Kolumne „Genuss-Sache“

„Super, liebe Entrepreneure. Aber gerne ohne mich!“

Lifestyle-Brot, Berlin-Vibes und ein erschossener Wels. Unser Kolumnist freut sich über pfundige Gastro-Konzepte, urbanen Zauberstaub und tennisbesockte Entrepreneure.

„Super, liebe Entrepreneure. Aber gerne ohne mich!“

 

Von Michael Setzer

Manchmal rufe ich aus heiterem Himmel: „Super, liebe Entrepreneure. Aber gerne ohne mich!“ Das ist nichts Persönliches, sondern eher, äh, persönlich motiviert. Viele der gastronomischen Neueröffnungen sind mir einfach schrecklich egal.

Und manchmal fehlen mir auch schlichtweg die Lust, Zeit oder Wohlstandsverwahrlosung, Pizzabrot für 7,50 Euro oder einen belegten Bagel für 9,90 Euro zu erstehen – oder was anderes mit urbanem Lametta und Preisaufschlag obendrauf. Wer das mag, bitte weitermachen. Alles super.

Stylische Preise

Einen kleinen Laib Brot für 9,20 Euro in der Innenstadt finde ich auch spitze. Ich kaufe es aber nicht, weil ich da nie vorbeilaufe, wenn ich gerade Brot brauche – und auch sonst eher einen Umweg in Kauf nehmen würde, weil ich der Meinung bin, dass man nicht alles zum Lifestyle-Produkt verklären und stylische Preise dafür aufrufen muss. Und natürlich ist Brot ein Lifestyle-Objekt – Wasser und Brot, man kennt das.

Doch ich verstehe die Geschäftsideen dahinter: Wer nicht selbst schon mal etwas Leckeres gekocht und kurz daran gedacht hat, künftig vielleicht als Gastronom die Welt zu bereichern, der werfe bitte das erste belegte Brötchen. Um sich vom üblichen Backwarenfachhandel abzugrenzen, muss dann eben etwas Zauberstaub beigemischt werden.

Zwei Faustregeln

Faustregel: Bis ich es als Kunde zur „spannenden“ Neueröffnung schaffe, ist der Laden meist wieder geschlossen, weil sich das Geschäftsmodell doch nicht wirtschaftlich emanzipieren konnte – obwohl tennisbesockte Entrepreneure mit „viel Herzblut“ ein bisschen „authentischen Berlin-Vibe“ nach Stuttgart transportiert hatten.

Noch eine Faustregel: In einer Stadt, in der drei Snackautomaten nebeneinander ungestraft „Späti“ genannt werden dürfen, sind Berlin-Vibes alles, aber keine Währung.

Mein liebster Gastro-Entrepreneur ist eh der Wirt, der kürzlich den von der Polizei erschossenen Wels in seinem Restaurant an die Gäste verfütterte. Wir erinnern uns: Der Fisch war im mittelfränkischen Brombachsee auffällig geworden, weil er mehrere Badegäste angegriffen beziehungsweise mutmaßlich seinen Nachwuchs verteidigt hatte.

Na ja, wie dem auch sei: Der Drecksack wurde von einem Polizisten per Streifschuss erlegt und im Restaurant „Zum Goldenen Lamm“ auf der Karte feilgeboten. Nach 120 Portionen Filet, serviert mit Beilagen für je 22,50 Euro war der Fisch endgültig alle gemacht. Soll lecker gewesen sein.

Wahrscheinlich überlegt gerade ein Polizist, die Schützenkarriere nachträglich zu optimieren und künftig vielleicht doch „was mit Gastro“ zu machen.