Tierschützer hoffen beim Kükentöten aufs Verwaltungsgericht

dpa Leipzig. Ethisch höchst fragwürdig: Weil sich ihre Aufzucht nicht rechnet, werden jedes Jahr Millionen männliche Küken getötet. Die Politik setzt auf ein Ende der Praxis im kommenden Jahr - nicht schnell genug für Tierschützer, die daher auf das Bundesverwaltungsgericht hoffen.

Tierschützer hoffen beim Kükentöten aufs Verwaltungsgericht

Jedes Jahr werden dem Bundesagrarministerium zufolge rund 45 Millionen männliche Küken, Bruderküken genannt, getötet. Foto: Jens Büttner

Im Streit um das Töten von jährlich Millionen männlichen Küken hoffen Tierschützer auf einen Sieg vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Dort verhandeln die Richter an diesem Donnerstag (16. Mai) darüber, ob die Praxis gegen das Tierschutzgesetz verstößt oder nicht. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte das ethisch fragwürdige Vorgehen untersagt. Mehrere Brütereien klagten dagegen und setzten sich in der Vorinstanz vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster durch.

Das Gesetz stellt das Töten von Wirbeltieren grundsätzlich unter Strafe, es sei denn, es gibt dafür einen „vernünftigen Grund“. Das Aufziehen der männlichen Küken, die weder Eier noch zügig Fleisch geben, sei für die Brütereien unwirtschaftlich. Ein vernünftiger Grund für das Töten liege also vor, urteilte das OVG.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht das anders sehen, fürchtet der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) dramatische Auswirkungen: „Das würde alle deutschen Brütereien treffen“, sagte Verbandspräsident Friedrich-Otto Ripke. Die Veterinärämter in den Bundesländern würden keine Genehmigungen mehr für das Töten ausstellen, viele Betriebe würden ins Ausland abwandern. Dem Tierschutz sei damit nicht geholfen.

Jedes Jahr werden dem Bundesagrarministerium zufolge rund 45 Millionen männliche Küken, Bruderküken genannt, getötet. Legehennen sind darauf gezüchtet, langsam Fleisch anzusetzen und viele Eier zu geben. Die männlichen Küken legen keine Eier, setzen aber ebenfalls nur langsam Fleisch an. Das Töten ist aus Sicht der Betriebe eine wirtschaftliche Notwendigkeit.

An Alternativen wird längst geforscht - kräftig unterstützt vom Bund, der die Praxis ebenfalls beenden will. Zwei Methoden, mit denen das Geschlecht des Kükens schon vor dem Schlüpfen bestimmt werden kann, haben gute Chancen, einmal flächendeckend zum Einsatz zu kommen.

„Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile“, sagte Verbandspräsident Ripke. Bei der hormonellen Methode wird das Geschlecht über einen chemischen Marker bestimmt, der den Urin des Embryos analysiert. Hierzu reicht ein winziges Loch in der Eierschale.

Vor allem die Rewe-Gruppe treibt dieses Verfahren voran und bietet bereits entsprechend geprüfte Eier in zahlreichen Märkten im Großraum Berlin an. Anderen Brütereien will der Konzern die Technik kostenlos zur Verfügung stellen - und das über den Aufpreis für die Eier finanzieren. Es gebe viele Interessenten, sagte ein Sprecher. Doch noch werde die Methode ausschließlich in der eigenen Brüterei in den Niederlanden angewendet.

Das Problem aus Sicht des Tierschutzbundes: Die Geschlechtsbestimmung mit diesem Verfahren ist erst nach acht bis zehn Tagen Brutzeit möglich. Die Entwicklung des Embryos, der in der Regel nach 21 Bruttagen schlüpft, ist da schon weit voran geschritten. „Hier besteht kein wissenschaftlicher Nachweis, dass der Embryo keine Schmerzen empfindet“, teilte der Verein mit.

Er befürwortet stattdessen die sogenannte Schwingungs-Spektroskopie, bei der mit Infrarot-Licht das Geschlecht bereits nach drei Tagen Brutzeit bestimmt werden könne. Hierfür bedarf es allerdings einer deutlich größeren Öffnung im Ei, was das Verfahren aufwendiger macht.

So oder so: Laut Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) sollen solche Methoden schon „im kommenden Jahr“ allen Brütereien in Deutschland zur Verfügung stehen. Branchenexperten halten den Zeitplan für zu ambitioniert. Doch der „vernünftige Grund“, der das Töten bislang ermöglicht, würde dann automatisch wegfallen.

Der Tierschutzbund macht sich noch für eine weitere Methode stark: dem sogenannten Zweinutzhuhn. Hierbei werden die Tiere so gezüchtet, dass sie sowohl viele Eier legen, als auch viel Fleisch ansetzen. Auch Ripke befürwortet diesen Weg, sieht hierbei aber auch die Verbraucher in der Pflicht, bei etwas unförmigeren Eiern und teurerem Hühnerfleisch trotzdem zuzugreifen.