeitlichen Überlagerung der Lachimpulse führt und insofern zu Schnappatmung seitens des Publikums.

Es ist die Premiere des neuen Programms „naseweiß“ und am lustigsten wird die Sache, wenn die beiden den Faden verlieren, was gelegentlich vorkommt. Dann fangen sie selber an zu lachen und improvisieren weiter, oder die Souffleuse in der ersten Reihe soll’s richten, die war aber mit Sich-kringeln beschäftigt und hat vergessen mitzulesen, sodass Elsbeth die Dinge und das Manuskript selbst in die Hand nimmt, aber wiederum mit ihrer Bühnenbrille nicht lesen kann, sodass einer der Zuschauer einspringen muss... – eingeplant? „Echt“ aus dem Text gefallen? Grad wurscht, saukomisch ist es so oder so. Unnötig zu erwähnen, dass die Gags auch gerne mal eine Handbreit unter der Gürtellinie landen und das wird auch nicht anders, als Samuel, das „Enkele“, in der zweiten Programmhälfte die Bühne entert. Die Zugabe gibt’s gleich vor dem Applaus – „des hen’r jetzt echt verdient. Nochher dirfad’r trotzdem badscha, aber ihr miaßed net.“ Und wie da „badschd“ wird, gejohlt und völlig sinnbefreit gesungen! Das Publikum tobt, „Ich kann nicht mehr“, jammert eine, „mir tut alles weh!“ Aber es hilft nicht, gelacht, getrommelt und applaudiert muss werden.

Gaby Kallfaß vom BKC betritt die Bühne und kriegt ihre Mundwinkel kaum unter Kontrolle. Für den Backnanger Karnevalsverein war es das gelungene Warmlachen vor Beginn der neuen Kampagne ab dem Elften Elften.