Tafel und Tablet sind künftig gleichberechtigt

Der Digitalpakt ermöglicht es den Schulen, den analogen Unterricht zu ergänzen

Von Renate Allgöwerund Yannik Buhl

Mit dem Digitalpakt bekommen die Länder Geld vom Bund, um Schulen digital aufzurüsten. Wie wirkt sich das auf den Unterricht aus?

Stuttgart Computerräume in der Schule sind David Warneck ein Graus. Für den Lehrer der Gemeinschaftsschule in Ostfildern sind sie ein Relikt aus den Anfangszeiten des Computerzeitalters. „Die Ausstattung ist oft veraltet, und medienpädagogisch sind die Räume fragwürdig“, sagt Warneck. Schließlich können so immer nur wenige Klassen Computer für den Unterricht nutzen; und die spielerische Integration in verschiedenen Fächern ist schwierig. Viele Schulen im Südwesten haben diese Räume aber noch. Denn um die Klassenzimmer mit Laptops oder Tablets auszurüsten, fehlt das Geld.

Das soll sich nun ändern. Bund und Länder haben sich nach jahrelangem Vorlauf auf einen Digitalpakt verständigt. Am Freitag wird der Bundesrat diesen Kompromiss aller Voraussicht nach endgültig beschließen. Fünf Milliarden Euro wird der Bund über die kommenden fünf Jahre an die Länder überweisen. Die ersten Gelder werden wohl ab dem zweiten Halbjahr 2019 fließen.

Der Digitalpakt könne die Medienbildung hierzulande endlich voranbringen, sagt Thomas Knaus, Professor am Institut für Erziehungswissenschaft der Pädagogischen Hochschule (PH) Ludwigsburg: „Die Schule der Zukunft benötigt sowohl medienpädagogisch gut ausgebildete Lehrer als auch eine geeignete technische Infrastruktur.“ In Deutschland hapere es oft bei der Ausbildung: „An nur 53 Standorten können angehende Lehrer medienpädagogische Inhalte studieren“, sagt Knaus. Die Ludwigsburger Studierenden, für die Medienpädagogik ein Pflichtfach ist, beklagten wiederum, dass sie in den Schulen keine geeignete Ausstattung vorfinden.

Tablets für alle Schüler wird es trotz Digitalpakts nicht geben – dafür reicht das Geld nicht. Denn bei den allgemeinbildenden Schulen ist die Summe für Tablets und Laptops pro Schule auf 25 000 Euro über die fünf Jahre gedeckelt. Auch kann jede Gemeinde maximal 20 Prozent ihrer Fördergelder dafür ausgeben, für alle Schulen am Ort.

Vielmehr fördert der Digitalpakt die technische Infrastruktur an den Schulen, sozusagen die digitale Grundausstattung. „Ich wünsche mir, dass alle Schulen WLAN haben“, sagt etwa der Lehrer Warneck. „Und zwar eines, das stabil und sicher ist.“ Durch den Digitalpakt können Schulen zudem Lernplattformen, Schulserver, Schulclouds und interaktive Tafeln einrichten. Karin Broszat, Rektorin der Realschule in Überlingen am Bodensee, wünscht sich für alle Schulen im Land in jedem Klassenzimmer einen Laptop, einen Beamer und einen Dokumentenleser. Oliver Hintzen, Rektor der Johann-Belzer-Grund- und Werkrealschule in Weisenbach im Schwarzwald, betont zudem die Notwendigkeit von IT-Sicherheit an den Schulen: „Wir brauchen Hardware wie Tablets, dann aber auch sicheres WLAN und entsprechende Jugendschutzfilter.“ Die digitale Infrastruktur wird also auch deutlich komplexer.

Viele Rektoren wünschen sich deshalb auch eine professionelle Wartung der IT-In­frastruktur, zum Beispiel durch eine externe Firma oder einen eigenen Systemadministrator. Heute machen das Lehrer – oft ehrenamtlich oder innerhalb weniger Stunden pro Woche, die sie dafür unterrichtsfrei bekommen. Durch den Digitalpakt gibt es dafür aber kein Geld. Das Kultusministerium betont, die Wartung sei Sache der Städte und Gemeinden.

Doch wie sehr verändert sich der Unterricht, wenn die Schulen digitaler werden? Das bleibt jeder Schule selbst überlassen. Bevor aber Geld fließt,muss jede Schule einen „Medienentwicklungsplan“ schreiben, also ein pädagogisches Konzept vorlegen, wie die beantragten digitalen Medien im Unterricht eingesetzt werden sollen. „Es ist wichtig, dass die Pädagogik Neue Medien funktional einsetzt“, sagt Elke Ray, Rektorin des Gymnasiums Ochsenhausen. Der Unterricht werde sich inhaltlich nicht ändern, das Lernziel bleibe im Vordergrund.

Wie könnte so ein Konzept aussehen? Oliver Hintzen aus dem Schwarzwald sagt: „Es gibt bereits fertige Pakete auf dem Markt, die Neue Medien in den Unterricht integrieren.“ Beispielsweise könnten Schüler mit einem Tablet draußen unterwegs sein, um Pflanzen und Tiere zu bestimmen. Laut Martin Fix, Rektor der PH Ludwigsburg, hat sich die Lehrerausbildung auf die Digitalisierung eingestellt: „Es wäre aber sinnvoll, die verpflichtenden Module im Studium auszubauen.“ Noch wichtiger sei es, Digitalisierung als Querschnittsthema in alle Fächer zu integrieren: „Wenn es um Aufgaben und Lernmaterial für Mathematik in der Grundschule geht, müssen analoge und digitale Materialien und Formate gleichberechtigt behandelt werden.“

An Materialien fehlt es nicht, erklären die Schulbuchverlage. Fix sieht gerade die Fülle des Materials als Herausforderung: „Ein digital kompetenter Lehrer sollte die Qualität des Materials einschätzen und es gegebenenfalls anpassen können.“ Allerdings machen digitale Materialien etwa beim Klett-Verlag nicht mal zehn Prozent des Umsatzes aus. Gefragt seien E-Books, das interaktive, multimediale „E-Book pro“, oder Materialien, die gemeinsames Arbeiten ermöglichten, sagt der Verlagsleiter Ilas Körner-Wellershaus. Für ihn stellt sich die Lage uneinheitlich dar: „Die Nachfrage nach digitalen Materialien ist abhängig von der IT-Ausstattung der Schulen und von Fragen zur Wartung sowie zu Fortbildungen der Lehrer.“

Für Kultusministerin Susanne Eisenmann steht außer Frage, dass die Schulen auf die Digitalisierung reagieren müssen. Aber sie betont: „Wir fangen nicht bei null an.“ Die Schulen würden durch den Digitalpakt nicht revolutioniert. Inhaltlich sieht Eisenmann durchaus Grenzen. Im Mittelpunkt eines guten Unterrichts stünden immer noch die Lehrer.