Taten im religiösen Wahnzustand?

35-Jähriger wegen Körperverletzung, Brandstiftung und Diebstahls vor Gericht

Taten im religiösen Wahnzustand?

Von Bernd Winckler

BACKNANG. Zehn Straftaten im Bereich Körperverletzung, Sachbeschädigung und Diebstahl, begangen in Backnang, warf die Staatsanwaltschaft Stuttgart gestern in ihrer Anklageschrift einem 35-jährigen psychisch kranken Mann vor, darunter auch eine Brandstiftung im Klinikum Schloss Winnenden. Das Stuttgarter Landgericht muss entscheiden, ob der Mann in eine geschlossene Anstalt eingewiesen wird, weil krankheitsbedingt weitere Straftaten folgen könnten.

In verschiedenen psychiatrischen Krankenhäusern ist der heute 35-jährige gelernte Verfahrensmechaniker bereits seit über zehn Jahren bekannt. Meist hatte er sich selbst eingewiesen, weil er mit seinen Psychosen, wie er es nennt, nicht zurechtkam. Er höre Stimmen eines Mannes, der ihm Befehle erteile. Zum Beispiel solle er einbrechen und Waren stehlen. Nach der Psychose fühle er sich „als Gott“, teils aber auch „als Judas“. „Zumindest glaubte ich dann“, sagt er den Richtern der 7. Großen Strafkammer an diesem ersten Verhandlungstag.

Die Liste der Taten, die der Mann laut Antrag des Anklägers in der Zeit zwischen Februar und März dieses Jahres begangen haben soll, ist lang. Zehn Fälle hat der Staatsanwalt zusammengefasst: In der Unterbrüdener Straße in Backnang soll er am frühen Morgen des 15. Februar einen Hausfriedensbruch begangen und dabei eine Frau durch Fausthiebe an Kopf und Körper verletzt haben. Danach folgen strafrechtlich relevante Vorfälle sozusagen Schlag auf Schlag: Am 21. Februar lässt er sich in einem Backnanger Friseurgeschäft die Haare richten. Die 43 Euro zahlt er nicht. Danach nimmt er sich in einer Backnanger Drogerie Waren für 1310 Euro, zahlt nicht, wird vom Personal aufgehalten – und bekommt Hausverbot. Das habe ihn nicht abgehalten, weiter in der Drogerie aufzutreten und mehrfach ohne Geld einzukaufen. Zuletzt ein Paar Stereolautsprecher für 16,99 Euro, die er – wie er jetzt sagt – zum Tanzen benötigte. Gravierender sind die Vorwürfe ab dem 25. Februar: In die Wohnung einer ehemaligen Freundin soll er eingedrungen sein, dann habe er die Frau festgehalten und ihr Schläge gegen den Kopf verpasst. Das Opfer wurde bewusstlos. Anfang März sollte ihn eine Bekannte mit dem Auto in die Winnender Psychiatrie bringen, weil sich sein psychischer Zustand verschlechterte. Dagegen habe er sich gewaltsam gewehrt, die Frau geschlagen – und sich nach dem Eintreffen der Polizei dann mitten auf der Straße total entkleidet. Dies habe er nur getan, um seine Friedfertigkeit zu demonstrieren, kommentiert er diesen Vorgang vom 7. März.

Schließlich wirft ihm die Anklage vor, zehn Tage später in einem Isolierzimmer des ZFP in Winnenden die Bettdecke mit einem Feuerzeug in Brand gesteckt zu haben. Hier habe er die Ärzte und Pfleger mit den Flammen erleuchten wollen, damit sie sehen, dass Flüchtlingskinder hungern müssen. Der Brandschaden hielt sich mit 500 Euro in Grenzen.

Der Mann räumt vor Gericht ein, dass er religiöse Wahnvorstellungen habe. Er habe jeweils Bilder im Kopf, die ihm jetzt auch signalisieren, was alles geschehen ist. Er wisse, dass er psychisch krank ist, offenbar hervorgerufen durch Drogen- und Alkoholmissbrauch. Vor zwei Jahren sei er aufgefallen, weil er in Stuttgart in einer Demonstration darlegen wollte, dass Marihuana keine Droge, sondern ein Heilmittel sei. In seinem Kofferraum transportierte er das Rauschgift bei eingeschaltetem Warnblinklicht von Backnang nach Stuttgart.

Gleich zu Beginn des gestern begonnenen Verfahrens gegen den 35-Jährigen stellt der Staatsanwalt den Antrag auf dessen Einweisung in eine geschlossene Einrichtung. Die Gefahr, dass er weitere Straftaten begehe, sei sehr groß. Und davor müsse die Allgemeinheit geschützt werden. Am heutigen Freitag wollen die Richter dazu zunächst einen Gutachter befragen und dann ihre Entscheidung verkünden.