Sehnsucht nach Jamaika bei der Südwest-CDU

dpa/lsw Gerlingen. Die Südwest-CDU schwebt zwischen Katerstimmung und Jamaika-Hoffnung. Laschet soll Kanzler werden - Wahldesaster hin oder her. Doch die Kritik an der Berliner Parteispitze wird lauter.

Sehnsucht nach Jamaika bei der Südwest-CDU

Hubertus Heil (r, SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales, begrüßt Jens Spahn (l, CDU), Bundesminister für Gesundheit, vor Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur. Foto: Kay Nietfeld/dpa Pool/dpa

Die Südwest-CDU pocht nach dem desaströsen Ergebnis bei der Bundestagswahl auf ein Bündnis mit FDP und Grünen. „Jamaika ist eine Option, die wir definitiv ausloten müssen“, sagte Generalsekretärin Isabell Huber am Montagabend vor Gremiensitzungen des Landesverbands in einem Hotel in Gerlingen im Kreis Ludwigsburg. In Präsidium und Vorstand wurden bis in den späten Abend die Konsequenzen aus der Wahlschlappe im Bund besprochen. „Das Wahlergebnis macht uns überhaupt nicht zufrieden, das nehmen wir ernst“, sagte CDU-Landeschef Thomas Strobl am Abend. „Und das müssen wir auch mit großer Demut analysieren und das wird stattfinden.“

Die CDU fiel am Sonntag im Südwesten auf ein Rekordtief von 24,8 Prozent - ein Minus von 9,6 Punkten. Der Landesverband verlor noch stärker als die Bundespartei. „Das Ergebnis ist sehr schlecht und kann uns in keinster Weise zufriedenstellen“, sagte Generalsekretärin Huber. Es liege in der Hand der SPD als stärkste Kraft, Gespräche zu führen, aber es sei eben auch eine Jamaika-Koalition möglich. Auch die CDU habe als zweitstärkste Kraft das Recht, mit Parteien zu sprechen. „Wir stehen bereit.“

„Einen klaren Regierungsauftrag gibt es bei dem Ergebnis nicht - es gibt einfach zwei, die es machen können, und jetzt müssen die Parteien miteinander reden“, sagte der Chef der Jungen Union im Südwesten, Philipp Bürkle.

Die SPD werde als stärkste politische Kraft Gesprächspartner einladen, sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz. Aber: „Es ist nicht so, dass wir unser Telefon abstellen. Wir sprechen miteinander. Aber wir laden nicht zu offiziellen Gesprächen ein - das ist nicht die Rolle, die uns als Zweiter zugesteht.“

„Wir sind bereit, Verantwortung zu übernehmen, auch wenn jetzt nicht vielleicht in erster Linie bei uns der Auftrag dazu liegt“, sagte der Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und Bezirksvorsitzende der CDU Nordwürttemberg, Steffen Bilger. Die Bereitschaft müsse man artikulieren - das sei man den Wählern schuldig. Aber wenn es doch nicht sein soll mit der Übernahme von Verantwortung, sei auch die Aufgabe in der Opposition eine wichtige in der Demokratie, „damit werden wir als Landesverband sicher auch zurecht kommen“. Bilger betonte: Die CDU müsse geschlossen auftreten.

Trotzdem wird immer mehr Kritik laut. „Die CDU Baden-Württemberg muss sich in erster Linie inhaltlich erneuern, aber auch personell“, forderte Christian Bäumler, Landeschef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA). Die CDU habe die soziale Gerechtigkeit vernachlässigt und den CDU-Wirtschaftsexperten Friedrich Merz in Baden-Württemberg zu sehr in den Vordergrund des Wahlkampfs gestellt.

Werden die Schockwellen der Wahlniederlage im Bund auch den Landesverband durchschütteln? Am 13. November steht der Landesparteitag mit Vorstandswahlen an. Landesvorsitzender ist momentan Strobl, der auch Vize der Bundespartei ist. Aus Sicht von CDU-Fraktionschef Manuel Hagel sollte Strobl auf dem Landesparteitag als Landesvorsitzender bestätigt werden. Strobl habe die CDU im Land in die Regierung mit den Grünen geführt, sei sehr verlässlich und sorge für Stabilität. „Wenn man einen Brückenbauer zu den Grünen sucht im Bund, ist Thomas Strobl sicher jemand, auf den man als Erstes kommt.“ Auch der Chef der Jungen Union im Südwesten, Philipp Bürkle, sagte: „Thomas Strobl ist unglaublich wichtig für die anstehenden Gespräche als Brückenbauer.“ Die Bundestagswahl habe keine Auswirkung auf den Landesverband, ist er überzeugt.

So mancher Unionspolitiker aus Baden-Württemberg fordert indes konkrete personelle Konsequenzen in der Bundespartei. „Mit fehlt jede Fantasie, wie Laschet die für eine neue Regierung notwendige Aufbruchstimmung erzeugen will“, sagte etwa der Nürtinger Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ (Dienstag) über den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Die Ulmer Abgeordnete Ronja Kemmer sprach sich in den Zeitungen für „einen echten Generationenwechsel“ aus.

CDU-Fraktionschef Hagel forderte am Montag einen „konzeptionellen und personellen Aufbruch“ in der Bundespartei. Im Osten seien ganze Regionen weggebrochen, da müsse sich was ändern. „Jüngere Gesichter und Frauen müssen zur Geltung kommen“ - ob man in die Opposition gehe oder in eine Jamaika-Regierung. JU-Chef Bürkle sagte, wenn man Jamaika mache, müsse eine Erneuerung stattfinden. CDU-Politiker wie Andreas Jung, Steffen Bilger, Thomas Bareiß - das sei die Generation, auf die es jetzt ankomme, sagte Bürkle.

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