Süleyman Higde führt 1-G-Regel ein

Den Copyshop am Obstmarkt in Backnang darf nur betreten, wer einen Impfnachweis vorzeigen kann. Für seinen 1-G-Vorstoß hat der Geschäftsmann einen gewaltigen Shitstorm in den sozialen Medien und auch viele negative Bewertungen abbekommen.

Süleyman Higde führt 1-G-Regel ein

Süleyman Higde (rechts) steht neben dem Coronahinweisplakat, links ein Kunde, der ihn unterstützt. Foto: S. Schneider-Seebeck

Von Simone Schneider-Seebeck

Backnang. Süleyman Higde ist ein Freund klarer Worte. Seit dem 3. Dezember macht er mit einem auffälligen Schild vor seiner Tür klar, dass nur Geimpfte sein Geschäft, einen Copyshop und Elektrofachhandel am Obstmarkt in Backnang, betreten dürfen. „Stop Covid-19. Hier gilt die 1-G-Regel. Hier kommen Sie nur rein, wenn Sie geimpft sind! Sie hatten das ganze Jahr 2021 Zeit. Danke für Ihr Verständnis.“

Verschiedene Beobachtungen seien es gewesen, die das Fass zum Überlaufen brachten, so Higde. Einerseits war dem Geschäftsmann aufgefallen, dass sich wesentlich weniger Leute auf Corona testen ließen, als die Tests kostenpflichtig wurden. Das war deutlich am Teststandort in der Grabenstraße zu sehen. „Man hat den Container da unten sogar zugemacht.“ Kaum habe man sich wieder kostenlos testen lassen können, seien die Menschen wieder Schlange gestanden. Ebenso bei den Impfaktionen. „Da habe ich mir gedacht – die Leute haben doch den ganzen Sommer Zeit gehabt, sich impfen zu lassen. Warum stehen die jetzt da und warten vier Stunden in der Kälte morgens?“, erinnert er sich.

Während die Postfiliale im vorderen Geschäftsbereich zur Grundversorgung gehört und der 3-G-Regel unterliegt, gilt für den Copyshop 2G: Zutritt also nur für Geimpfte oder Genesene. Und dabei habe er immer wieder erlebt, dass Kunden, die seine Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollten, ihren Genesenennachweis nicht vorzeigen konnten. Oder ihm etwas vorgelegt haben, das ihn misstrauisch machte: „Irgendetwas Unterschriebenes, das ich nicht nachvollziehen kann. Das fälsche ich jedem hier in einer halben Minute.“ Er hat Konsequenzen daraus gezogen: „Da mache ich nicht mit. Ich lasse nur noch Geimpfte rein. Ich möchte auch nicht mit den Leuten darüber diskutieren“, sagt er und verweist auf sein Hausrecht. Dass mit Covid-19 nicht zu spaßen ist, hat Higde im Übrigen im näheren Umfeld erlebt. Für seinen 1-G-Vorstoß hat er einen gewaltigen Shitstorm in den sozialen Medien abbekommen und auch zahlreiche negative Bewertungen. Hieß es etwa vor fünf Monaten noch: „Super zuverlässig, super freundlich und zuvorkommend. Top“, waren die – übrigens anonymen – Bewertungen in den vergangenen Tagen weniger nett. „Unfreundlich“ gehört dabei noch zu den höflicheren (oder sachlicheren) Adjektiven.

Doch da hat Higde Nerven wie Drahtseile. „Das sind wirklich nur ein paar, die sich nicht an die Regeln halten wollen. Und dann kriegt man dafür einen Shitstorm. Ich lese das gar nicht mehr.“ Die Rückmeldungen sind jedoch nicht nur negativ. „Um Gottes willen, ich habe ja auch noch gute Kundschaft“, lacht er. „Die meisten stehen da hinter mir.“ Seine Stammkunden halten sich an die Regel, ebenso wie die Geschäftskunden.

Den ursprünglichen Namen Druti haben sie beibehalten

Seine Frau Rosa Palmisano meint, sie hätte nie gedacht, dass die Aktion solche Wellen schlägt. Ihr ist nicht aufgefallen, dass sie sich negativ auf das Geschäft ausgewirkt hätte. Das Paar führt das Geschäft seit mittlerweile zweieinhalb Jahren. Den ursprünglichen Namen Druti haben sie beibehalten. Das hat nun dazu geführt, dass der Vorbesitzer gewissermaßen zum Kollateralschaden wurde und ebenfalls einiges an Hasskommentaren abgekommen hat. Auf seiner Homepage distanziert er sich deutlich von seinem Geschäftsnachfolger. Aufgrund dessen hat Higde sein Plakat etwas abgeändert.

Süleyman Higde pocht auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung. „Das ist mein Beitrag dafür, dass sich die Leute endlich impfen und boostern lassen.“

Dabei hat er auch seine Kollegen im Blick, die Einzelhändler, Kulturschaffenden, Gastronomen, die sich so viel Mühe machten und immer noch machen, um in dieser Zeit über die Runden zu kommen. Zudem sieht er kostenlose Coronatests kritisch, denn irgendwer muss schließlich für die Kosten aufkommen: „Das kommt zurück wie ein Bumerang“, fürchtet er.