Täter wird in Psychiatrie untergebracht

Gerichtsurteil nach Überfall auf Erntehelferin in Allmersbach am Weinberg – Verurteiltem kann nur in Klinik geholfen werden

Täter wird in Psychiatrie untergebracht

Von Hans-Christoph Werner

ASPACH/STUTTGART. Eine Woche nach dem letzten, ausführlichen Verhandlungstag hat das Stuttgarter Landgericht ein Urteil gesprochen. Die Achte Große Strafkammer ordnete in dem Fall der Freiheitsberaubung und Körperverletzung einer jungen Erntehelferin die Unterbringung des Täters in der Psychiatrie an. In seiner Urteilsbegründung referierte der Vorsitzende Richter nochmals kurz den Tathergang, so wie er sich nach Vernehmung vieler Zeugen für die Strafkammer darstellte. Dem Vorfall im Juni 2019 ging eine Verstimmung des Angeklagten voraus. Er hatte Streit mit seiner Mutter. Gegen 22 Uhr am Tattag begab sich der Angeklagte auf einen Spaziergang und nahm dabei, vermutlich zum Selbstschutz, ein Messer mit. Auf dem Weg sprach er die junge Erntehelferin an. Als diese allerdings das Messer in der Hand des Angeklagten erblickte, fing sie an zu schreien. Mit dieser Reaktion der jungen Frau war der Angeklagte überfordert. Er zerrte die junge Frau in ein nahes Getreidefeld, rang mit ihr und hielt ihr, um das Schreien abzustellen, Mund und Nase zu. Die Erntehelferin stand Todesängste aus. Als sich ein Auto näherte, ließ der junge Mann los.

Auf der Seite des Täters, so führte der Richter aus, müsse berücksichtigt werden, dass dieser durch traumatische Erlebnisse in seiner Heimat Afghanistan belastet sei, eine Verhaltensstörung zeige sowie eine Intelligenzminderung. Aufgrund geringer Frustrationstoleranz neige er bei Enttäuschungen zu Aggression und Impulsivität. Diese richte sich in der Regel gegen Sachen. Der Täter habe am Tattag die Übersicht verloren. Unrechtseinsicht und Schuldfähigkeit seien aufgehoben gewesen. Nach anfänglichen Zweifeln an der Täterschaft des Angeklagten habe diese sich durch die Verhandlung eindeutig herausgestellt. Die Erntehelferin habe den Angeklagten eindeutig identifiziert. Ferner seien an den Händen des Angeklagten DNA-Spuren der Frau gefunden worden, die nur durch Körperkontakt zu erklären sind.

Die Strafkammer habe bei der Urteilsfindung Jugendstrafrecht angewandt, weil beim Angeklagten offenbar eine Reifeverzögerung vorliege. Da es beim Angeklagten in Stresssituationen wieder zu Aggressionen kommen könne und damit eine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit einhergehe, müsse er in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht werden. Die Familie, das habe die Verhandlung leider auch ergeben, sei nicht der richtige Ort, an dem der Angeklagte Betreuung und Förderung erfahre.

Der Verteidiger des Angeklagten erklärt in einem Nebengespräch, dass in einer psychiatrischen Klinik jedes Jahr über die Fortschritte der Patienten beraten werde. Sind diese zu verzeichnen, kann der Patient auf richterlichen Beschluss der Strafvollzugsbehörden entlassen werden. Der Verteidiger ist allerdings skeptisch bezüglich seines Mandanten. Er hat große Zweifel daran, ob er je die deutsche Sprache ausreichend erlernen wird. Auch steht infrage, ob der Verurteilte versteht, inwiefern ihm in der psychiatrischen Klinik geholfen wird.

Dem Verurteilten ist keine Reaktion auf das ergangene Urteil anzumerken. Wie an jedem anderen Verhandlungstag werden ihm nach Beendigung der Verhandlung wieder Handschellen angelegt. An der Hand seines Betreuers lässt er sich aus dem Gerichtssaal führen. Sein Gang ist unbeholfen.