Tafeln ächzen unter starkem Andrang

Durch die steigenden Preise in vielen Lebensbereichen sowie durch den Flüchtlingszustrom aus der Ukraine verzeichnen die Tafeln in Backnang und Murrhardt viele neue Kunden. Zugleich bekommen sie aber von den Supermärkten weniger Waren. Derzeit sind die Einrichtungen vermehrt auf Privatspenden angewiesen.

Tafeln ächzen unter starkem Andrang

Vor allem an der Lebensmitteltheke der Backnanger Tafel ist derzeit viel los. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

Backnang/Murrhardt. „Die aktuelle Situation bringt uns an die Grenzen dessen, was wir leisten können“, bringt es Daniela Kramm, Leiterin der Backnanger Tafel, auf den Punkt. Das zeigt ein Besuch am Vormittag. Der Laden ist voll, die Regale hingegen leeren sich zusehends. Sie habe schon luftiger eingeräumt als sonst, außerdem stehen vermehrt Lebensmittel im Regal, die nicht den unmittelbaren Bedarf decken – etwa Weihnachtsschokolade, so Kramm.

Die Einrichtung ist in jüngster Zeit gleich durch zwei Entwicklungen unter Druck geraten: Einerseits steigt die Zahl ihrer Kunden stark an. Einen Zuwachs von etwa 30 Prozent verzeichnen die Verantwortlichen. Das liege zum einen daran, dass inzwischen auch ukrainische Flüchtlinge in der Tafel einkaufen. Durch die steigenden Preise in verschiedenen Teilen des Alltags fallen aber auch vermehrt Menschen unter die Grundsicherung. „Es sind nicht nur Sozialhilfeempfänger, die hier einkaufen“, macht Kramm klar. Durch Phasen der Kurzarbeit und hohe Rechnungen für Strom und Gas reicht auch bei so manchem Arbeitnehmer das Gehalt nicht aus.

Die andere Entwicklung lässt sich am Wareneingang der Tafel beobachten. Hier kommen nämlich zwischen 30 und 40 Prozent weniger Produkte an. Auch hierfür sind die steigenden Preise wohl mitverantwortlich, denn die Supermärkte kalkulieren knapper. Ware, die kurz vor dem Ablauf der Mindesthaltbarkeit steht, werde zudem immer häufiger im Markt selbst verbilligt angeboten, erklärt Heinz Franke, Vorsitzender des Vereins Kinder- und Jugendhilfe.

Die Warenengpässe führen

manchmal zu Streitereien

Weniger Waren für mehr Kunden – das kann nicht gut gehen. Am vergangenen Freitag war die Tafel eine halbe Stunde vor Ladenschluss quasi leer gekauft – erstmalig, sagt Kramm. Drei Ehrenamtliche mussten den Einlass regeln, um dem Andrang Herr zu werden. Statt der üblichen 50 bis 60 Einkäufer, die meist für mehrere Personen im Haushalt Waren besorgen, waren es an jenem Tag 94. Das entspreche 350 bis 400 zu versorgenden Menschen. Und es werden stetig mehr. „Da haben sich viele versucht vorzudrängeln“, berichtet die Tafelleiterin. Ihre Präsenz sei nonstop erforderlich gewesen, um die Situation zu beruhigen und den Menschen die Zwänge zu erklären. Aber verübeln könne man es keinem, wenn man in der Schlange steht und sieht, wie begehrte Waren immer weniger werden und die Sorge folglich größer.

Von ähnlichen Zuständen berichtet auch Berthold Müller, Vorsitzender der Murrhardter Tafel. Dort sei es bislang zwar nicht zu Streitigkeiten gekommen, aber „die Kunden meckern schon auch, wenn nichts mehr da ist“. Und das komme immer öfter vor. Er nennt Beispiele: „Joghurt hatten wir früher im Übermaß. Heute haben wir vor der Öffnung gerade mal 40 Stück.“ Öl und Mehl seien schon seit Längerem nicht mehr auf den Regalen der Murrhardter Tafel gelandet. Ähnlich ist die Situation in Backnang. Bei leicht verderblichen Produkten wie Obst, Gemüse oder Backwaren sei kein Engpass zu spüren, erklärt Kramm. Das liege auch an den guten Beziehungen zum Einzelhandel in der Stadt. Haltbare Lebensmittel hingegen werden von den Supermärkten kaum noch abgegeben. Da das verlängerte Osterwochenende bevorsteht, sieht Kramm noch schwierigeren Zeiten entgegen.

Selbst von zuverlässigen Lieferanten bekommt Müller inzwischen öfters zu hören: „Wir haben heute nichts für euch.“ Die Verantwortlichen mussten dazu übergehen, zu rationieren. Pro Kopf gibt es nun eine festgelegte Abgabemenge. Das richtet sich nicht danach, wie viele Menschen im Laden stehen, sondern wie viele auf der Berechtigungskarte aufgeführt werden. Ukrainische Flüchtlinge dürfen auch ohne Berechtigungsschein in den Tafeln einkaufen, in Murrhardt können sie bis Ostern sogar umsonst einkaufen – wenn auch für sie das Abgabelimit gilt.

Der Handlungsspielraum für die Tafeln ist begrenzt. In Murrhardt haben die Mitarbeiter schon im eigenen Umfeld für Lebensmittelspenden geworben. Der Bundesverband versuche, Großspenden aufzutun, berichtet Daniela Kramm. Aber auch das gestalte sich schwierig. Heinz Franke hat nicht die Hoffnung, dass das Nachhaken bei den Lieferanten abhilft. Diejenigen, die die Tafeln bisher nicht unterstützt haben, würden in der aktuellen Situation nicht damit anfangen, ist er sicher. Insofern hoffe man auch in Backnang darauf, dass die Bürger angesichts der schwierigen Lage mehr spenden (siehe Infobox). Franke macht die Notwendigkeit deutlich: „Wir leben gerade von der Hand in den Mund.“

Nicht nur für die Kunden der Tafeln ist der Warenengpass problematisch. Auch für die Mitarbeiter gestalten sich die Verkaufszeiten zunehmend schwierig. Franke spricht von einer explosiven Gemengelage. Denn die Tafelkunden gerieten untereinander in Streit. Verschiedene Nationalitäten spielten hierbei eine Rolle oder der Eindruck mancher, dass Ukrainer bevorzugt würden. Bei der Kommunikation mit den jüngst angekommenen Kriegsflüchtlingen gebe es zudem eine Sprachbarriere, erklärt Kramm. „Für unsere Leute ist das nicht mehr unbedingt vergnügungssteuerpflichtig“, sagt der Vereinsvorsitzende. Zumal das Ehrenamt durch die Coronapandemie sowieso nicht so gut aufgestellt sei, fügt Kramm an.

Um Spenden wird gebeten

Gefragte Waren Derzeit ist in den Tafeln vor allem das Angebot an haltbaren Lebensmitteln rar. Gefragt sind daher allerlei Konserven sowie verpackte Lebensmittel wie Nudeln, Reis oder Ähnliches auch mit nahendem oder kurz überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum. Auch Molkereiprodukte sind stark nachgefragt, allerdings weisen die Tafeln darauf hin, dass sie keine Tiefkühl- oder Kühlprodukte entgegennehmen können, bei denen nicht die fehlerfreie Einhaltung der Kühlkette garantiert ist. Wer solche Produkte spenden möchte, solle am besten vorher telefonisch Kontakt aufnehmen.

Annahme in Backnang Lebensmittel können montags bis freitags jeweils von 9 bis 17 Uhr direkt im Laden abgegeben werden. Sachspenden werden hingegen nur dienstags von 9 bis 16 Uhr oder donnerstags von 10 bis 17 Uhr angenommen. Weitere Infos gibt es unter: https://sowas-bk.de/tafel

Annahme in Murrhardt Spenden können montags und donnerstags jeweils am Vormittag in der Tafel abgegeben werden. Handelt es sich um größere Mengen, so kann auch eine Abholung organisiert werden. Hierzu melden sich Spender am besten unter 07192/9362708. Weitere Infos gibt es unter: https://tafel-murrhardt.jimdo.com